Wer bist du? Öffne dein Visier. – Hätt ich
Den kriegerischen Talbot in der Schlacht
Nicht fallen sehn, so sagt ich, du wärst Talbot.
SCHWARZER RITTER.
Schweigt dir die Stimme des Prophetengeistes?
JOHANNA.
Sie redet laut in meiner tiefsten Brust,
Daß mir das Unglück an der Seite steht.
SCHWARZER RITTER.
Johanna d'Arc! Bis an die Tore Reims'
Bist du gedrungen auf des Sieges Flügeln.
Dir gnüge der erworbne Ruhm. Entlasse
Das Glück, das dir als Sklave hat gedient,
Eh es sich zürnend selbst befreit, es haßt
Die Treu und keinem dient es bis ans Ende.
JOHANNA.
Was heißest du in Mitte meines Laufs
Mich stille stehen und mein Werk verlassen?
Ich führ es aus und löse mein Gelübde!
SCHWARZER RITTER.
Nichts kann dir, du Gewaltge, widerstehn,
In jedem Kampfe siegst du. – Aber gehe
In keinen Kampf mehr. Höre meine Warnung!
JOHANNA.
Nicht aus den Händen leg ich dieses Schwert,
Als bis das stolze England niederliegt.
SCHWARZER RITTER.
Schau hin! Dort hebt sich Reims mit seinen Türmen,
Das Ziel und Ende deiner Fahrt – die Kuppel
Der hohen Kathedrale siehst du leuchten,
Dort wirst du einziehn im Triumphgepräng,
Deinen König krönen, dein Gelübde lösen.
– Geh nicht hinein. Kehr um. Hör meine Warnung.
JOHANNA.
Wer bist du, doppelzüngig falsches Wesen,
Das mich erschrecken und verwirren will?
Was maßest du dir an, mir falsch Orakel
Betrüglich zu verkündigen?
Der schwarze Ritter will abgehen, sie tritt ihm in den Weg.
Nein, du stehst
Mir Rede, oder stirbst von meinen Händen!
Sie will einen Streich auf ihn führen.
SCHWARZER RITTER berührt sie mit der Hand, sie bleibt unbeweglich stehen.
Töte, was sterblich ist!
Nacht, Blitz und Donnerschlag. Der Ritter versinkt.
JOHANNA steht anfangs erstaunt, faßt sich aber bald wieder.
Es war nichts Lebendes. – Ein trüglich Bild
Der Hölle wars, ein widerspenstger Geist,
Heraufgestiegen aus dem Feuerpfuhl,
Mein edles Herz im Busen zu erschüttern.
Wen fürcht ich mit dem Schwerte meines Gottes?
Siegreich vollenden will ich meine Bahn,
Und käm die Hölle selber in die Schranken,
Mir soll der Mut nicht weichen und nicht wanken!
Sie will abgehen.
Lionel. Johanna.
LIONEL.
Verfluchte, rüste dich zum Kampf- Nicht beide
Verlassen wir lebendig diesen Platz.
Du hast die Besten meines Volks getötet,
Der edle Talbot hat die große Seele
In meinen Busen ausgehaucht. – Ich räche
Den Tapfern oder teile sein Geschick.
Und daß du wissest, wer dir Ruhm verleiht,
Er sterbe oder siege – Ich bin Lionel,
Der letzte von den Fürsten unsers Heers,
Und unbezwungen noch ist dieser Arm.
Er dringt auf sie ein, nach einem kurzen Gefecht schlägt sie ihm das Schwert aus der Hand.
Treuloses Glück!
Er ringt mit ihr.
JOHANNA ergreift ihn von hinten zu am Helmbusch und reißt ihm den Helm gewaltsam herunter, daß sein Gesicht entblößt wird, zugleich zuckt sie das Schwert mit der Rechten.
Erleide, was du suchtest,
Die heilge Jungfrau opfert dich durch mich!
In diesem Augenblick sieht sie ihm ins Gesicht, sein Anblick ergreift sie, sie bleibt unbeweglich stehen und läßt dann langsam den Arm sinken.
LIONEL.
Was zauderst du und hemmst den Todesstreich? Nimm mir das Leben auch, du nahmst den Ruhm, Ich bin in deiner Hand, ich will nicht Schonung.
Sie gibt ihm ein Zeichen mit der Hand, sich zu entfernen.
Entfliehen soll ich? Dir soll ich mein Leben
Verdanken? – Eher sterben!
JOHANNA mit abgewandtem Gesicht.
Rette dich!
Ich will nichts davon wissen, daß dein Leben
In meine Macht gegeben war.
LIONEL.
Ich hasse dich und dein Geschenk – Ich will
Nicht Schonung – Töte deinen Feind, der dich
Verabscheut, der dich töten wollte.
JOHANNA.
Töte mich
– Und fliehe!
LIONEL.
Ha! Was ist das?
JOHANNA verbirgt das Gesicht.
Weh mir!
LIONEL tritt ihr näher.
Du tötest, sagt man, alle Engelländer,
Die du im Kampf bezwingst – Warum nur mich
Verschonen?
JOHANNA erhebt das Schwert mit einer raschen Bewegung gegen ihn, läßt es aber, wie sie ihn ins Gesicht faßt, schnell wieder sinken.
Heilge Jungfrau!
LIONEL.
Warum nennst du
Die Heilge? Sie weiß nichts. von dir, der Himmel
Hat keinen Teil an dir.
JOHANNA in der heftigsten Beängstigung.
Was hab ich
Getan! Gebrochen hab ich mein Gelübde!
Sie ringt verzweifelnd die Hände.
LIONEL betrachtet sie mit Teilnahme und tritt ihr näher.
Unglücklich Mädchen! Ich beklage dich,
Du rührst mich, du hast Großmut ausgeübt
An mir allein, ich fühle, daß mein Haß
Verschwindet, ich muß Anteil an dir nehmen!
– Wer bist du? Woher kommst du?
JOHANNA.
Fort! Entfliehe!
LIONEL.
Mich jammert deine Jugend, deine Schönheit!
Dein Anblick dringt mir an das Herz. Ich möchte
Dich gerne retten – Sage mir, wie kann ichs!
Komm! Komm! Entsage dieser gräßlichen
Verbindung – Wirf sie von dir, diese Waffen!
JOHANNA.
Ich bin unwürdig, sie zu führen!
LIONEL.
Wirf
Sie von dir, schnell, und folge mir!
JOHANNA mit Entsetzen.
Dir folgen!
LIONEL.
Du kannst gerettet werden. Folge mir!
Ich will dich retten, aber säume nicht.
Mich faßt ein ungeheurer Schmerz um dich,
Und ein unnennbar Sehnen, dich zu retten –
Bemächtigt sich ihres Armes.
JOHANNA.
Der Bastard naht! Sie sinds! Sie suchen mich!
Wenn sie dich finden –
LIONEL.
Ich beschütze dich!
JOHANNA.
Ich sterbe, wenn du fällst von ihren Händen!
LIONEL.
Bin ich dir teuer?
JOHANNA.
Heilige des Himmels!
LIONEL.
Werd ich dich wiedersehen? Von dir hören?
JOHANNA.
Nie! Niemals!
LIONEL.
Dieses Schwert zum Pfand, daß ich
Dich wiedersehe!
Er entreißt ihr das Schwert.
JOHANNA.
Rasender, du wagst es?
LIONEL.
Jetzt weich ich der Gewalt, ich seh dich wieder!
Er geht ab.
Dunois und La Hire. Johanna.
LA HIRE.
Sie lebt! Sie ists!
DUNOIS.
Johanna, fürchte nichts!
Die Freunde stehen mächtig dir zur Seite.
LA HIRE.
Flieht dort nicht Lionel?
DUNOIS.
Laß ihn entfliehn!
Johanna, die gerechte Sache siegt,
Reims öffnet seine Tore, alles Volk
Strömt jauchzend seinem Könige entgegen –
LA HIRE.
Was ist der Jungfrau? Sie erbleicht, sie sinkt!
Johanna schwindelt und will sinken.
DUNOIS.
Sie ist verwundet – Reißt den Panzer auf –
Es ist der Arm und leicht ist die Verletzung.
LA HIRE.
Ihr Blut fließt.
JOHANNA.
Laßt es mit meinem Leben
Hinströmen!
Sie liegt ohnmächtig in La Hires Armen.
Ein festlich ausgeschmückter Saal, die Säulen sind mit Festons umwunden, hinter der Szene Flöten und Hoboen.
JOHANNA.
Die Waffen ruhn, des Krieges Stürme schweigen,
Auf blutge Schlachten folgt Gesang und Tanz,
Durch alle Straßen tönt der muntre Reigen,
Altar und Kirche prangt in Festes Glanz,
Und Pforten bauen sich aus grünen Zweigen,
Und um die Säule windet sich der Kranz,
Das weite Reims faßt nicht die Zahl der Gäste,
Die wallend strömen zu dem Völkerfeste.
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