»Ist Ihnen aufgefallen«, sagte von Horst, »dass der meiste Lärm von hinten zu kommen scheint? Ich meine die wilderen, knurrenden Laute. Rechts, links und vor uns habe ich Quietschen und Geräusche gehört, die wie das Trompeten von Elefanten klangen, aber nur gelegentlich scheint ein Knurren oder Brüllen aus diesen Richtungen zu kommen und dann immer von ziemlich weit weg.»
»Wie erklären Sie sich das?«, fragte Gridley.
»Ich kann es mir nicht erklären«, antwortete von Horst. »Es ist, als würden wir uns mitten in einer Jagd bewegen – mit all den wilden Fleischfressern hinter uns.«
»Diese ewige Mittagssonne hat ihre Vorteile«, bemerkte Gridley lachend, »denn sie sorgt wenigstens dafür, dass wir die Nacht nicht hier verbringen müssen.«
In diesem Augenblick wurde die Aufmerksamkeit der beiden Männer durch den Ausruf eines Waziri hinter ihnen abgelenkt. »Schau, Bwana! Schau dort!«, rief der Mann und deutete auf zurück auf den Pfad. Gridley und von Horst folgten dem ausgestreckten Finger des Waziri und sahen eine riesige Bestie, die sich langsam hinter ihnen anschlich.
»Grundgütiger!«, rief von Horst aus, »und ich dachte, Dorf würde übertreiben.«
»Es scheint mir unmöglich, dass fünfhundert Meilen unter unseren Füßen Automobile durch überfüllte Straßen rasen, die von riesigen Gebäuden gesäumt sind. Dass dort der Telegraf, das Telefon und das Radio so alltäglich sind, dass sie keine Bemerkung mehr wert sind, dass zahllose Tausende ihr ganzes Leben dort verbringen, ohne jemals eine Waffe zur Selbstverteidigung benutzen zu müssen. Gleichzeitig stehen wir hier im selben Augenblick einem Säbelzahntiger gegenüber – und zwar in einer Umgebung, die es auf der äußeren Kruste vielleicht seit einer Million Jahren nicht mehr gibt«, rief Gridley aus.
»Seht euch das Biest an!«, rief von Horst aufgebracht. »Wenn es einen gibt, wird es wohl auch ein Dutzend von ihnen geben.«
»Sollen wir schiessen, Bwana?«, fragte einer der Waziri.
»Noch nicht«, sagte Gridley. »Schließt auf und seid bereit. Sie scheinen uns nur zu verfolgen.«
Langsam zog sich die Gruppe zurück, wobei eine Reihe von Waziri die Nachhut bildete und die Tiger im Blick behielt. Muviro ließ sich an Gridleys Seite zurückfallen.
»Seit einiger Zeit, Bwana«, begann er, »sehen wir auf dem Pfad die Spuren vieler Elefanten, oder zumindest etwas, das wie Elefantenspuren aussieht. Vorhin habe ich gerade einige der Tiere vor mir gesichtet. Ich habe sie nicht genau erkannt, aber wenn es keine Elefanten sind, dann sind sie ihnen sehr ähnlich.«
»Wir scheinen zwischen dem Teufel und der Tiefsee zu stecken«, sagte von Horst.
»Und auf jeder Seite von uns sind entweder Elefanten oder Tiger«, sagte Muviro. »Ich kann hören, wie sie sich durch das Gebüsch bewegen.«
Vielleicht hatten alle Männer den Gedanken, sich auf die Bäume zu flüchten, aber aus irgendeinem Grund sprach ihn keiner aus. Und so bewegten sie sich langsam weiter auf dem Pfad, bis er plötzlich in ein großes, offenes Gebiet im Wald mündete, wo der Boden nur spärlich mit Gestrüpp bedeckt war und es nur wenige Bäume gab. Die Lichtung umfasste vielleicht hundert Hektar, dahinter wuchs auf allen Seiten wieder der Wald.
Von zahlreichen Pfaden her trat eine seltsame Prozession auf die Lichtung, wie sie die Augen dieser Männer noch nie gesehen hatten. Da waren große, ochsenartige Kreaturen mit zotteligem Fell und weit ausladenden Hörnern. Es gab Rothirsche und Faultiere von gigantischer Größe. Es gab Mastodons und Mammuts und eine riesige, elefantenartige Kreatur, die zwar einem Elefanten ähnelte, aber gar kein Elefant war. Ihr großer Kopf war vier Fuß lang und drei Fuß breit. Sie hatte einen kurzen, kräftigen Rüssel und von ihrem Unterkiefer bogen sich mächtige Stoßzähne nach unten und gegen den Körper hin. Bis zu den Schultern stand es mindestens zehn Fuß über dem Boden, und in der Länge muss es volle zwanzig Fuß gemessen haben. Jedoch wurde die Ähnlichkeit mit einem Elefanten durch seine kleinen, schweineartigen Ohren gemindert.
Die beiden weißen Männer vergaßen in ihrem Erstaunen über diesen Anblick die Tiger hinter sich und blieben stehen, um die riesige Ansammlung von Tieren auf der Lichtung zu betrachten.
»Haben Sie jemals so etwas gesehen?«, rief Gridley aus.
»Nein, und auch sonst niemand, schätze ich«, antwortete von Horst.
»Ich könnte viele von ihnen katalogisieren«, sagte Gridley, »obwohl praktisch alle auf der Erdoberfläche ausgestorben sind. Aber dieser Bursche da hat es mir angetan«, sagte er und zeigte auf das elefantenartige Wesen mit den nach unten gerichteten Stoßzähnen.
»Ein Dinotherium aus dem Miozän«, sagte von Horst.
Muviro war neben den beiden Männern stehen geblieben und starrte mit großen Augen auf die Szene vor ihm.
»Nun«, fragte Gridley, »was hältst du davon, Muviro?«
»Ich glaube, ich verstehe jetzt, Bwana«, antwortete der Schwarze. »Wenn wir jemals entkommen wollen, ist unsere einzige Chance, diese Lichtung so schnell wie möglich zu überqueren. Die großen Katzen treiben diese Kreaturen hier zusammen, und bald wird es ein Gemetzel geben, wie es die Augen der Menschheit noch nie gesehen haben. Wenn uns nicht die Katzen umbringen, werden wir wohl von diesen Bestien zu Tode getrampelt. Egal, ob sie versuchen zu fliehen, oder gegen die Tiger zu kämpfen.«
»Ich glaube, du hast recht, Muviro«, sagte Gridley.
»Direkt vor uns ist eine Lücke«, sagte von Horst.
Gridley rief die Männer um sich und deutete über die Lichtung hinweg auf den Wald auf der gegenüberliegenden Seite. »Offenbar besteht unsere einzige Chance darin, jetzt hinüberzugehen«, sagte er, »bevor die Raubkatzen die Tiere hier eingekreist haben. Wir sind schon zu weit auf der Lichtung, um zu versuchen, in den Bäumen auf dieser Seite Zuflucht zu suchen. Die Säbelzahntiger sind bereits zu nahe. Bleibt also dicht beieinander und schießt nur, wenn wir angegriffen werden.«
»Seht!«, rief von Horst. »Die Tiger dringen von allen Seiten auf die Lichtung ein. Sie haben ihre Beute umzingelt.«
»Dort gibt es noch eine Lücke, Bwana«, sagte Muviro.
Schon bewegte sich die kleine Gruppe langsam über die Lichtung, die mit nervösen Tieren bevölkert war, die sich aufgeregt hin und her bewegten und deren ganzes Verhalten von nervöser Besorgnis geprägt war. Vor dem Auftauchen der Tiger hatten sich die Tiere ruhig bewegt, einige von ihnen knabberten am kurzen Gras der Lichtung oder an den Blättern und Zweigen der verstreuten Bäume, die dort wuchsen, aber mit dem Erscheinen des ersten Fleischfressers änderte sich ihre Haltung. Ein riesiger Mastodon-Bulle hob seinen Rüssel und trompetete schrill, und augenblicklich war jeder Pflanzenfresser in Alarmbereitschaft. Und Als die zahlreichen Augen oder Nasenlöcher die Anwesenheit der Großkatzen entdeckten, fügte jedes Tier seine Stimme dem Pandämonium hinzu, das nun herrschte. Zu dem Quieken, Trompeten und Brüllen der Beute gesellte sich bald auch das abscheuliche Knurren und Brüllen der Raubtiere.
»Seht euch diese Katzen an!«, rief von Horst. »Es müssen Hunderte von ihnen sein.« Seine Schätzung war nicht übertrieben, denn von allen Seiten der Lichtung, mit Ausnahme eines einzigen Punktes ihnen gegenüber, kamen die Tiger aus dem Wald und begannen, die Herde einzukreisen. Dass sie sich nicht sofort auf sie stürzten, zeugte von ihrem Respekt diesen riesigen Tieren gegenüber, die sie eben eingekreist hatten und die sie wohl nie angreifen würden, wären sie nicht in der Überzahl.
Jetzt rollte ein Mammut, ein riesiger Bulle mit erhobenem Schwanz und aufgestellten Ohren, seinen Rüssel um den Kopf und griff an. Ein paar der Großkatzen sprangen ihm mit furchtbarem Knurren entgegen, woraufhin der Bulle die Nerven verlor, sich in einem weiten Kreis umdrehte und wieder zur Herde zurückkehrte. Hätte er sich durch diese bedrohliche Reihe von Reißzähnen und Krallen hindurchgewagt, was bei seiner Größe, seinem Gewicht und seiner Kraft durchaus möglich gewesen wäre, hätte er eine Gasse schaffen können, durch die die meisten anderen Tiere der Herde in Sicherheit hätten gelangen können.
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