GRAZIANO. Ihr müßt mir's nicht weigern, ich muß mit Euch nach Belmont gehen.
BASSANIO.
Nun ja, so müßt Ihr, – aber hör', Graziano,
Du bist zu wild, zu rauh, zu keck im Ton;
Ein Wesen, welches gut genug dir steht,
Und Augen, wie die unsern, nicht mißfällt.
Doch wo man dich nicht kennt, ja, da erscheint
Es allzufrei; drum nimm die Müh', und dämpfe
Mit ein paar kühlen Tropfen Sittsamkeit
Den flücht'gen Geist, daß ich durch deine Wildheit
Dort nicht mißdeutet werd' und meine Hoffnung
Zu Grunde geht.
GRAZIANO.
Signor Bassanio, hört mich:
Wenn ich mich nicht zu feinem Wandel füge,
Mit Ehrfurcht red' und dann und wann nur fluche,
Gebetbuch in der Tasche, Kopf geneigt;
Ja, selbst beim Tischgebet so vors Gesicht
Den Hut mir halt' und seufz' und Amen sage;
Nicht allen Brauch der Höflichkeit erfülle,
Wie einer, der, der Großmama zu lieb,
Scheinheilig tut: so traut mir niemals mehr!
BASSANIO.
Nun gut, wir werden sehn, wie Ihr Euch nehmt.
GRAZIANO.
Nur heute nehm' ich aus; das gilt nicht mit,
Was ich heut abend tu'.
BASSANIO.
Nein, das wär' schade;
Ich bitt' Euch lieber, in den kecksten Farben
Der Lust zu kommen; denn wir haben Freunde,
Die lustig wollen sein. Lebt wohl indes,
Ich habe ein Geschäft.
GRAZIANO.
Und ich muß zu Lorenzo und den andern,
Doch auf den Abend kommen wir zu Euch.
Alle ab.
Ein Zimmer in Shylocks Hause. Jessica und Lanzelot kommen.
JESSICA.
Es tut mir leid, daß du uns so verläßt:
Dies Haus ist Hölle, und du, ein lust'ger Teufel,
Nahmst ihm ein Teil von seiner Widrigkeit.
Doch lebe wohl! (da hast du 'nen Dukaten!)
Und, Lanzelot, du wirst beim Abendessen
Lorenzo sehn, als Gast von deinem Herrn.
Dann gib ihm diesen Brief, tu' es geheim;
Und so leb wohl, daß nicht etwa mein Vater
Mich mit dir reden sieht.
LANZELOT. Adieu! – Tränen müssen meine Zunge vertreten, allerschönste Heidin! allerliebste Jüdin! Wenn ein Christ nicht zum Schelm an dir wird und dich bekommt, so trügt mich alles. Aber adieu! Diese törichten Tropfen erweichen meinen männlichen Mut allzusehr. Ab.
JESSICA.
Leb wohl, du Guter!
Ach nein, gehässig ist es nicht von mir,
Daß ich des Vaters Kind zu sein mich schäme.
Doch, bin ich seines Blutes Tochter schon,
Bin ich's nicht seines Herzens. O Lorenzo,
Hilf mir dies lösen! Treu dem Worte bleib'!
So werd' ich Christin und dein liebend Weib.
Eine Straße.
Graziano, Lorenzo, Salarino und Solanio treten auf.
LORENZO.
Nun gut, wir schleichen weg vom Abendessen,
Verkleiden uns in meinem Haus und sind
In einer Stunde alle wieder da.
GRAZIANO.
Wir haben uns nicht recht darauf gerüstet.
SALARINO.
Auch keine Fackelträger noch bestellt.
SOLANIO.
Wenn es nicht zierlich anzuordnen steht,
So ist es nichts, und unterbliebe besser.
LORENZO.
's ist eben vier; wir haben noch zwei Stunden
Zur Vorbereitung.
Lanzelot kommt mit einem Briefe.
Freund Lanzelot, was bringst du?
LANZELOT. Wenn's Euch beliebt, dies aufzubrechen, so wird es gleichsam andeuten.
LORENZO.
Ich kenne wohl die Hand: ja, sie ist schön,
Und weißer als das Blatt, worauf sie schrieb,
Ist diese schöne Hand.
GRAZIANO.
Auf meine Ehre, eine Liebesbotschaft.
LANZELOT.
Mit Eurer Erlaubnis, Herr.
LORENZO.
Wo willst du hin?
LANZELOT. Nun, Herr, ich soll meinen alten Herrn, den Juden, zu meinem neuen Herrn, dem Christen, auf heute zum Abendessen laden.
LORENZO.
Da nimm dies; sag der schönen Jessica,
Daß ich sie treffen will. – Sag's heimlich! Geh!
Lanzelot ab.
Ihr Herrn,
Wollt ihr euch zu dem Maskenzug bereiten?
Ich bin versehn mit einem Fackelträger.
SALARINO.
Ja, auf mein Wort, ich gehe gleich danach.
SOLANIO.
Das will ich auch.
LORENZO.
Trefft mich und Graziano
In einer Stund' in Grazianos Haus.
SALARINO.
Gut das, es soll geschehn.
Salarino und Solanio ab.
GRAZIANO.
Der Brief kam von der schönen Jessica?
LORENZO.
Ich muß dir's nur vertraun; sie gibt mir an,
Wie ich sie aus des Vaters Haus entführe;
Sie sei versehn mit Gold und mit Juwelen,
Ein Pagenanzug liege schon bereit.
Kommt je der Jud', ihr Vater, in den Himmel,
So ist's um seiner holden Tochter willen;
Und nie darf Unglück in den Weg ihr treten,
Es möchte dann mit diesem Vorwand sein,
Daß sie von einem falschen Juden stammt.
Komm, geh mit mir, und lies im Gehn dies durch:
Mir trägt die schöne Jessica die Fackel.
Beide ab.
Vor Shylocks Hause.
Shylock und Lanzelot kommen.
SHYLOCK.
Gut, du wirst sehn, mit deinen eignen Augen,
Des alten Shylocks Abstand von Bassanio.
He, Jessica! – Du wirst nicht voll dich stopfen,
Wie du bei mir getan – He, Jessica! –
Und liegen, schnarchen, Kleider nur zerreißen –
He, sag' ich, Jessica!
LANZELOT.
He, Jessica!
SHYLOCK. Wer heißt dich schrein? Ich hab's dir nicht geheißen.
LANZELOT. Euer Edlen pflegten immer zu sagen, ich könnte nichts ungeheißen tun.
Jessica kommt.
JESSICA.
Ruft Ihr? Was ist Euch zu Befehl?
SHYLOCK.
Ich bin zum Abendessen ausgebeten:
Da hast du meine Schlüssel, Jessica.
Zwar weiß ich nicht, warum ich geh': sie bitten
Mich nicht aus Liebe, nein, sie schmeicheln mir;
Doch will ich gehn aus Haß, auf den Verschwender
Von Christen zehren. – Jessica, mein Kind,
Acht' auf mein Haus! – Ich geh' recht wider Willen:
Es braut ein Unglück gegen meine Ruh',
Denn diese Nacht träumt' ich von Säcken Geldes.
LANZELOT. Ich bitte Euch, Herr, geht; mein junger Herr erwartet Eure Zukunft.
SHYLOCK. Ich seine auch.
LANZELOT. Und sie haben sich verschworen – ich sage nicht, daß Ihr eine Maskerade sehen sollt; aber wenn Ihr eine seht, so war es nicht umsonst, daß meine Nase an zu bluten fing, auf den letzten Ostermontag des Morgens um sechs Uhr, der das Jahr auf den Tag fiel, wo vier Jahre vorher nachmittags Aschermittwoch war.
SHYLOCK.
Was? Gibt es Masken? Jessica, hör' an:
Verschließ' die Tür, und wenn du Trommeln hörst,
Und das Gequäk der quergehalsten Pfeife,
So klettre mir nicht an den Fenstern auf,
Steck' nicht den Kopf hinaus in offne Straße,
Nach Christennarren mit bemaltem Antlitz
Zu gaffen; stopfe meines Hauses Ohren,
Die Fenster, mein' ich, zu, und laß den Schall
Der albern Geckerei nicht dringen in
Mein ehrbar Haus. – Bei Jakobs Stabe schwör' ich,
Ich habe keine Lust, zu Nacht zu schmausen,
Doch will ich gehn. – Du, Bursch, geh mir voran,
Sag, daß ich komme!
LANZELOT.
Herr, ich will vorangehn.
Guckt nur am Fenster, Fräulein, trotz dem allen:
Denn vorbeigehn wird ein Christ,
Wert, daß ihn 'ne Jüdin küßt.
Ab.
SHYLOCK.
Was sagt der Narr von Hagars Stamme? he?
JESSICA. Sein Wort war: »Fräulein, lebet wohl«; sonst nichts.
SHYLOCK.
Der Laff' ist gut genug, jedoch ein Fresser,
'ne Schnecke zum Gewinn, und schläft bei Tag
Mehr als das Murmeltier; in meinem Stock
Baun keine Hummeln: drum lass' ich ihn gehn,
Und lass' ihn gehn zu einem, dem er möge
Den aufgeborgten Beutel leeren helfen.
Gut, Jessica, geh nun ins Haus hinein,
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