Ein anderer Auslöser für eine Veränderung der Erlebens- und Verhaltensweise kann ein äußeres dramatisches Ereignis sein; dies hinterlässt in der Regel seine Spuren, ob bewusst oder unbewusst und beeinträchtigt so die Persönlichkeit bzw. den Charakter meist maßgeblich.
Auf jeden Fall ist die Persönlichkeit eines Menschen eine sehr bunte und vielfältige Mischung aus vielen Zügen und so gesehen gibt es den depressiven oder den zwanghaften Typen nicht; der Mensch hat in der Regel von allen Strukturen etwas.
Gleichwohl ist es sehr hilfreich, theoretisch etwas über die Typen von Menschen zu wissen, um die herausragende Eigenschaft eines Menschen – depressiv, zwanghaft, hysterisch, narzisstisch, schizoid oder phobisch zu erkennen. Als wissenschaftlich fundierte Lektüre empfiehlt der Autor: Karl KÖNIG: „Kleine psychoanalytische Charakterkunde“ in der Sammlung Vandenhoeck als 3. Auflage 1995 oder Fritz RIEMANN „Grundformen der Angst“ im Ernst Reinhardt Verlag, München Basel, 1982 erschienen.
Persönlich finde ich alle drei Theorien gleichsam attraktiv. Vieles spricht dafür, dass unsere Eltern durch ihr eigenes Vorleben ihrer Persönlichkeiten uns prägten. Dabei lässt sich nicht genau analysieren, was uns wie beeinflusst haben wird. Zu erwarten wäre, dass uns gute Persönlichkeitsmerkmale elterlicherseits positiv beeinflussen und negative eher nicht. Tatsächlich wurde vor einigen Jahren herausgefunden, dass die Väter in den Familien die Kinder, also Söhne wie Töchter, entscheidend in Sachen schulischer Erfolg und berufliche Karriere prägen. Wer also einen sehr erfolgreichen oder erfolgsorientierten Vater hat, der wird sich sehr wahrscheinlich auch im Beruf sehr erfolgreich bewegen. 13
Und jetzt wird es paradox: Denn es gibt auch wesentliche Ausnahmen von dieser Erkenntnis. Es gibt Frauen wie Männer, die sich sozusagen zum Trotz ihrer jeweiligen Vorbilder, gegen negative familiäre Beispiele auflehnen und nahezu komplett das Gegenteil des Vorbildes im Beruf realisieren können.
Und dies ist tatsächlich ein Hinweis, dass eben auch Immanuel KANT Gültigkeit behält. Wir können uns eben auch gegen die so scheinbar gegebene Natur (der Vererbung von Eigenschaften der Eltern auf die Kinder) frei entscheiden. Dass dies Disziplin und ungeheure Kraft kosten muss, ergibt sich von selber.
Aber es bedeutet eben auch, dass wir, Sie und ich, uns entscheiden können und sollten, was wir wie anstreben und z. B. in die erfolgreiche Selbständigkeit an persönlichen Einsatz investieren wollen und können.
Urvertrauen oder Urmisstrauen ist hier die Frage
Der Psychoanalytiker Erik ERIKSON (1902 – 1994) entwickelte in seiner psychosozialen Theorie (»Eriksons Lebenszyklus«) eine für mich wesentliche Erkenntnis: Nämlich die, dass es Eltern grundsätzlich nicht möglich ist, immer die Bedürfnisse eines Babys zu erfüllen bzw. denen gerecht zu werden. Interessant ist seine Beobachtung, dass es für eine gesunde Entwicklung eines Kindes nicht so sehr auf die quantitative Versorgung mit Nahrung und Stimulationen, sondern viel wesentlicher auf die Qualität der Bezugspersonen hinsichtlich des Verhaltens gegenüber dem Kind ankomme. Für ERIKSON erlebt ein Kind im ersten Lebensjahr einen enormen psychischen Konflikt zwischen Vertrauen oder Nichtvertrauen in seine Umwelt. Erlebt ein Kind einen grundsätzlich liebevollen und einfühlsamen Umgang im ersten Lebensjahr, so wird dieses Kind ein gesundes Urvertrauen erwerben (Es ist nicht angeboren!). Ein solch kleiner Mensch erwartet, dass seine Umwelt ihn positiv begegnet und gesinnt ist. Er traut sich, auf diese seine Welt zuzugehen und sie zu erkunden. Mit anderen Worten: Durch eine sichere verlässliche Bindung zu den Bezugspersonen in den ersten Lebensmonaten wird die Stärke der Persönlichkeit und das (Ur-)Vertrauen in Menschen sehr stark geprägt.
Ein Kind ohne solche Erfahrungen der Bindungsqualität wird die Welt sehr wahrscheinlich mit einem grundsätzlichen Misstrauen betrachten. Es kann sich auf die Welt und die Menschen eben nicht verlassen, wenn es darauf ankommt. Es muss sich zurückziehen, um sich zu schützen.
Sie ahnen schon, dass es nicht so einfach ist, entscheiden zu wollen, was nun für eine Unternehmerin die bessere Grundlage ist. Offenherzlich auf Menschen angstlos zuzugehen macht sicher Sinn – es ist aber auch nicht verkehrt, mit Vorsicht zu agieren, oder? Worauf es mir aber ankommt, ist, sich selber ein wenig besser zu verstehen und sich selbst erkennen zu lernen.
Analog zum Urvertrauen wird in der frühen Kindheit auch die sogenannte Autonomie verhandelt . Erfährt ein kleiner Mensch angemessene Grenzen und gleichsam einen Raum für eigene Entscheidungen, so kann er lernen, dass er sich auf sich selber verlassen kann. Kinder, die keine oder eine übertriebene Kontrolle bzw. Führung erfahren, fühlen sich gezwungen, unfrei und beschämt. In der Psychologie heißt es, dass Schamgefühle vehementer und nachhaltiger negative Wirkungen zeigen, als sogenannte Schuldgefühle.
Sie erkennen nun aber bei diesem zweiten Aspekt der menschlichen Entwicklung, dass die eigene Autonomieerfahrung – also das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit – einen wesentlichen Vorteil zur Selbständigkeit bietet. Für ERIKSON ist die Entwicklung der Persönlichkeit (oder auch der eigenen Identität) ein lebenslanger Prozess, welcher sich fortwährend auf die früheren Phasen der Entwicklungen bezieht.
Die insgesamt 8 Entwicklungsphasen entscheiden darüber, ob ein Mensch initiativ wird, sich leistungsbereit verhält, an sich glaubt, sich isoliert und seine Ich-Identität erfolgreich entwickelt und entdeckt oder im ungünstigsten Fall in die Verzweiflung gerät.
Introvertiert oder extrovertiert?
Auf den Psychoanalytiker C. G. JUNG (1875 – 1961) geht die Begrifflichkeit »Introversion« und »Extroversion« zurück. Für Jung deutete die Introversion auf eine Tendenz zur Wendung nach Innen und zur Untersuchung der eigenen Gefühlswelt hin. Die Extroversion hingegen ist eine Orientierung auf die Dinge außerhalb des eigenen Selbst.
Klar, extrovertierte Menschen erleben es als sehr viel leichter, auf fremde Menschen zuzugehen und sie anzusprechen als das introvertierte Menschen augenscheinlich können.
Für JUNG gab es interessanterweise weder schwarz noch weiß – weder extrovertiert noch introvertiert in Reinstform – für Jung war es eher nur die Frage der Dominanz. Ein jeder Mensch hat nach Jung seine introvertierten und extrovertierten Phasen.
Als dominant introvertierte Persönlichkeit muss ich nur wissen, dass Herausforderungen niemals mit Rückzug beantwortet werden dürfen, wenn es gilt, als Selbständige das Geschäft voran zu treiben. In einem solchen Fall brauche ich die Kraft und den Willen, über meinen Schatten zu springen bzw. neue Pfade zu beschreiten. Und selbstverständlich hat der sogenannte introvertierte Mensch auch eindeutige Vorteile. In aller Regel wird er bedacht und zurückhaltend Entscheidungen treffen. Euphorie und Spontanität sind seine Sache nicht. Das kann im Geschäftsleben ein gewaltiger Vorteil sein, aber auch zuweilen von Nachteil, auch davon abhängig, auf welche Persönlichkeit man beim anderen trifft. Denn der Kunde/Partner reagiert auch seiner speziellen Persönlichkeit entsprechend.
Einer Persönlichkeit mit dominanten extrovertierten Eigenschaften gelingt es sicher leicht, Kontakte zu knüpfen. Klar. Solchen Menschen geht die Inszenierung leicht von der Hand. Gerne stehen Sie im Mittelpunkt und unterhalten Gott und die Welt. Vor- oder Nachteil? Bei der Neukundengewinnung sicher von Vorteil, aber in den stillen Momenten wird es eher nervig. Denken Sie sich nur eine Behandlungssituation, in welcher die Kundin genießen soll. Und nun plaudert die Kosmetikerin ohne Ende. Das ist vielleicht extrovertiert – mindestens aber in dieser Situation nicht angebracht. Die Spontanität liegt den Extrovertierten sehr, immer auch mit der Tendenz, oft genug zu schnelle Entscheidungen unbedacht »herauszuhauen«.
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