Ein andermal hießt Ihr mich einen Hund:
Für diese Höflichkeiten will ich Euch
Die und die Gelder leihn.«
ANTONIO.
Ich könnte leichtlich wieder so dich nennen,
Dich wieder anspein, ja mit Füßen treten.
Willst du dies Geld uns leihen, leih' es nicht
Als deinen Freunden (denn wann nahm die Freundschaft
Vom Freund Ertrag für unfruchtbar Metall?);
Nein, leih' es lieber deinem Feind: du kannst,
Wenn er versäumt, mit beßrer Stirn eintreiben,
Was dir verfallen ist.
SHYLOCK.
Nun seht mir, wie Ihr stürmt!
Ich wollt' Euch Liebes tun, Freund mit Euch sein,
Die Schmach vergessen, die Ihr mir getan,
Das Nöt'ge schaffen, und keinen Heller Zins
Für meine Gelder nehmen; und Ihr hört nicht:
Mein Antrag ist doch liebreich.
ANTONIO.
Ja, das ist er.
SHYLOCK.
Und diese Liebe will ich Euch erweisen.
Geht mit mir zum Notarius, da zeichnet
Mir Eure Schuldverschreibung; und zum Spaß,
Wenn Ihr mir nicht auf den bestimmten Tag,
An dem bestimmten Ort, die und die Summe,
Wie der Vertrag nun lautet, wiederzahlt:
Laßt uns ein volles Pfund von Eurem Fleisch
Zur Buße setzen, daß ich schneiden dürfe
Aus welchem Teil von Eurem Leib ich will.
ANTONIO.
Es sei, aufs Wort! Ich will den Schein so zeichnen
Und sagen, daß ein Jude liebreich ist.
BASSANIO.
Ihr sollt für mich dergleichen Schein nicht zeichnen:
Ich bleibe dafür lieber in der Not.
ANTONIO.
Ei, fürchte nichts! Ich werde nicht verfallen.
Schon in zwei Monden, einen Monat früher
Als die Verschreibung fällig, kommt gewiß
Zehnfältig der Betrag davon mir ein.
SHYLOCK.
O Vater Abraham! über diese Christen,
Die eigne Härte anderer Gedanken
Argwöhnen lehrt! Ich bitt' Euch, sagt mir doch:
Versäumt er seinen Tag, was hätt' ich dran,
Die mir verfallne Buße einzutreiben?
Ein Pfund von Menschenfleisch, von einem Menschen
Genommen, ist so schätzbar, auch so nutzbar nicht,
Als Fleisch von Schöpsen, Ochsen, Ziegen. Seht,
Ihm zu Gefallen biet' ich diesen Dienst:
Wenn er ihn annimmt, gut; wo nicht, lebt wohl,
Und, bitt' Euch, kränkt mich nicht für meine Liebe!
ANTONIO.
Ja, Shylock, ich will diesen Schein dir zeichnen.
SHYLOCK.
So trefft mich gleich im Hause des Notars,
Gebt zu dem lust'gen Schein ihm Anweisung;
Ich gehe, die Dukaten einzusacken,
Nach meinem Haus zu sehn, das in der Hut
Von einem lockern Buben hinterblieb,
Und will im Augenblicke bei Euch sein.
ANTONIO.
So eil' dich, wackrer Jude! –
Shylock ab.
Der Hebräer
Wird noch ein Christ: er wendet sich zur Güte.
BASSANIO.
Ich mag nicht Freundlichkeit bei tückischem Gemüte.
ANTONIO.
Komm nur! Hiebei kann kein Bedenken sein:
Längst vor der Zeit sind meine Schiff' herein.
Ab.
Zweiter Aufzug
Erste Szene
Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause.
Trompetenstoß. Der Prinz von Marokko und sein Zug; Porzia, Nerissa und andere von ihrem Gefolge treten auf.
MAROKKO.
Verschmähet mich um meine Farbe nicht,
Die schattige Livrei der lichten Sonne,
Die mich als nahen Nachbar hat gepflegt.
Bringt mir den schönsten Mann, erzeugt im Norden,
Wo Phöbus' Glut die Zacken Eis kaum schmelzt,
Und ritzen wir uns Euch zu lieb die Haut,
Wes Blut am rötsten ist, meins oder seins.
Ich sag' Euch, Fräulein, dieses mein Gesicht
Hat Tapfre schon geschreckt; bei meiner Liebe schwör' ich,
Die edlen Jungfrau'n meines Landes haben
Es auch geliebt: ich wollte diese Farbe
Nicht anders tauschen, als um Euren Sinn
Zu stehlen, meine holde Königin.
PORZIA.
Bei meiner Wahl lenkt mich ja nicht allein
Die zarte Fod'rung eines Mädchenauges.
Auch schließt das Los, woran mein Schicksal hängt,
Mich von dem Recht des freien Wählens aus.
Doch, hätte mich mein Vater nicht beengt,
Mir aufgelegt durch seinen Willen, dem
Zur Gattin mich zu geben, welcher mich
Auf solche Art gewinnt, wie ich Euch sagte:
Ihr hättet gleichen Anspruch, großer Prinz,
Mit jedem Freier, den ich sah bis jetzt,
Auf meine Neigung.
MAROKKO.
Habt auch dafür Dank!
Drum führt mich zu den Kästchen, daß ich gleich
Mein Glück versuche. Bei diesem Säbel, der
Den Sophi schlug und einen Perserprinz,
Der dreimal Sultan Soliman besiegt, –
Die wildsten Augen wollt' ich überblitzen,
Das kühnste Herz auf Erden übertrotzen,
Die Jungen reißen von der Bärin weg,
Ja, wenn er brüllt nach Raub, den Löwen höhnen,
Dich zu gewinnen, Fräulein! Aber ach!
Wenn Herkules und Lichas Würfel spielen,
Wer tapfer ist: so kann der beßre Wurf
Durch Zufall kommen aus der schwächern Hand,
So unterliegt Alcides seinem Knaben,
Und so kann ich, wenn blindes Glück mich führt,
Verfehlen, was dem minder Würd'gen wird,
Und Grames sterben.
PORZIA.
Ihr müßt Eu'r Schicksal nehmen,
Es überhaupt nicht wagen, oder schwören,
Bevor Ihr wählet, wenn Ihr irrig wählt,
In Zukunft nie mit irgendeiner Frau
Von Eh' zu sprechen: also seht Euch vor!
MAROKKO.
Ich will's auch nicht; kommt, bringt mich zur Entscheidung!
PORZIA.
Vorher zum Tempel; nach der Mahlzeit mögt Ihr
Das Los versuchen.
MAROKKO.
Gutes Glück also!
Bald über alles elend oder froh.
Alle ab.
Venedig. Eine Straße.
Lanzelot Gobbo kommt.
LANZELOT. Sicherlich, mein Gewissen läßt mir's zu, von diesem Juden, meinem Herrn, wegzulaufen. Der böse Feind ist mir auf der Ferse und versucht mich und sagt zu mir: »Gobbo, Lanzelot Gobbo, guter Lanzelot«, oder »guter Gobbo«, oder »guter Lanzelot Gobbo, (brauch' deine Beine,) reiß' aus, lauf' davon!« Mein Gewissen sagt: »Nein, hüte dich; ehrlicher Lanzelot; hüte dich, ehrlicher Gobbo; (oder, wie obgemeld't, ehrlicher Lanzelot Gobbo;) lauf' nicht, laß das Ausreißen bleiben!« Gut, der überaus herzhafte Feind heißt mich aufpacken: »Marsch!« sagt der Feind; »fort!« sagt der Feind, »um des Himmels willen; faß dir ein wackres Herz«, sagt der Feind, »und lauf'!« Gut, mein Gewissen hängt sich meinem Herzen um den Hals und sagt sehr weislich zu mir: »Mein ehrlicher Freund Lanzelot, da du eines ehrlichen Mannes Sohn bist«, oder vielmehr eines ehrlichen Weibes Sohn; denn die Wahrheit zu sagen, mein Vater hatte einen kleinen Beigeschmack, er war etwas an säuerlich. – Gut, mein Gewissen sagt: »Lanzelot, weich' und wanke nicht!« – »Weiche«, sagt der Feind; »wanke nicht«, sagt mein Gewissen. »Gewissen«, sage ich, »dein Rat ist gut«; »Feind«, sage ich, »dein Rat ist gut«; lasse ich mich durch mein Gewissen regieren, so bleibe ich bei dem Juden, meinem Herrn, der, Gott sei mir gnädig! eine Art von Teufel ist. Laufe ich von dem Juden weg, so lasse ich mich durch den bösen Feind regieren, der, mit Respekt zu sagen, der Teufel selber ist. Gewiß, der Jude ist der wahre eingefleischte Teufel, und auf mein Gewissen, mein Gewissen ist gewissermaßen ein hartherziges Gewissen, daß es mir raten will, bei dem Juden zu bleiben. Der Feind gibt mir einen freundschaftlichen Rat: ich will laufen, Feind! Meine Fersen stehn dir zu Gebote, ich will laufen.
Der alte Gobbo kommt mit einem Korbe.
GOBBO. Musje, junger Herr, er da, sei er doch so gut: wo gehe ich wohl zu des Herrn Juden seinem Hause hin?
LANZELOT beiseit. O Himmel! mein eheleiblicher Vater, der zwar nicht pfahlblind, aber doch so ziemlich stockblind ist, und mich nicht kennt. Ich will mir einen Spaß mit ihm machen.
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