1 ...7 8 9 11 12 13 ...29 Ich nutzte also die Zeit, um den Raum mit Schritten zu vermessen, wie ich es längst geplant hatte. Bei dieser Prozedur fand ich auch eine halbhohe Öffnung, die von einer beschlagenen Tür verschlossen war. Es schien der einzige Zugang zu sein. Auch hatten die Wände keine Nägel, wie sie für Fackeln oder Öllampen gebraucht würden. Ich war außerordentlich beunruhigt, je mehr ich über unseren Aufenthaltsort herausfand.
Nach einigen weiteren Stunden öffnete sich plötzlich und ohne Ankündigung die kleine Türe und eine Stimme befahl uns, herauszukommen. Im blendenden Schein einer Pechfackel stand der Diener Salek. Grimmig und wortkarg wie immer trat er auf mich zu.
„Ihr seid frei. Beide. Geht!“, sagte er, drehte auf dem Absatz um und stapfte davon. Da wir den Weg nach draußen nicht kannten, folgten wir ihm, so gut es ging.
Später erfuhr ich, dass unsere Kerkerhaft beinahe zwei Tage gedauert hatte und wir unsere schnelle Befreiung dem festen und ausdrücklichen Einspruche unseres geliebten und gelobten Kaisers selbst zu verdanken hatten. Wir waren durstig und ausgehungert wie kaum je zuvor, aber am Leben.
Dem Herrgott sei Dank!
Der große Kaiser Otto und seine Gemahlin Kaiserin Adelheid waren mit einer gewaltigen Streitmacht nach Italien gekommen, sodass es ihnen möglich war, sie ohne Besorgnis hälftig aufzuspalten und damit an zwei Orten gleichzeitig aufzutreten. Einen Teil seiner Truppen ließ der Kaiser in Rom zurück, wobei er sorgsam darauf bedacht war, die Belastungen für die Stadt durch Unterhalt und Plünderungen so gering wie möglich zu halten. Das meiste Volk Roms pries ihn dafür in hohen Worten, ein anderer, viel kleinerer Teil hatte auch daran wieder etwas zu meckern, beschimpfte und bespuckte die Soldaten auf das Übelste und trat sie mit den Füßen, bis sie sich auf ihre Art wehrten und zurückschlugen.
Es war sehr unruhig in diesen Zeiten. Schnell konnte man in einen Tumult geraten, ganz ohne eigenes Verschulden.
Währenddessen gelang es dem Kaiser mit der anderen Hälfte der Armee, die Bergfeste San Leo einzunehmen und den Berengar samt seiner gierigen Frau Willa gefangen zu nehmen. Dies sollte ein Glückstag für alle Bewohner des Reiches sein, bedeutete die lebendige Festsetzung der Rebellen doch nicht nur das Ende des unseligen Krieges, sondern auch einen guten Ausgangspunkt, um den mächtigen Freunden des Königs mit Vernunft und Augenmaß Verhandlungen über die Zukunft Italiens anzubieten.
Kaiser Otto und Kaiserin Adelheid waren sich nach Gottes Willen durchaus im Klaren darüber, dass der Frieden nur so lange hielt, wie sie selbst hier vor Ort waren, wenn es ihnen nicht gleichzeitig gelang, die wichtigsten Machtpositionen südlich der Alpenberge mit loyal gestimmten Anhängern zu besetzen. Dass diese nur aus den Reihen der lothringischen oder italischen Herrscherfamilie kommen konnten, wagte niemand in Zweifel zu ziehen. Kaiserin Adelheid sollte hierbei als Witwe des verstorbenen Königs Lothar II. und damit Erbin des italischen Thrones eine besondere Rolle spielen.
Allein Berengars und Willas aufrührerischer Sohn Adalbert von Ivrea ließ sich nicht einfangen. Er versteckte sich allerorten, tauchte hier und da auf (man sah ihn auf Korsika und Sardinien ebenso wie in der Ebene des Eridanus9) und in Rom) und scharte beständig neue Truppen um sich, mit denen er Unruhen anstiftete und das römische Volk gegen den Besetzer, wie er den großen und gerechten Kaiser nannte, aufhetzte.
Auf Bitten der römischen Bischöfe und des Volkes von Rom, welche den unwürdigen Papst Johannes XII. nicht länger ungestraft sehen wollten, versammelte sich in den Nonen des Novembers in der Kirche des Heiligen Petrus eine große Anzahl heiliger Männer und hoher Herren der Stadt in Gegenwart des Erhabenen Kaisers. Meine geringe Niedrigkeit selbst zählte zu den Versammelten, woraufhin ich mit gutem Wissen sagen kann, dass sich an die vierzig Bischöfe und Erzbischöfe, viele Dutzende ehrwürdiger und heiliger Brüder aus allen Teilen Italiens und des Reiches, auch die vornehmste Spitze des römischen Adels mit Demetrius Meliosi, Crescentius Caballi marmorei und weiteren ehrenwerten Herren, hier eingefunden hatten.
Der Patriarch Ingelfred von Aquileja, den eine in Rom plötzlich ausgebrochene Krankheit ergriffen hatte, sandte als seinen Statthalter den Diakon Rudolf, und ich musste mich nach einem kurzen Gespräch mit dem Diakon ernsthaft um den ehrwürdigen Ingelfred sorgen.
Ich sah viele der mir bestens vertrauten Brüder, so die Erzbischöfe Waldpert von Mailand, Petrus von Ravenna und aus Sachsen den Adeltac, überdies die Bischöfe von Parma, Reggio, Pisa, Siena, Florenz, Pistoia, Camerino, Spoleto, alle Bischöfe aus dem römischen Sprengel, dann die von Gallese, Civita Castellana, Alatri und Orte, von Trevi und Terracina, Forum Clodii und Ferentino, den Landward von Minda und den Otger von Spira. Viele weitere Namen und Orte könnte ich aufzählen, Kardinäle und Anwälte, Werkmeister, Vorsteher und Schatzmeister. Sie alle stehen für heilige und ehrwürdige Männer, die in dieser schwierigen Stunde nach Rom gekommen waren, um miteinander und mit dem Heiligen Kaiser zu beratschlagen. Der Gemeine Petrus Imperiola, Anführer der römischen Miliz, war mit einer gehörigen Abteilung seiner besten Männer ebenfalls zugegen. Besonders bemerken möchte ich aber die Anwesenheit des ehrwürdigen Herrn Leo von der päpstlichen Kanzlei, der mir stets ein besonders guter und loyaler Freund war.
Mein braver Schüler Franco war von der Heiligkeit und dem Glanze der vielen hohen Herren so bewegt und gerührt, dass er ihnen staunend und mit offenem Munde folgte, bis ich ihn zurückrief und ihm einen Platz, am Rande schräg hinter mir, zuwies. Dort setzte er sich artig und konnte seinen Blick nicht vom Kaiser wenden.
Ich hatte die ehrenvolle Aufgabe, die Worte des Kaisers, die er in seiner sächsischen Sprache sagte, an die Versammlung zu übersetzen und ebenso zurück, was die Versammlung dem Kaiser zu sagen hatte.
Als all diese werten Herren nun ihre Plätze genommen hatten und auf ein Zeichen des Heiligen Kaisers in größte Stille fielen, begann er, indem er sich feierlich erhob.
„Wäre es nicht diesem großen Moment angemessen, wenn der Herr Papst bei dieser herrlichen und Heiligen Versammlung zugegen wäre?“, fragte er in die Versammlung.
Ein Raunen und Murmeln erfüllte den Raum, bis auf sein erneutes Zeichen wieder alles Laute erstarb.
„Ich bitte Euch, hochverehrte heilige Männer, die Ihr mit ihm gelebt und gearbeitet habt, sagt mir, warum er aber einer so ansehnlichen Synode ausgewichen ist?“
Die hohen Herren entgegneten ihm darauf erstaunt, dass das wohl kein Geheimnis mehr sei. Der Papst sei keiner, der in Schafskleidern komme, inwändig aber ein reißender Wolf ist. Längst treibe er so offen des Teufels Werk, dass er auf alle Umschweife verzichte.
Nun wurden die Anschuldigungen gegen den Papst einzeln vorgebracht, wobei ich mit den Übersetzungen aller Wörter in die eine wie in die andere Richtung kaum mehr hinterherkam.
Der Kardinalpriester Petrus erhob sich aus den Reihen und bezeugte, dass er gesehen habe, wie der Papst die Messe gefeiert habe, ohne zu kommunizieren. Bischof Johannes von Narni erklärte, er wäre Zeuge gewesen, wie der Beschuldigte einen Diakon in einem Pferdestall und nicht zu der festgesetzten Zeit geweiht habe. Der Kardinaldiakon Benedictus und die übrigen Priester und Diakone sagten, nach dem Kirchenraube brauche man wohl nicht zu fragen, denn darüber belehre uns der allgemeine Augenschein besser als alle Worte. Über seine ehebrecherischen Handlungen sagten sie aus, sie hätten dergleichen zwar nicht mit eigenen Augen gesehen, wüssten aber ganz gewiss, dass er mit der Beischläferin seines Vaters, der Witwe Anna und ihrer Nichte und außerdem mit der Frau Stephana Unzucht getrieben habe. Den Heiligen Palast habe er zu einem Hurenhaus gemacht. Überdies habe er des Teufels Minne getrunken (was alle, Geistliche wie Laien, bezeugten) und beim Würfelspiel die Venus, den Jupiter und andere Dämonen um Hilfe angerufen.
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