Der James Bond-Stock
Shi Xing Yang Shi Xing Yang Im Anschluss an sein Medizinstudium, das Shi Xing Yang in London mit Bravour absolviert hatte, gelang dem heute fünfundfünfzigjährigen Junggesellen nach seiner Rückkehr ins Reich der Mitte mit den Jahren als Psychoanalytiker eine ausgezeichnete Reputation. Seine Klientel bestand hauptsächlich aus der neuen Elite Chinas, also der Kaderschmiede des Landes. Diese privilegierte Oberschicht frönte weniger dem seinerzeit von Mao Tse-Tung geprägten kommunistischen Kollektiv-Gedanken, sondern folgte der Tatsache, dass China in der Vergangenheit schon einmal eine unbestrittene Weltmacht gewesen war. Außer dem intellektuellen Touch, den ihm seine Nickelbrille verlieh, wies sonst nichts auf Shi Xings akademische Laufbahn hin. Ganz im Gegenteil, denn mit seinem schulterlangen Haar, das er vorzugsweise zu einem Rossschwanz zusammenband, sah der erfolgreiche Psychiater eher wie die leicht grau-melierte chinesische Version eines amerikanischen 68er-Hippies aus. Auffällig dagegen war sein eleganter Spazierstock. Mit ihm erlangte er in kürzester Zeit in der chinesischen Psychotherapie-Szene weit über Shanghai hinaus Kultstatus. Noch nicht einmal während der Konsultationen legte er seinen Fetisch aus der Hand. Dabei war Shi Xing in keiner Weise gehbehindert oder gar gehandicapt. Der schwarz lackierte, leicht konisch zulaufende Stock wies am Knauf und an der Stockspitze silberne filigrane Verzierungen im Biedermeierstil auf und war ein unbestechlicher Garant für sein Unbewusstes. Manchmal hob er ihn während einer Therapiesitzung nur ein klein wenig an, um ihn gleich wieder sanft durch seine Hand auf den Boden gleiten zu lassen. Das geschah unmerklich, ganz beiläufig. In der steten Wiederholung war das Auftippen der stumpfen Metallspitze auf den einwandfrei gebohnerten Mahagoni-Fussboden seiner Praxis jedoch ein Indiz dafür, dass es in seinem Inneren kräftig rumorte.
London, England
Über den Autor
Im Anschluss an sein Medizinstudium, das Shi Xing Yang in London mit Bravour absolviert hatte, gelang dem heute fünfundfünfzigjährigen Junggesellen nach seiner Rückkehr ins Reich der Mitte mit den Jahren als Psychoanalytiker eine ausgezeichnete Reputation.
Seine Klientel bestand hauptsächlich aus der neuen Elite Chinas, also der Kaderschmiede des Landes.
Diese privilegierte Oberschicht frönte weniger dem seinerzeit von Mao Tse-Tung geprägten kommunistischen Kollektiv-Gedanken, sondern folgte der Tatsache, dass China in der Vergangenheit schon einmal eine unbestrittene Weltmacht gewesen war.
Außer dem intellektuellen Touch, den ihm seine Nickelbrille verlieh, wies sonst nichts auf Shi Xings akademische Laufbahn hin. Ganz im Gegenteil, denn mit seinem schulterlangen Haar, das er vorzugsweise zu einem Rossschwanz zusammenband, sah der erfolgreiche Psychiater eher wie die leicht grau-melierte chinesische Version eines amerikanischen 68er-Hippies aus.
Auffällig dagegen war sein eleganter Spazierstock.
Mit ihm erlangte er in kürzester Zeit in der chinesischen Psychotherapie-Szene weit über Shanghai hinaus Kultstatus.
Noch nicht einmal während der Konsultationen legte er seinen Fetisch aus der Hand. Dabei war Shi Xing in keiner Weise gehbehindert oder gar gehandicapt.
Der schwarz lackierte, leicht konisch zulaufende Stock wies am Knauf und an der Stockspitze silberne filigrane Verzierungen im Biedermeierstil auf und war ein unbestechlicher Garant für sein Unbewusstes.
Manchmal hob er ihn während einer Therapiesitzung nur ein klein wenig an, um ihn gleich wieder sanft durch seine Hand auf den Boden gleiten zu lassen.
Das geschah unmerklich, ganz beiläufig.
In der steten Wiederholung war das Auftippen der stumpfen Metallspitze auf den einwandfrei gebohnerten Mahagoni-Fussboden seiner Praxis jedoch ein Indiz dafür, dass es in seinem Inneren kräftig rumorte.
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