Die vier Miß Willis also mietheten ein Haus; es wurde von oben bis unten neu gemalt und tapezirt, die gemalten Piecen wurden vollständig getäfelt, der Marmor gesäubert; die alten Kamine abgenommen und durch Registeröfen ersetzt; in dem Garten hinter dem Hause wurden vier Bäume gepflanzt, der Platz vor dem Hause mit einigen kleinen Körben Kies überschüttet, große Vorräthe eleganter Möbeln langten an, Federn-Jalousien wurden an den Fenstern angebracht; die Zimmerleute, welche verschiedene Zubereitungen, Veränderungen und Reparaturen vorgenommen hatten, erzählten den verschiedenen Mägden des Quartiers von der Pracht, mit welcher die Miß Willis ihre Einrichtungen getroffen hätten; die Mägde theilten es ihren »Mississes« und die Mississes ihren Freundinnen mit, und das Gerücht verbreitete sich mit reißender Schnelle durch das ganze Kirchspiel, daß sich in Nr. 25 auf dem Gordonplatze vier unverheiratete, unermeßlich reiche Damen eingemiethet hätten.
Endlich zogen die vier Miß Willis ein, und das Besuchemachen nahm seinen Anfang. Das Haus war der Inbegriff alles Niedlichen und Säuberlichen – die vier Miß Willis waren es gleichfalls. – Alles war förmlich, steif und kalt, – das waren die vier Miß Willis auch. Immer stand jeder einzelne Stuhl an seiner bestimmten Stelle, – und immer befand sich jede Miß Willis auf dem ihrigen. Sie saßen stets auf derselben Stelle und thaten genau dasselbe zu ein und derselben Stunde. Die älteste Miß Willis war gewohnt zu stricken, die zweite zu zeichnen, die beiden jüngsten vierhändige Sonaten auf dem Fortepiano zu spielen. – Sie schienen blos ein einziges unabgesondertes Dasein zu haben und entschlossen zu sein, ihr Leben vereint durchzuwintern. Es waren die drei Grazien, freilich nicht in Kostüme und etwas hochgewachsen, zu denen sich eine vierte gesellte – gleich einem Schulmittagessen, wo zum dritten langen Gratias noch ein viertes hinzukommt – die drei Parzen mit einer vierten Schwester – die Siamesenzwillinge durch zwei multiplizirt. Wurde die älteste Miß Willis gallsüchtig, so wurden es im Augenblicke auch die andern drei. Die älteste Miß Willis wurde übellaunig und andächtig – sogleich waren auch die drei jüngeren Miß Willis übellaunig und andächtig. Was auch immer die älteste that, das thaten ihr die jüngeren nach, und was irgend sonst Jemand that, wurde von Allen getadelt. – So vegetirten sie – in einer Harmonie, wie man sie nur bei einer Nordpolexpedition trifft, und wenn sie zuweilen in eine Gesellschaft gingen, oder eine stille Gesellschaft bei sich sahen, so wurden die Nachbarn durchgehechelt. Drei Jahre waren auf diese Weise hingegangen, als ein unvorhergesehenes, unerwartetes Phänomen eintrat. Die Miß Willis zeigten Symptome von Sommer; das Eis ging nach und nach auf; ein vollständiges Thauwetter trat ein. War es möglich? eine der vier Miß Willis war im Begriff sich zu verheirathen.
Aus welchem Welttheile aber der Zukünftige gekommen, welche Gefühle und Beweggründe den armen Mann geleitet haben mochten, oder durch welchen Verstandesprozeß die vier Miß Willis dahin gelangt waren, sich zu überzeugen, es sei möglich, daß Eine von ihnen einen Mann heirathe, ohne daß er alle vier zugleich mitehelichte? – dieß sind Fragen, die uns zu tief liegen, um sie analisiren zu können. Soviel ist übrigens gewiß, daß die Besuche Herrn Robinson's (eines Gentlemans, der eine Anstellung im Staatsdienste mit einem guten Gehalt hatte und einiges eigenes Vermögen besaß) angenommen wurden – daß den vier Miß Willis von besagtem Herrn Robinson in aller Form der Hof gemacht wurde – daß die Nachbarn vor Begierde fast rasend waren, zu entdecken, welche von den vier Miß Willis die Beglückte wäre, und daß die Schwierigkeiten, die sich der Lösung dieses Problems entgegenstellten, nicht sehr durch die Eröffnung der ältesten Miß Willis gehoben wurden: »Wir sind im Begriff Herrn Robinson zu heirathen.«
Es war wirklich ein außerordentlicher Fall – es war die Eine mit der Andern so vollständig identifizirt, daß die Neugierde der ganzen Reihe – sogar der alten Dame selbst – fast nimmer auszuhalten war. Man brachte den Gegenstand bei jeder noch so geringfügigen Gelegenheit, am Spieltische, beim Thee u. s. w. zur Sprache. Der alte Seidenwürmerzucht-Gentleman säumte nicht, seine Meinung entschieden dahin auszusprechen, daß Herr Robinson aus dem Orient komme, und sämmtliche Schwestern zumal zu heirathen gedenke; und die Bewohner der Reihe schüttelten ernsthaft den Kopf, und erklärten, daß die Sache äußerst geheimnißvoll wäre. Man hoffte, es werde alles gut enden; zwar hätte es wahrlich einen höchst sonderbaren Anschein, aber noch würde es ungerecht sein, eine vielleicht unbegründete Meinung darüber auszusprechen, auch wären die Miß Willis unstreitig vollkommen alt genug, um sich selbst am besten berathen zu können; Jedermann müsse selbst am besten wissen, wo ihn der Schuh drücke, und dergleichen mehr.
Endlich fuhren eines schönen Morgens, eine viertel Stunde vor acht Uhr, zwei Glaskutschen bei den Miß Willis vor, in deren Wohnung Herr Robinson schon zehn Minuten früher in einem Cabriolet angelangt war. Er trug einen hellblauen Rock und doppelt gewalkte Kersey-Pantalons, ein weißes Halstuch, Schuhe, und Glacé-Handschuhe, und war sehr erregt, wie das Hausmädchen von Nr. 23 bemerkt haben wollte, das zur Zeit seiner Ankunft gerade die Thürtreppe abgekehrt hatte. Durch dieselbe Gewährsperson erfuhr man auch die weitere Neuigkeit, daß die Köchin, die ihm die Hausthüre geöffnet, eine ungewöhnlich große, prächtige, weiße Schleife an einer weit schmuckeren Kopfbedeckung trage, als gewöhnlich durch das Haubenreglement der vier Jungfern dem im Allgemeinen allerdings etwas übertriebenen Geschmacke der Dienstboten gestattet werde.
Diese Neuigkeiten verbreiteten sich rasch von Haus zu Haus. Es unterlag nun keinem Zweifel mehr, daß der ereignißvolle Morgen endlich angebrochen war; alle Bewohner der ganzen Reihe stellten sich im ersten und zweiten Stockwerke hinter den Jalousien oder Vorhängen an die Fenster, und warteten der Dinge, die da kommen sollten, in athemloser Spannung.
Endlich that sich die Hausthüre der vier Miß Willis auf und zugleich wurde der Schlag des vordersten Glaswagens geöffnet; zwei Herren und zwei Damen (der Gleichheit wegen) – ohne Zweifel Anverwandte der Familie – erschienen; stiegen ein, der Schlag schloß sich, der Wagen fuhr ab, und der zweite vor.
Abermals that sich die Hausthüre auf; die Spannung der ganzen Reihe hatte ihren höchsten Grad erreicht. – Herr Robinson und die älteste Miß Willis erschienen. »Das dachte ich mir,« sagte die Dame in Nr. 19; »ich habe es ja immer gesagt, es werde Miß Willis sein.« – »Das hätte ich in meinem Leben nicht geglaubt.« rief die junge Dame von Nr. 18 der jungen Dame von Nr. 17 zu. – »Wer hätte das gedacht, meine Theure!« antwortete die junge Dame von Nr. 17 der von Nr. 18. – »Es ist zu lächerlich!« rief ein Mädchen, über deren Alter man nicht recht in's Klare kommen konnte, aus Nr. 16 dazwischen. Wer aber vermag das Erstaunen auf dem Gordonplatze zu beschreiben, als Herr Robinson allmählig sämmtliche Miß Willis, Eine nach der Andern, in den Wagen hob, und sich darauf selbst in einen spitzigen Winkel der Glaskutsche drückte, die nun im raschen Laufe der ersten nachfuhr, welche schon die Richtung nach der Pfarrkirche eingeschlagen hatte. Wer vermag die Bestürzung des Geistlichen zu beschreiben, als sämmtliche Miß Willis am Altar niederknieten und die bei der Trauungsliturgie üblichen Antworten mit lauter Stimme aussprachen? – Oder wer vermag die Verwirrung zu schildern, die nun folgte, als nach kaum erfolgter Schlichtung der vorerwähnten Schwierigkeiten – sämmtliche Miß Willis am Schlusse der Feierlichkeit in lautes Schluchzen ausbrachen, so daß die Hallen des heiligen Gebäudes von ihrem vereinten Wehklagen wiederhallten.
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