1 ...8 9 10 12 13 14 ...30 »Ganz und gar nicht, mein lieber Tom. Es war die ganze Zeit meine Absicht, das Horn zu finden, nur nicht für den MI-6 oder sonst irgendeine Organisation dieser Erde. Die Menschheit ist nicht reif für solche Wunderwerkzeuge. Wir erweisen der Welt einen Dienst, indem wir dieses Horn finden und sicherstellen, dass es niemand anderes tut«, erklärte Veyron. Er marschierte mit so schnellen Schritten weiter, dass Tom Mühe hatte, mitzuhalten.
»Aber was hat Danny Darrow damit zu tun? Das versteh ich nicht«, sagte er fast schon verzweifelt. Mit den raketenschnellen Überlegungen seines Patenonkels konnte er nicht mithalten. Er brauchte Informationen – und wie üblich geizte Veyron damit.
Dieser lachte höhnisch auf. »Mr. Darrow? Nichts – aber seine vermisste Freundin. Ich war blind, Tom! Natürlich waren mir zu dem Zeitpunkt nicht alle Fakten bekannt, ansonsten wäre ich schon viel eher darauf gekommen. Du hattest recht, als du sagtest, dass das Buch über griechische Mythologie von Professor Daring etwas bedeuten müsse. Natürlich wusstest du nicht, was. Aber ich vermag es jetzt zu erkennen. Darrows verschwundene Freundin war eine Agentin des MI-6. Nur das erklärt ihr plötzliches Erscheinen und ihr ebenso geheimnisvolles, spurloses Verschwinden, als habe sie nie existiert. Miss Fiona Smith. Sie war zwar imstande, das Horn des Triton zu identifizieren, aber nicht, es zu finden. Der MI-6 weiß nicht, wie er seine Agenten nach Elderwelt schaffen soll, darum wollte man mich engagieren. Ruf Willkins an und bestell sie ins Harrisson’s Café . Sag ihr, sie soll das Formular für einen Hausdurchsuchungsbefehl mitbringen.«
Tom zückte sein Smartphone und begann die entsprechende Nummer zu suchen. Dann hielt er noch einmal inne. »Was haben Sie denn überhaupt vor?«
»Wir verüben heute Nacht einen kleinen Einbruch, Tom.«
2. Kapitel: Einbruch mit Folgen
Harrisson’s Café war nichts weiter als ein kleiner Schuppen, einquartiert in einer Ecke eines größeren Wohnblocks in Paddington. Durch zwei große Fenster hatte man einen schönen Blick auf die Straße. Neben der Theke fanden in dem Raum noch drei kleine Tische Platz. Die einzige Toilette musste sich das Café mit zwei angrenzenden Geschäften teilen. Tom war noch nie hier gewesen, aber der Eigentümer, Walter Harrisson, schien Veyron recht gut zu kennen.
»Geht alles aufs Haus«, ließ er die beiden wissen, als er ihnen zwei Tassen Cappuccino hinstellte.
»Bringen Sie uns bitte noch eine dritte Tasse, Walter. Wir bekommen Besuch«, bat Veyron freundlich. Harrisson nickte und machte sich gleich an die Arbeit. Veyron lächelte kurz, als er Toms fragenden Blick bemerkte. »Ich hab ihm einmal aus der Patsche geholfen, als sich eine Bande Kobolde in seinem Keller einnisten wollte«, erklärte er.
Tom machte große Augen. »Von dem Fall haben Sie mir noch nie was erzählt.«
»Es gibt viele Fälle, von denen du nichts weißt, Tom. Ich war acht Jahre lang als Berater für unnatürliche Angelegenheiten und Wesen tätig, bevor wir uns kennenlernten. Ah, sieh nur: Willkins kommt.«
Tom, der mit dem Rücken zur Tür saß, musste sich umdrehen, um ihren Gast zu erblicken.
Detective Constable Jane Willkins betrat das Café und entdeckte die beiden sofort. Seit ihrem Wechsel von der Metropolitan Police zum CID, trug sie anstelle ihrer Uniform Hosenanzüge, die ihr nach Toms Meinung auch weitaus besser standen. Er kannte die dunkelhaarige, hübsche Polizistin jetzt schon seit fast zwei Jahren. Für ihn war sie so etwas wie eine große Schwester, zu der er gehen konnte, wenn Veyron wieder mal unausstehlich war. Für Veyron schien Jane dagegen nichts anderes als eine Erfüllungsgehilfin zu sein, ein Werkzeug zum Erreichen seiner Ziele. Nur manchmal – Tom war sich da nie ganz sicher – zeigte er ihr gegenüber ein wenig Herzlichkeit.
Sie setzte sich zu ihnen und begrüßte sie knapp. »Sie sagten, es sei dringend. Also los, auf was für eine Spur sind Sie diesmal gestoßen?«, kam sie sofort zur Sache.
Walter Harrisson stellte ihr eine Tasse Cappuccino vor die Nase und brachte sie damit kurz aus dem Konzept. »Geht alles aufs Haus, Miss«, sagte er und zwinkerte Veyron zu, die Situation vollkommen missverstehend.
Jane war zweifellos hübsch und – soweit Tom es wusste – zurzeit ohne Freund. Doch Veyron würde nie auf die Idee kommen, irgendetwas daraus zu machen. Er lehnte ja jede Form von Beziehung ab – mit der Tom unverständlichen Begründung, dass dadurch die Freiheit seines Geistes in Gefahr geriete und unabhängiges Denken nicht mehr möglich sei. Diese Verweigerungshaltung hatte schon einige hitzige Debatten ausgelöst, denn Veyron zögerte nicht, anderen seine eigenwillige Vorstellung menschlichen Miteinanders aufzuzwingen. Regelmäßig wurden dabei Jane oder Tom Opfer seiner kaltherzigen Beziehungsanalysen. Erst heute Morgen hatte er die Liebe ja generell als Krankheit abgetan.
»Haben Sie dabei, worum ich Sie gebeten habe?«, wollte Veyron soeben wissen und riss Tom damit aus den Gedanken.
Jane griff unter ihren Blazer und holte ein Kuvert heraus, das sie mitten auf den Tisch legte. »Wie verlangt, das Formular eines Hausdurchsuchungsbefehls. Gregson hat große Augen gemacht, als ich ihm sagte, was Sie diesmal wieder wollten. Werden Sie mir auch verraten, wofür der gut sein soll?«, fragte sie.
Veyron antwortete nicht gleich, sondern schnappte sich das Kuvert, nahm den Papierbogen heraus und fischte einen Kugelschreiber aus seiner Manteltasche. »Wir werden heute Nacht in Miss Fiona Smiths Wohnung in der False Lane einbrechen«, erklärte er, während er begann, das Formular auszufüllen.
Jane schnappte kurz nach Luft. »Haben Sie einen Knall? Veyron, das geht zu weit!«, protestierte sie. »Warum müssen Sie dort einbrechen und was hoffen Sie dort zu finden?«
Tom biss sich auf die Lippe, als die anderen Gäste – es waren nicht viele – sie mit neugierigen Blicken bedachten.
»Ein Nein, zu Ihrer ersten Frage und zu Ihrer zweiten dies als Antwort: Weil ich dort anders keinen Zutritt erhalte, der jedoch zwingend erforderlich ist. Auch Ihre dritte Frage will ich beantworten, Willkins. Ich hoffe, dort wichtige Hinweise auf Miss Smiths Aktivitäten bezüglich der Suche nach dem Horn des Triton zu finden, ein Gegenstand von entsetzlicher Macht«, erklärte Veyron so ruhig und gelassen, als hielte er einen harmlosen Schulvortrag.
Jane schüttelte den Kopf. Sie war damit ganz und gar nicht einverstanden. »Deswegen können Sie doch nicht das Gesetz brechen. Veyron, kommen Sie wieder zur Vernunft! Ich muss Sie verhaften, wenn Sie das wirklich durchziehen wollen. Tom, rede ihm diesen Unsinn aus.« Sie sprach nun deutlich leiser, und in ihrer Stimme klang ehrliche Sorge mit. Fast flehentlich waren ihre Augen auf Tom gerichtet.
Der konnte nur tief einatmen und dann die Schultern zucken. »Na ja, es ist für die Rettung der Welt oder so«, erwiderte er schließlich, was ihm einen bösen Blick von Jane einbrachte.
»Sie kennen meine Methoden, Willkins. Erinnern Sie sich an unser letztes gemeinsames Abenteuer in Elderwelt: Ich weiß ganz genau, was ich tue. Haben Sie Vertrauen«, sagte Veyron. Er lehnte sich kurz zurück und überflog die Felder des Formulars. Es fehlte nur noch die Unterschrift. Streng musterte er Jane. »Wer ist der zuständige Bezirksrichter für Paddington?«
Sie zuckte mit den Schultern, was Veyron nicht gerade zufriedenstellte.
»Dann googeln Sie es. Sie haben von Ihrem Telefon aus sicherlich Zugriff auf das Netzwerk des CID, da muss sich doch was finden lassen. Wir haben keine Zeit zu verlieren«, befahl er.
Jane verdrehte entnervt die Augen, zückte ihr Smartphone und gab die entsprechenden Daten ein. »Sonst wissen Sie doch auch alles«, maulte sie.
Veyron hob kurz die Augenbrauen. »Ich konnte das Netzwerk des CID noch nicht hacken. Das vom F.B.I. war nicht so schwer«, erläuterte er lapidar.
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