Zuerst freute sie sich wie ein kleines Kind an Weihnachten, aber kurz darauf musterte sie gründlich mein Gesicht.
Nach kurzer Zeit seufzte sie und legte mir ihre Hände auf die Schultern.
„Wieder der Traum?“ fragte sie etwas besorgt.
„Ja DER Traum“ antwortete ich genervt von mir selbst.
Lilly war die einzige Person, der ich das mit dem immer wiederkehrenden Alptraum, erzählt hatte.
Würde ich das mit meinen Eltern besprechen, nun ja, ich wäre schneller in therapeutischer Behandlung, als ich gucken könnte.
Plötzlich sah ich ein Funkeln in ihren Augen.
„Warst du wieder diese Frau? Konntest du diesmal herausfinden wo es war? Waren da noch andere Personen außer diesem bösartigen Raven? Konntest du irgendwelche Pflanzen oder Tiere erkennen?..“
„Lil, STOP! Nur weil du jetzt Traumdeutung mit unterrichtest, muss ich nicht dein nächstes Studienobjekt sein!“
Sie unterrichtete Okkultismus und die Lehre der Hexenverfolgung.
Sie seufzte, aber konnte meine Missbilligung nachvollziehen.
„Okay, dann um 19 Uhr bei dir Juju.“ sagte sie mit einem höhnischen Grinsen.
„Sagen wir lieber 18:30 und hör bitte auf mich auf der Arbeit so zu nennen. Dieser Spitzname ist nicht wirklich altersgemäß.“ antwortete ich ihr, verzog mein Gesicht und beendete, immer noch hungrig, meine Pause.
Das Portal
Um Punkt 18:30 stand Lilly bei mir vor der Tür und grinste in die Kamera.
Ich wohnte außerhalb der Stadt, in einem riesigen und sehr prunkvollem Haus in den Hügeln von Kalifornien.
Ich persönlich hätte mich auch mit einem kleinen Apartment in der Stadt zufrieden gegeben, aber meine Eltern bestanden förmlich darauf, dass ich in diese Festung zog.
Ich ging zur Tür und betätigte das Sicherheitsprotokoll, inklusive Irisscanners.
Erst wenn die Person vollständig identifiziert war, öffnete sich das Türschloss.
Diese Prozedur, bei jedem Besuch, nervte mich bereits zu meinem Einzug.
Manchmal fühlte ich mich wie in einem Hochsicherheitstrakt, der besser bewacht war als Fort Nox.
Endlich öffnete sich die Tür und Lilly kam, mit mehreren Taschen beladen, in mein Wohnzimmer marschiert.
„So da bin ich. Ich habe ein paar Outfits und mein komplettes Schmink-Arsenal dabei.“ sagte sie und hob die Taschen auf die Couch.
Ich wusste ganz genau, dass wir heute keines ihrer Mitbringsel anprobieren würden, sondern etwas aus der neuen Modekollektion meiner Schwester Malia.
Malia war meine 2 Jahre ältere Schwester, die nach ihrem Modestudium direkt mit unserer Tante Lyla, mehrere eigene Modekollektionen entwarf.
Ich musste grundsätzlich als Model fungieren. Der Vorteil der Sache war, dass ich sämtliche Kleidungsstücke behalten konnte, mit denen ich fotografiert wurde.
Nach beinahe eineinhalb Stunden Outfits wechseln, hatten wir beide endlich jeweils eins gefunden, was uns gefiel.
Lilly trug ein lila schwarzes Minikleid mit einem V-Ausschnitt und mehreren Schnitten an ihrer Taille, so das man recht viel Haut sehen konnte. Dazu trug sie schwarze Highheals, die mit zwei Bändern bis zu ihren Knien, überkreuzt, zusammen gebunden waren.
Ich dagegen trug ein saphirblaues, knielanges Kleid, wo der Rücken frei, aber mit silbernen Ketten verziert, um Akzente setzten. Dazu schwarze Stiefelletten.
Nach dem frisieren und schminken holte Lilly plötzlich ein kleines, sehr alt aussehendes Buch aus ihrer Tasche hervor.
Sie blätterte ein bisschen darin herum bis sie auf einer Seite stehen blieb und auf ein Bild mit einem verschnörkelten Spiegel deutete.
„Sie mal, in dem Buch steht, wenn man wissen will was ein immer wiederkehrender Traum für eine Bedeutung hat, soll man in den Spiegel des Schicksals gucken.
Wenn man sich langsam in ihm verliert, dann wird einem der Hüter der Erinnerungen alle Fragen beantworten.“
Sie sah mich mit ernster Miene an. Ich konnte nicht anders und musste laut los lachen.
Ich schüttelte den Kopf und fragte sie sarkastisch, ob das ihr Ernst war.
„Ich habe dich ja lieb Lilly, aber glaubst du allen ernstes, dass ein alter Spiegel mit einem Greis darin mir sagen könnte, was mit mir nicht stimmt, beziehungsweise was mit mir los ist?
Ich glaube an so einen Hokus Pokus nicht! Und selbst wenn es diesen Spiegel irgendwo gibt, wer sagt dir, dass er nicht irgendwo auf dem Meeresgrund neben der Titanic liegt?“ prustete ich immer noch lachend.
Lilly verzog das Gesicht und guckte mich böse an.
„Du wirst schon sehen. Wenn die Zeit gekommen ist, wird sich dir der Spiegel offenbaren.“
Ich wischte das Märchen vom Zauberspiegel beiseite, nahm unsere Handtaschen und wollte Richtung Tür gehen.
Jemand hupte und auf Lilly´s Gesicht breitete sich ein riesiges Lächeln aus.
Das konnte nichts gutes, für mich, bedeuten.
Mir stand der Mund offen und ich schaute ungläubig zwischen meiner besten Freundin und der überdimensionalen Strechlimousine, in meiner Einfahrt, hin und her.
Lilly zog mich mit sich in das riesige Fahrzeug und wir fuhren los.
„Ist das dein Ernst?! Eine Strech-Limo?! Noch auffälliger wäre es nur, wenn sie pink wäre!“ brachte ich nur wütend hervor.
Lilly zuckten nur mit den Schulter und sagte ganz beiläufig: „Die Pinke war nicht mehr verfügbar.
Außerdem entspann dich mal! Wir sind nur einmal im Monat hier und dann kannst du auch einen richtigen Auftritt haben!“
Ich verdrehte die Augen und wollte dem Fahrer am liebsten bitten, in einer Seitenstraße zu parken,
doch da hielten wir auch schon am Ende der Warteschlange an.
Als wir ausstiegen richteten sich alle Blicke auf mich, als wäre ich ein Schauspieler, der gleich über den roten Teppich, zu einer Filmpremiere schreiten würde.
Wir gingen an den Menschenmassen vorbei, Richtung Eingang.
Ich konnte nicht nur die bohrenden Blicke auf mir spüren, sondern auch die hämischen Kommentare hören.
„Guck mal, da kommt Miss Doppel-Null, hat zwar mehrere Nullen auf dem Konto, aber hat auch 0 Respekt vor dem gemeinen Folk.“
„Oh schau mal, Madame hält sich für etwas besseres, bloß nicht anstellen und hier draußen mit warten“
Andere hingegen zückten wiederum ihre Handys um ein exklusives Foto von mir zu schießen.
Als wir am Eingang ankamen blickte uns der Türsteher, ein Mann wie ein Schrank, mit emotionsloser Miene, eindringlich an. Dann öffnete er uns das Absperrband und Begrüßte mich mit einem kleinen Lächeln. „Willkommen Miss Nightmoon“ Und winkte uns hindurch.
Drinnen gingen wir direkt zu unserem Stammtisch.
Ein kleiner Abgesperrter Bereich auf einem einem Podest, so das man den kompletten Club überblicken konnte.
Ich sah hinüber zur Bar, wo sich mir ein bekanntes Bild bot.
Die Kellner spielten Schere, Stein, Papier. Der Sieger “durfte“ dann heute Abend unseren Tisch bedienen.
Immerhin gab es immer ordentlich Trinkgeld von uns.
Und wieder war es Luna die als Siegerin hervor ging. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht kam sie zu unserem Tisch herüber geschlendert.
Wir begrüßten uns mit einer herzlichen Umarmung.
Luna war ein Jahrgang unter mir am Collage gewesen und studierte Archäologie und Geschichte.
Mittlerweile war sie eine der anerkanntesten und jüngsten Archäologin , im ganzen Land.
Da es aber nicht täglich neue Ausgrabungsstätten gab, arbeitete sie zwischendurch als Kellnerin im Triangle.
„Wie immer, das Übliche?“ fragte sie uns freudig.
„Ja“ antworteten Lilly und ich synchron.
„Wie könnt ihr dieses bunte Zeug nur mögen? Das sieht doch aus, wie ein Regenbogen, der vom Himmel gefallen ist.“ fragte uns Luna.
Ich zuckte nur mit den Schultern und antwortete ihr, dass nicht das Aussehen ausschlaggebend sei, sondern der Geschmack.
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