Das späte Zusammentreffen Mr. Whites mit Bond lässt sich zum einen damit erklären, dass der Film „Casino Royale“ (2006) mit 139 Minuten Spielzeit deutlich Überlänge 358hat, zum anderen ist die Figur White das Bindeglied zum Film „Ein Quantum Trost“ (2008), der mit dessen Verhör beginnt.
Raoul Silva in „Skyfall“ (2012) ist der erste und einzige Hauptschurke, den James Bond und das Publikum gleichzeitig zu Gesicht bekommen.
Mit nur 48 Sekunden hält die Figur Schnick Schnack (Hervé Villechaize 359) den Rekord als am schnellsten eingeführter Bondwidersacher.
Ari Kristatos, Elektra King und Miranda Frost entpuppen sich erst im Verlauf der Haupthandlung als Gegner Bonds. Und erst durch das Bekanntgeben ihrer wahren Identität kann eine klare Zuordnung durch den Zuschauer erfolgen.
Das Erscheinen eines Bondgegners im Film ist bis auf diese drei Ausnahmen absolut eindeutig. Neben der physischen Präsenz oder einer schockierenden Tat eines Psychopathen, wie sie besonders bei den Hauptschurken vorkommt und mit der dieser deutlich hervorsticht, kann man ihm Gleichgesinnte an noch einem weiteren Merkmal deutlich erkennen: Sie haben eine körperliche Abnormität, die in einigen Fällen auch als Waffe gegen 007 zum Einsatz kommt.
Der Zuschauer weiß auf den ersten Blick, dass es sich um einen Gegner des körperlich „vollkommenen“ Agenten handelt. Der Kontrast Gut - Böse, normal - abnorm wird so verstärkt.
Die Waffe des Gegners und/oder die nicht der Norm entsprechende körperliche Auffälligkeit werden dem Schurken im Verlauf des Films zum Verhängnis.
Der Schurke Julius No ist, übertrieben gesagt, halb Mensch, halb Maschine, aber er ist nicht so unglaubwürdig wie der „Terminator“. Julius No hat bei seiner illegalen Arbeit mit Radioaktivität beide Hände verloren, und sie wurden durch Stahlprothesen ersetzt. Zunächst werden dadurch seine „unmenschlichen“ Züge verstärkt, was ihn zum prädestinierten Gegner Bonds macht. No ist das erste Mal (wenn auch nicht ganz) zu sehen, als er mit seinen Stahlklauen die Bettdecke vom betäubten Agenten hebt, um ihn in Augenschein zu nehmen. Die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird in dieser Szene auf die schwarzen Handprothesen gelenkt. Später demonstriert Dr. No seine Stärke, indem er eine Statue, die auf dem Tisch steht, greift und zerdrückt.
Als es schließlich zum finalen Kampf zwischen 007 und No kommt, wird dem Bösewicht seine Abnormität zum Verhängnis: Er kann sich mit seinen Kunsthänden nicht am Eisengeländer des Atomreaktors festhalten und rutscht deshalb langsam in das kochende Reaktorwasser.
Red Grant besitzt in „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) eine Uhr mit einer Drahtschlinge darin, mit der er seine Gegner erwürgt. Im Zweikampf erwürgt 007 Grant mit dessen eigener Waffe.
Hatte Bond Pussy Galore in „Goldfinger“ (1964) gerade noch davor gewarnt, im Flugzeug einen Revolver abzufeuern 360, so wird Auric Goldfinger Opfer dieses Fehlers: Goldfinger wird aus dem Flugzeugfester gesogen und findet so seinen Tod beim Versuch, Bond zu erschießen. 361
Oddjob, der stumme Diener Goldfingers, tötet Menschen auf außergewöhnliche Weise: Er wirft eine Melone mit Stahlkante so punktgenau, dass er seinen Opfern damit das Genick bricht. Der Koreaner stirbt dann auch durch seine Kopfbedeckung: Als sich der Hut in einem Metallgitter verkantet hat und Oddjob ihn herausziehen will, setzt Bond die Gitterstäbe mit einem zuvor von Oddjob gekappten Starkstromkabel unter Spannung. Der Stumme wird elektrisiert: Bond hat seinen Gegner mit dessen eigenen Waffen geschlagen.
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Harold Sakata (Oddjob) bei einer Drehpause von „Goldfinger“ (1964) ... |
... das Pferd hat es überlebt. |
Emilio Largo trägt in „Feuerball“ (1965) eine Augenklappe. Einem Vorurteil folgend, weiß der Zuschauer sofort: Largo ist böse.
Sein Handlanger Vargas (Philip Locke 362) raucht nicht, trinkt nicht und liebt nicht 363, und besonders die Darstellung Vargas' als vermeintlich asexuelles Wesen lässt ihn wenig menschlich erscheinen.
Zudem versuchte man bei mehreren Gegnern Bonds, das Sprechen zu vermeiden. Den Anfang macht Red Grant in „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963). Er kommt erst zu Wort, als er 007 gegenübersteht und sich als jemand anders ausgibt. Das geschieht nach einer Stunde, 18 Minuten und 21 Sekunden. Grant folgen der oben genannte Oddjob als stummer Killer, der nur seltsame Laute von sich gibt, Vargas, der keine zwei Sätze spricht, Hans (Ronald Rich) aus „Man lebt nur zweimal“ (1967), der auch nichts sagt, Whisper in „Leben und sterben lassen“ (1973), der sich nur ein Flüstern herausdrückt, der wortlos bleibende Kra (Sonny Caldinez 364) in „Der Mann mit dem goldenen Colt“ (1974) und Beißer, der in „Der Spion, der mich liebte“ (1977) nichts, jedoch in „Moonraker - streng geheim“ (1979) wenigstens einen Satz sagt.
Sandor (Milton Reid 365) konnte in „Der Spion, der mich liebte“ (1977) zumindest in seiner Todesszene ein Wort schreien. Chang in „Moonraker - streng geheim“ (1979) bleibt bis auf einen Satz, den er zu Holly Goodhead sagt, stumm.
Emile Leopold Locque (Michael Gothard 366) in „In tödlicher Mission“ (1981) schreit einmal ein „Nein“, Gabor (John Seru 367) in „Die Welt ist nicht genug“ (1999) fehlen die Worte, Kratt in „Casino Royale“ (2006) schweigt sich ebenfalls aus.
Zuletzt war es der Killer Patrice, dargestellt von Ola Rapace 368, der schon in der Pre-Title-Sequenz von „Skyfall“ (2012) auftritt und nach rund 50 Minuten Filmlaufzeit sein Leben lässt, ohne ein einziges Wort gesprochen zu haben. Fast immer fehlen den Handlangern die Worte, die Hauptschurken sind wortgewandt. Das müssen sie auch sein, um im Film Bond ihren Plan zu verraten und sich den obligatorischen verbalen Schlagabtausch mit dem Agenten zu liefern. Der berühmteste ist der zwischen 007 und Goldfinger:
Bond: „Erwarten Sie von mir, dass ich rede?“
Goldfinger: „Nein, Mr. Bond. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sterben! Es gibt nichts, was Sie mir erzählen könnten, das ich nicht schon wüsste!“
Nach 45 Jahren werden diese Zeilen immer noch zitiert, obwohl es in jedem Film zeitgemäßere ironische Zitate gibt, zum Beispiel in „GoldenEye“ (1995):
Alec Trevelyan: „Warum kannst du nicht wie ein braver Junge sterben?“
Bond: „Du zuerst.“
Oder in „Casino Royale“ (2006):
Bond: „Was passiert, wenn die Welt davon erfährt, dass Sie starben, während Sie meine Eier massierten?“ 369
Doch zurück zu den Waffen der Schurken und wie sie ihnen oder ihren Mitarbeitern zum Verhängnis werden. Blofelds Piranhas (in zahlreichen Filmen immer wieder fälschlicherweise als Killerfische dargestellt) wirft 007 in „Man lebt nur zweimal“ (1967) Hans zum Fraß vor.
Da Blofeld in mehreren Filmen von unterschiedlichen Darstellern verkörpert wurde (Anthony Dawson 370[FRWL, TB], Donald Pleasence [YOLT], Telly Savalas [OHMSS], Charles Gray [DAF], John Hollis 371[FYEO] und Max von Sydow 372[NSNA]), entschied man sich, ihn auch bezüglich seiner Abnormität unterschiedlich zu gestalten. So verläuft in „Man lebt nur zweimal“ (1967) eine gewaltige Narbe längs über sein rechtes Auge und die Wange. In „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) klebte man dem Darsteller Savalas lediglich die Ohrläppchen nach hinten um (sie sollen Blofeld im Film fehlen). Savalas' verstümmelter Zeigefinger der linken Hand wird zwar in einer Szene deutlich gezeigt, wurde aber vom Publikum kaum wahrgenommen. Außerdem gehört der Finger, der im Zweiten Weltkrieg Schaden nahm, in erster Linie zur Person Savalas und nicht zur Figur Blofeld.
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