Ich lachte und er suchte sich kopfschüttelnd den Weg durch die Straßen von Phoenix, bis er die Interstate erreichte.
Ich war müde und hatte keine Lust auf solche komplizierten Gespräche. Ich wollte meine Ruhe haben und starrte aus dem Fenster in die Nacht. Dachte an David. Woher kannte Aiden den Namen? Ich hatte nicht mit ihm darüber gesprochen. Oder doch? Hatte er gelauscht, als Billy im Büro mit uns sprach? Ich war mir sicher, diesen Namen in seiner Gegenwart nicht ausgesprochen zu haben. Wir hatten über Ted gesprochen, aber nicht über David. Mit Aiden wollte ich darüber nicht reden. Vielleicht war es doch Jack? Ich schüttelte leicht den Kopf.
Aiden schwieg ebenfalls. Endlich, etwas mehr als eine Stunde später, bogen wir in die Auffahrt der Ranch ein. Er stoppte jäh den Wagen.
„Hör zu Jacky, es war kein Zufall, meine Anwesenheit heute Abend dort. Ich wollte nicht, dass sich das von letzter Woche wiederholt. Ehrlich gesagt habe ich mir etwas Sorgen gemacht. Dachte, du würdest den nächsten Fehler begehen.“
„Den nächsten Fehler? Ich verstehe nicht ganz, was du meinst? Ist es in deinen Augen ein Fehler, mich zu amüsieren? – Weißt du was, Aiden McLeod? – Ich brauche keinen Aufpasser. Wenn das so wäre, hätte ich meinen Dad mitgenommen. – Danke fürs Mitnehmen.“
Ich öffnete abrupt die Tür und sprang aus dem Pickup. Wütend fragte ich mich, was Aiden sich einbildete? Und ich wollte es lieber die halbe Meile bis zum Haus laufen, als mir seine Heldentaten noch einen Moment länger anhören zu müssen.
Aiden ließ den Pickup langsam neben mir her rollen. Das Fenster hatte er hinuntergelassen.
„Jacky, komm, steig ein. So war das doch nicht gemeint. Aber du hattest wirklich genug Schwierigkeiten in den letzten Wochen. Komm schon, Springfield.“
Entschlossen setzte ich meinen Weg fort. Ich würde nicht in seinen Truck einsteigen.
Der Motor verstummte und ich hörte wie die Autotür zuschlug. Aiden fasste mich am Arm, als er mich erreichte und brachte mich zum Stehen.
„Jacklyn. Bitte.“
„Was?“
„Ich – ich habe mir einfach Sorgen gemacht, du würdest dich wieder mit dem Falschen einlassen.“
Ich starrte ihn an. Jeder war der Falsche. Das wusste niemand besser als ich.
„Willst du damit sagen, du weißt, wer der Richtige für mich ist?“
„Ja, das weiß ich.“ Er kam näher zu mir heran. Seine Hand lag immer noch auf meinem Oberarm.
„Ach ja, Mr. Neunmalklug. Und wer sollte das sein?“
„Na, der hier!“
Aiden zog mich an sich und ich glaubte es kaum, aber er drückte seine Lippen auf meine. Erst etwas vorsichtig, er war eher der zurückhaltende Typ. Doch dann legte er die Arme um meine Hüften und konzentrierte sich ganz auf das, was er vorhatte. Ich war angenehm überrascht, wie zärtlich und weich seine Lippen waren.
Und in mir breitete sich das Gefühl aus, nach Hause zu kommen, als ich seinen Kuss erwiderte. Ich schloss die Augen und genoss seine Lippen, seine Zunge, seinen Geschmack, sog seinen Geruch in mich auf. Ich schmiegte mich an ihn.
„Du gehörst zu mir, Springfield. Das wollte ich dir schon lange sagen.“
Er zog mich fest an sich und ich genoss die Geborgenheit. Ja, hier war ich zu Hause. So fühlte es sich zumindest an. Ich weiß nicht, wie lange wir in dieser Umarmung verharrten, bevor er mich noch einmal küsste, lang und intensiv. Noch nie hatte ich einen Kuss als so wunderbar empfunden. Ich wünschte mir zum ersten Mal einen unendlichen Moment. Aber der Kuss endete, irgendwann.
„Morgen wird ein harter Tag. Und wir müssen dein Cabriolet aus Phoenix holen. Wir sollten jetzt nach Hause gehen.“
Ich nickte und gab ihm Recht. Also stieg ich in den Truck und ließ mich vor dem Haus absetzen. Noch immer tief unter dem Eindruck dieses Ereignisses stehend, verschwand ich im Haus und in meinem Zimmer. Lange blieb ich noch wach, dachte an Aiden. Ich hatte aus meinem Fenster gesehen, wie er den Wagen vor seinem Häuschen parkte, sich beim Aussteigen noch einmal umdrehte und mir kurz zuwinkte. Er wusste, wo ich mich befand. Wusste, dass ich noch am Fenster stand und ihn beobachtete. Und jetzt, wo er in seinem Zimmer lag, was dachte er? Galten wir jetzt als Paar? War das etwas für die Öffentlichkeit? Wie würden wir uns morgen früh beim Frühstück begegnen? War es noch dasselbe wie früher, oder war jetzt alles anders?
Und was würde mein Vater dazu sagen? Würde er es gutheißen? Traf es vielleicht sogar seine langjährigen Erwartungen? Ich wusste, mein Vater hatte Aiden sehr ins Herz geschlossen. Nicht umsonst betrachtete ich Aiden wie einen Bruder. Ich wusste, für Jack war er das. Oder vielleicht doch immer schon der zukünftige Schwiegersohn?
Ich drehte mich von einer auf die andere Seite in dieser Nacht. Ließ die Spieluhr laufen und beobachtete die Tänzerin, wie ich es als Kind schon getan hatte. Steckte mir den Ring auf den kleinen Finger und drehte ihn, immer und immer wieder. Wer war „M“? Bedeutungslos oder wegweisend? Hatte Waleah mir die Spieluhr geschenkt? Oder Michael, ihr Mann? War er „M“? Nein, ein Kinderring mit einem Herzsteinchen. Nichts für einen erwachsenen Mann. Ich wusste es nicht. Die Schatulle war mein Begleiter von Kindesbeinen an. Aiden, - was sollte ich nur mit ihm machen? An Schlaf war kaum zu denken. Erst im Morgengrauen erreichte er mich, traumlos.
„Warum steht dein Auto noch in Phoenix?“, wollte Jack beim Frühstück wissen. Er hatte mitbekommen, wie Aiden zwei unserer Arbeiter mit dem Pickup und einem Anhänger nach Phoenix schicken wollte, um meinen Wagen dort abzuholen.
Ich erklärte die Situation mit so wenig Worten wie möglich.
„Und wer könnte das gewesen sein?“
„Ach Dad, Jeder und Niemand.“
Jeder und Niemand waren schon immer die Schuldigen gewesen, wenn wir keinen solchen hatten benennen können. Und normalerweise rief die Antwort ein Schmunzeln auf Jacks Gesicht, weil sein Vater, Jack Senior, schon immer diese Beiden ins Spiel brachte. Jeder hatte Unordnung gemacht, aber Niemand räumte auf. Doch dieses Mal blieb Jacks Gesicht ernst.
„Ich hatte gehofft, du hättest aus deinen Fehlern gelernt, Jacklyn. Aber ich fürchte, es hilft doch nur eine Ausgangssperre.“
Mein Blick traf Aidens Blick. Nur kurz. Er schlug die Augen nieder. Ich fand keine Hilfe bei ihm. Er schien auch der Meinung zu sein, dass ich die Ranch besser nicht verlassen sollte.
„Das ist nicht dein Ernst, Jack!“
Ich wollte es nicht glauben.
„Was soll ich tun? Wenn du nicht auf mich hörst? Hatten wir nicht genug Ärger, Jacklyn?“
Ja, wir hatten genug Ärger mit mir gehabt. Und jetzt reichte es mir auch. Ich hatte selbst keine Lust auf weitere Erlebnisse dieser Art. Keine Ahnung, was ich hätte tun sollen, wenn Aiden nicht da gewesen wäre. Vermutlich wäre ich in ein Hotel gegangen.
„Ich werde nicht mehr nach Phoenix fahren. Aber dann werde ich ermitteln lassen, wer das mit den Reifen gewesen ist.“
Ich starrte Aiden an, dachte an sein Messer, aber er aß in einer Seelenruhe weiter, die mich unsicher machte.
„Sicher wird es ein Video geben, dort von dem Parkplatz, worauf der Täter zu erkennen ist!“, fuhr ich fort.
Aiden zeigte keine Reaktion. Warum sollte er es auch gewesen sein? Er wusste selbst, dass dort alles videoüberwacht war. Aber er war dort gewesen, war mir gefolgt.
„Ich werde mit nach Phoenix fahren und die Angelegenheit mit der Polizei dort regeln.“
„Nein!“ Jack und Aiden widersprachen mir gleichzeitig und starrten mich an. Ich lachte laut, soviel Einigkeit gegen mich hatte ich hier im Haus noch nie erlebt.
„Jungs! – Ich fahre nach Phoenix!“
„Gut, dann fahre ich mit!“, bestimmte Aiden und Jack nickte.
„Habt ihr Angst, ich könnte etwas mit unserem neuen Cowboy anfangen?“ Aiden hatte Nick für die Fahrt nach Phoenix eingeteilt.
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