Angewidert, überrascht und gleichzeitig erstaunt taumelte sie ein paar Schritte rückwärts und blieb fassungslos an der Küchenwand kleben. Gerry hielt schützend beide Hände vor sein zerfleischtes Genital und brüllte wie ein verwundeter Löwe.
Sandy riss den Telefonhörer von der Wand und drückte die Kurzwahltaste ihrer Freundin. „Du musst sofort kommen, da ist so viel Blut! Nimm deinen Koffer mit und beeil dich um Gottes Willen! Da ist so viel Blut!“, schrie sie hysterisch in den Hörer und ließ ihn fallen noch ehe sie die Antwort ihrer Freundin abgewartet hatte.
Sie schnappte sich das Handtuch und wollte es zwischen Gerrys Beine pressen, doch er hielt seine Hände schützend vor sein blutendes Glied. „Hau ab, du dreckige Schlampe!“, schrie er sie an und versuchte, vom Tisch zu gleiten. Doch bei jeder noch so kleinen Bewegung stieß er einen gellenden Schmerzensschrei aus. Tränen liefen aus seinen Augen und glasklarer Schleim bahnte sich seinen Weg aus beiden Nasenlöchern über die Lippen. Schmerzerfüllt wiegte er seinen Oberkörper nach vor und zurück, als wollte er die Wiege simulieren, in der er sich einst als Baby sicher, behütet und geborgen gefühlt hatte. Sandy stand ratlos neben ihm und heulte hysterisch. Als die Glocke an ihrer Haustür läutete, stürmte sie ins Vorhaus und zerrte Rosalie ins Innere. „Du musst ihm helfen, schnell!“, rief sie und lief voraus in die Küche.
„Ich bin Ärztin und eine Freundin von Sandy. Was ist passiert? Kann ich die Wunde sehen? Ich muss die Blutung stoppen, sonst kippen sie mir noch vom Tisch“, sagte sie in ruhigem Ton, während sie in ihrer Tasche kramte. Während sie den Stauschlauch an seinem Oberarm festzurrte, warf sie einen Blick auf Sandy, die kreidebleich in einer roten Spitzencorsage an der Wand lehnte. Mit geübten Fingern suchte sie rasch eine Vene und injizierte ihm Morphium, damit die Schmerzen nicht mehr auf seinen geschundenen Penis einprügelten und sie sich den Schaden ansehen konnte.
„Wie ist das passiert?“, fragte sie Sandy, die noch immer mit weit aufgerissenen Augen an die Wand gedrückt dastand und ihre Hände vor den Mund presste.
„Ich… ich habe ihn…. ge.. bissen… Aber frag mich bitte nicht, wieso, ich kann es dir nicht sagen. Wir hatten Spaß miteinander und ich wollte seinen Penis mit meinem Mund verwöhnen, weil er ja so darauf steht und plötzlich habe ich zugebissen. Ich kann es mir nicht erklären!“
Nach diesen Worten rutschte sie kraftlos die Wand entlang und blieb am Fußboden sitzen. Die Knie zog sie bis an ihr Kinn und ihr Gesicht versteckte sie dazwischen. Sie schämte sich und konnte Gerry nicht mehr in die Augen sehen. Und auch ihrer Freundin nicht, denn sie schämte sich fast zu Tode. Nun wusste Rosalie, dass sie es mit fremden Männern trieb. Das Gute daran war, dass sie ihrem Ehemann nichts davon erzählen würde. Sie war loyal, was sie aber im Moment auch nicht wirklich beruhigen konnte.
Rosalie wandte sich wieder ihrem Patienten zu, der es nun zuließ, dass sie ihm die Hände, die noch immer schützend über seinen Genitalien lagen, zur Seite legen konnte. Mit einer Stirnlampe begutachtete sie die Bisswunden und holte eine Knopfsonde aus ihrer Tasche. Die dünne, metallene Sonde mit der Verdickung in Form eines Tropfens am Ende führte sie in die eine und andere tiefe Wunde ein um zu überprüfen, ob die Harnröhre Schaden erlitten hatte. Zu Gerrys Glück waren es nur Fleischwunden, die recht rasch genäht werden konnten. Dennoch würden hässliche Narben sein Prunkstück bis ans Lebensende zieren.
Nachdem sie den Verband angelegt hatte, sah sie ihrem Patienten in die Augen. „Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie Anzeige erstatten können, aber nicht müssen. Von meiner Seite her gibt es in diesem Fall keine Anzeigepflicht und ich nehme an, dass Sie die ganze Sache auch nicht gerade groß aufwirbeln möchten. Aussagen bei der Polizei und vor Gericht über den Tathergang und die Vorgeschichte mit den heimlichen Treffen mit einer verheirateten Frau sind nun wirklich nicht angenehm. Noch dazu werden Fotos von Ihrem Penis durch Dutzende Hände gehen und wer weiß, ob nicht die eine oder andere Kopie in den Social Medias landet. Man kann heutzutage nicht wissen, wer alles postet, was ihm in die Finger kommt. Überlegen Sie es sich gut und überstürzen Sie nichts.“
Dann kniete sie sich neben Sandy. „Es ist halb so wild. Es sieht schlimmer aus als es ist. Dennoch werden Narben bleiben. Wie du dich mit ihm einigst, ist deine Sache. Wenn du willst, bleibe ich noch so lange bei dir, bis ihr darüber gesprochen und euch geeinigt habt.“
Sandy schniefte und nickte dankbar.
„Willst du mich anzeigen?“, fragte sie murmelnd ohne Gerry, der sich gerade vorsichtig und sehr langsam die Hose anzog, anzusehen.
„Ich glaube nicht“, schnaubte er. „Die ganze Kacke wildfremden Leuten zu erzählen ist doch ziemlich peinlich. Aber ich verlange eine Entschädigung von dir. Mit vier Tausendern bin ich schon zufrieden, weil wir ja doch einige Monate ein gutes Verhältnis hatten. Und du wirst mich nie wieder anrufen oder anschreiben. Für mich ist das alles dann vergessen, auch wenn ich bis an mein Lebensende an dich denken werde, wenn ich meinen Schwanz ansehe. Vielen Dank auch.“
Sandy nickte zustimmend und bat Rosalie, ihr das Scheckbuch aus ihrer Handtasche aus dem Vorzimmer zu bringen.
Als sie ihrem ehemaligen Geliebten den Scheck überreichte, konnte sie ihm noch immer nicht in die Augen sehen. Mit grimmigem Gesicht schnappte er sich den Scheck und ging sehr breitbeinig und langsam in Richtung Haustür. Erst als sie ins Schloss gefallen war, atmete Sandy aus, stand auf und goss sich einen dreifachen Whisky ein.
„Jetzt erklär mir doch bitte, wieso du das getan hast. Und wie um Himmels Willen du so kräftig zubeißen konntest. Das waren direkt Raubtierverletzungen. Du kannst wirklich von Glück reden, dass er keine Anzeige erstattet hat. Jeder Richter hätte dich eine enorme Summe an Schmerzensgeld bezahlen lassen. Was ist dir da bloß eingefallen? Mit Liebesbissen hat das jedenfalls nichts zu tun.“
Sandy schüttelte langsam den Kopf. „Ich habe keine Ahnung, wirklich nicht! Ich weiß nicht, was los war, jedenfalls erinnere ich mich nicht daran, dass ich ihm wehtun wollte. Wir hatten Spaß, alles lief wunderbar und plötzlich beiße ich ihn.“
Sie ließ ihr leeres Whiskyglas sinken. „Glaubst du, dass ich verrückt bin? Dass ich in eine Anstalt gehöre, weil ich nicht mehr weiß, was ich mache und weil ich für andere gefährlich bin?“
Das Gesicht der Ärztin wurde nachdenklich. „Ich weiß nicht, ob du wirklich gefährlich bist und wie es zu dieser Attacke kommen konnte. Aber ich würde dir raten, dich einem Psychiater anzuvertrauen, ehe vielleicht noch Schlimmeres passiert. Es kann auch durchaus sein, dass du dich selbst verletzt. Lass dich untersuchen und gib mir Bescheid, wenn du den Termin hast. Wenn ich es irgendwie einrichten kann, komme ich mit. Aber jetzt muss ich los! Meine Praxis ist sicher schon mit ungeduldigen Patienten überfüllt. Ich hab dich lieb und lass dich vom schlechten Gewissen nicht unterkriegen.“ Rosalie küsste Sandy auf die Stirn und zog die Haustür hinter sich ins Schloss
Auf dem Weg in ihre Praxis hinterließ sie Taylor eine Nachricht auf dem Handy. Wie immer, wenn er Vorlesungen hielt, gab er den Flugmodus ein, um in den Genuss eines Vortrages ohne Störung zu kommen. Er liebte es, eine ganze Stunde zu referieren ohne unterbrochen zu werden. In der darauffolgenden Stunde hatten die Studenten Zeit und Gelegenheit, Fragen oder sich ihm in einer Diskussion über das letzte Thema zu stellen. In beiden Fällen duldete er keinerlei Unterbrechungen.
Nach Unterrichtsende schaltete er den Lautsprecher seines Handys ein und ließ die eingegangenen Nachrichten abspielen. Dabei korrigierte er meist Arbeitsblätter oder Prüfungsbögen. Es langweilte ihn zumeist, die Nachrichten abzuhören, weil so gut wie immer die gleichen Leute anriefen, obwohl sie wussten, dass er vormittags beschäftigt war. Doch bei Rosalies Stimme ließ er den Stift fallen und starrte das leuchtende Display an als wäre es ihr Gesicht, in dem er lesen konnte. Sofort rief er zurück, doch sie war noch in der Ordination und versuchte erneut, Mrs Blackwood von ihren Rückenschmerzen zu befreien ohne dass sich die Gute an ihr Trainingsprogramm hielt. Die meisten ihrer Patientinnen waren stinkfaul und ließen sich lieber medikamentös behandeln anstatt ihren Bewegungsapparat in Schwung zu bringen.
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