Manuela Terzi
Die Muse von Florenz
Historischer Roman
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unter Verwendung eines Fotos von: © https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Francesco_di_Giorgio_Martini_(attributed)_-_Architectural_Veduta_-_Google_Art_Project.jpg
und Master1305 / shutterstock.com
ISBN 978-3-8392-6904-6
Für meine Mutter
Du hast
immer
an mich geglaubt.
Grazie mille, mamma!
»Selig sind,
die nicht sehen und
doch glauben!«
Johannes Kapitel 20, Vers 29
Es versprach, der heißeste Tag des Jahres zu werden. Das tat der Freude und Ausgelassenheit der Menschen auf der Piazza del Duomo keinen Abbruch, da war Juliana sich sicher. Zu Hunderten würden sich die Florentiner seit den frühen Morgenstunden auf dem riesigen Platz zwischen dem Dom und dem Battistero drängen, dessen glänzende Außenmauern seine Betrachter stets so herrlich blendeten.
Juliana sehnte sich danach, zu den unzähligen Menschen zu gehören, die dort der Hitze des Maitages trotzten. Längst wollte sie sich inmitten der neugierigen Scharen aufhalten, stattdessen saß sie angespannt auf dem Bett in ihrer Kammer. Bereit, dem erlösenden Aufruf ihres Vaters zu folgen. Seit Stunden wartete sie ungeduldig auf ihn, den notario Ferdinando Serrati, der ihr am Morgen versprochen hatte, sie zu begleiten. Nach vielen Wochen des Flehens hatte ihr Vater endlich eingelenkt.
Weit nach der Mittagszeit schallte seine erzürnte Stimme durch die Casa Serrati. Die ungewohnte Schärfe darin weckte Julianas Neugier. Es ging um die cupola. So viel hatte sie verstanden, obwohl mehrere Männer durcheinanderredeten.
Der überraschende Besuch mehrerer Ratsmitglieder, die sich im Audienzzimmer des Notars eingefunden hatten, versetzte das ganze Haus in Aufruhr. Ihr Vater saß gewiss in dem unbequemen Stuhl nahe der Tür. Seine Besucher standen seit ihrem Eintreffen an jener Stelle, die vom heißen Sonnenlicht erfasst wurde. Sicherlich stand ihnen der Schweiß auf der Stirn, während ihr Vater sich kühle Luft mit einem Fächer verschaffte. Die Hitze in dem Raum des sonst kühlen Hauses rechtfertigte ihr Vater damit, dass die kalte Luft den Verträgen in den Truhen schade. Sie liebte den Raum mit seiner reich verzierten Holzdecke, der sie demütig werden ließ. Im Kindesalter hatte sie sich immer in einer Ecke versteckt, von wo aus sie die Verhandlungen ihres Vaters beobachten konnte. Unbemerkt, denn der handbemalte Schrank, eine Hochzeitsgabe ihres nonno, voller privater Urkunden ihres Vaters, hatte ein kleines Mädchen bestens verborgen.
Sie lächelte. Heute gelänge es ihr nicht mehr, sich dort unbemerkt zu verstecken. Auch verstand sie, warum ihr Vater bei seinen Verhandlungspartnern gnadenlos war. Beim notario gingen viele Verträge und Vereinbarungen über den Tisch. Kostbare Gemälde, Bauwerke und Skulpturen, alles bedurfte eines Vertrags, auf dessen genaue Einhaltung ihr Vater achtete. Mancher Künstler vollendete ein Gemälde, ohne den vereinbarten Lohn zu erhalten. Andere vergaßen den Tag der Lieferung, weil sie sich von einer Frau ablenken ließen oder sie neue Ideen von der Arbeit abhielten.
Laute Stimmen drangen durch die geöffneten Fenster ins Innere ihrer Kammer. Die ungewöhnliche Hitze hielt außerhalb des Hauses niemanden davon ab, die Mittagspause abzuwarten. Immer mehr Menschen zogen unter den Fenstern der Casa Serrati in der Via Porta Rossa vorbei. Sie alle wollten das Wagnis sehen. Geheimnisvolles wähnte Juliana deshalb auf der Piazza del Duomo, in deren Mitte das prächtige Kirchenschiff der Santa Maria del Fiore stand. Der Bau der cupola war in aller Munde, in der Casa Serrati wurde er totgeschwiegen. Bis heute.
»Brunelleschi wird den Tag des Triumphes nicht erleben!«, donnerte Ferdinando in diesem Moment. Ihr Vater ahnte nicht, dass sie auf die offene Loggia oberhalb des Audienzsaales getreten war.
Wühlte nur der Zorn ihren Vater so auf oder drohte er dem capomaestro wahrhaftig? Dem Mann, der kaum Zeit zum Schlafen fand, weil er beinahe rund um die Uhr arbeitete, um diese Kuppel zu bauen.
»Mögt Ihr Eure Gulden für dieses törichte Bauwerk verschwenden«, setzte ihr Vater nach.
Giovanni Baldachi, sein alter Freund, widersprach ihm heftig. Sein dichter, ockerfarbener Bart wippte bei jedem Wort sicherlich mit, was Juliana in Kindertagen erheitert hatte. »Es wird nicht das Geld sein, worum du dich sorgst, Ferdinando. Mach deine Arbeit, bevor ich mir einen anderen notario suche.«
»Was hat er dir versprochen, der kleine Wicht? Einen Stein in der vermaledeiten cupola, der deinen Namen trägt, Giovanni?« Ferdinando machte eine eindringliche Pause, um sich der Aufmerksamkeit der Männer zu vergewissern.
Die Anwesenden murmelten zögerliche Worte des Widerspruchs. Niemand wagte, laut zu werden und sich den Unmut des einflussreichen notario zuzuziehen.
»Eines Tages werdet ihr euch an meine Worte erinnern, dann ist es zu spät. Unsere Stadt wird nicht mehr dieselbe sein. Krankheiten und Seuchen werden vor den Stadttoren nicht haltmachen, uns heimsuchen. Niemand, der klaren Verstandes ist, fordert Gottes Zorn heraus.«
»Serrati, bei allem Respekt. Brunelleschis Modell zeigt, dass es durchführbar ist! Der Bau ist beschlossene Sache. Ihr waltet federführend bei den Vertragsunterzeichnungen und versucht neuerdings, den capomaestro in Misskredit zu bringen?« Zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Florenz schwieg Antonio, Vaters Assistent, nicht. War der junge Genuese etwa vor dem Zorn des notario gefeit? Seit dem Frühjahr lebte er in ihrem Haus, hatte bisher nie die Stimme gegen seinen capo erhoben, der ein guter Freund seines eigenen Vaters war. Im Gegenteil. Juliana ärgerte die Unterwürfigkeit, mit der ihm der junge Mann begegnete. Noch mehr verabscheute sie Antonios seltsames Gehabe, wenn er zu Tisch kam. Er tänzelte und strich ständig über sein glänzendes, glattes Haar. So spiegelglatt wie der Arno im Sommer. Was trieb ihn zu diesem Widerspruch?
Juliana neigte ihren Kopf über die Balustrade und hoffte, einen Blick auf die Streithähne zu erhaschen. Ihr Blick erreichte lediglich das staubige Pflaster der Via Porta Rossa.
»Was? Gott bloßzustellen? Wäre es denkbar, verehrter Antonio, dass Ihr selbst den Verstand verloren habt?«
Armer Antonio! Niemand widersetzte sich ungestraft ihrem Vater. Sie wusste oft nicht, worüber sie mit Antonio beim Abendmahl sprechen sollte. Deshalb vermied sie es, ihm fern des Essens zu begegnen. Stets verhielt er sich beschämt, wenn er ihretwegen seine Arbeit unterbrach und von ihrem Vater deshalb einen Tadel erhielt. War sie gar der Grund für seine Scheu? Juliana sah ihn vor sich, wie er sich verlegen dafür einsetzte, dass man Brunelleschis Arbeit wertschätzte.
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