Frauen sind von einer schubförmig verlaufenden MS etwa dreimal häufiger betroffen als Männer. MS betrifft somit rund 70% Frauen.
Hingegen sind bei der primär progredienten MS Männer und Frauen etwa gleich oft betroffen.
Mehrheitlich tritt MS im Alter zwischen 20 und 40 Jahren mit einem Krankheitsgipfel bei 30 Jahren auf.
Selten kommt es zu einer MS bereits im Kindesalter und auch im späten Erwachsenenalter, Ü-65.
Dazu noch eine alarmierende Zahl:
Eine im Fachorgan Neurology 2007 publizierte Studie von D. Hirtz vom US-National Institute of Neurological Disorders and Stroke erbrachte einen Anstieg der MS-Neuerkrankungen im Vergleich zu 1982 um 50% und besonders starker Anstieg in den jüngeren Jahrgängen!
Zu den diagnostisch gesicherten MS-Fällen muss eine ebenso große Zahl nicht als MS diagnostizierter bzw. überhaupt nicht ‚erkannter‘ MS-Erkrankungen als sogen. ‚Dunkelziffer‘ hinzugerechnet werden.
Nun zum Krankheitsverlaufin knappen Zügen:
Was „passiert“?
Es kommt zu einem herdförmigen, regellos verteiltem Markscheiden-Zerfall (Markscheide = Nerven-Schutzmantel), zu peri-vaskulären Infiltraten (perivaskulär = perivasal = in der Umgebung eines Blut- und/oder eines Lymphgefäßes – Infiltrat = in ein Körpergewebe eingedrungene körpereigene oder fremde Substanz), zur gliösen Proliferation (= Vermehrung faserbildender Gliafasern, meist als Narbengewebe des ZNS) und zuletzt zu Vernarbungen. Die Schädigungsstellen an den Nervenmarkscheiden (Myelin) nennt man ‚Entmarkungsherde’ oder ‚Plaques’.
Der „Ablauf“ – vom allerersten bis zum letzten MS-Schub und auch der Erstmanifestation der Krankheit – ist immer gleich:
Ablauf des „MS-Geschehens“
1.MS-begünstigende Gesamtfaktoren
+
2. aktueller Faktor (z.B. Virus-Infektion)
3.Präsentation des „basischen Markscheidenproteins“ () des ZNS durch Astrozyten () an T-Lymphozyten ()
4. Entzündungsreaktion im ZNS/am Nervenmark (Myelinscheide)
5.Perivasculäre Infiltrationen
6.Schädigung des Myelins
(teilweise und im Frühstadium bedingt reversibel)
7.Demyelinisierung des Nervens
[Demyelinisierung = „Entmarkung“ = die degenerativer Zerstörung der Myelin-/ Mark-Scheiden der Axone (= „Achsenzylinder“ = Nervenzell-Fortsatz, ein Neurit, der in einer Hülle von Gliazellen verläuft und zusammen mit dieser Umhüllung als Nervenfaser bezeichnet wird) des Zentralnervensystems/ZNS oder des Peripheren Nervensystems/PNS]
(irreversible Schädigung)
8.Schädigung des Axons
[und somit des betroffenen Nervenabschnitts]
(= irreversible Schädigung)
Kurz und knapp:
Die MS/ED ist gekennzeichnet durch fokale, entzündliche Läsionen im ZNS mit Entmarkung (Demyelinisierung) und unterschiedlich ausgeprägtem Verlust an Axonen (Axon = langer Nervenzellfortsatz, der Impulse zu anderen Nervenzellen leitet = umgeben vom Myelin = Markscheide) und begleitender Gliose (= Vermehrung von Glia = Stütz- und Nährgewebe des Nervensystems zwischen den Nervenzellen und Blutgefäßen, das auch die Markscheiden der Nervenzellen bildet).
Dem Gehirn/ZNS kommt dabei die Funktion der „Schaltzentrale nach beiden Richtungen“
zu:
Einmal werden vom ZNS Signale via Nervenbahnen zum Körper bzw. Organen ausgesendet, die dort als „Befehle“ angekommen umgesetzt werden.
Das Rückenmark ist der „Hauptleiter nach beiden Richtungen“; dort werden die Signale vom Kopf z.B. zu den Muskeln und umgekehrt geleitet.
Die Nervenbahnen des Rückenmarks sind umgeben (= geschützt) von einer Markscheide (= Myelin/-scheide – quasi einer „Isolierschicht“, zu vergleichen einer Stromkabel-Ummantelung – diese garantiert und sorgt für eine reibungslose und korrekte Befehlsübermittlung vom ZNS - Gehirn und Rückenmark - über die peripheren Nerven hin zur Muskulatur im gesamten Organismus).
Die Myelinscheide besteht einmal aus Neurokeratin [d.i. eine Keratin-ähnliche Substanz, die im Nervengewebe wie in der Hülle des Achsenzylinders aus medullierten Nervenfasern vorhanden ist. Wie Keratin widersteht es der Wirkung der meisten chemischen Mittel und ergibt durch Zersetzung mit Schwefelsäure Leucin und Tyrosin] und als wesentlichstem Bestandteil aus dem Myelin [= ein Gemisch aus verschiedenen Lipoiden ()]. Dabei kommt dem MBP ]Myelin Basic Protein ()/Basisches Myelin-Protein] mit die entscheidendste Rolle zu.
Ohne diese „Fettschicht“ können die Nerven-Impulse und -Signale nicht richtig weitergeleitet werden.
Das Myelin der Nerven wird zuerst angegriffen und dann bis hin zu irreversibel/irreparabel zerstört.
Davon sind nicht nur jene Nervenbahnen betroffen, die „vom ZNS wegleiten“ – also wichtig sind für Bewegung und Kraft –, sondern auch jene, die „zum ZNS hinleiten“ – also unersetzlich sind für Sensibilität, Koordination usw. –.
Diese Myelinschädigung kann an unterschiedlichen Stellen im ZNS/ Gehirn und dem Rückenmark vorkommen, zumeist an mehreren und verschiedenen – daher auch der Namensteil „Multiple“ (= vielfach).
Die zerstörte Myelinschicht vernarbt und besteht dann aus festem Bindegewebe; daher der zweite Namensteil „Sklerose“ (= harte Stelle).
Da diese Schädigungen an RM und ZNS an unterschiedlichen Orten auftreten bzw. auftreten können, finden sich bei der MS auch die unterschiedlichsten Symptome, Beschwerden und Ausfälle.
[Dazu etwas weiter unten]
Neuere Forschungsergebnisse
Neue Forschungsergebnisse der Universität Greifswald
Die Multiple Sklerose:
Pathogene Faktoren und molekulare Marker
Immun-vermittelte entzündliche neurologische Erkrankungen, wie die Multiple Sklerose (MS) und das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) sind durch Demyelinisierung und axonale Schädigung gekennzeichnet.
Darüber hinaus sind humorale Wirkfaktoren () bekannt, welche Ionen-Kanäle der axonalen Membran beeinflussen und so zu den Leitungs-Störungen beitragen. Am letztgenannten Effekt scheinen der Botenstoff Stickstoff-Monoxid (NO), Antikörper gegen Ganglioside der axonalen Membran (anti-GM1 IgG) und ein kürzlich von den Forschern der Uni Greifswald entdecktes Pentapeptid mit der Sequenz QYNAD beteiligt zu sein.
QYNAD blockiert unter bestimmten Bedingungen neuronale spannungs-gesteuerte Na+-Kanäle und könnte in vivo einen hemmenden Einfluss auf die axonale Impulsfortleitung ausüben.
Darüber hinaus könnte sich QYNAD als ein spezifischer Marker für o.g. Krankheiten erweisen.
Das Pentapeptid konnte mittels einer massen-spektrometrischen Technik in Liquor cerebrospinalis und in geringerer Konzentration auch im Serum von Patienten mit Multipler Sklerose nachgewiesen werden.
Tests an einer großen Zahl von Proben sollen folgen.
Ein ELISA-Testverfahren, welches zurzeit in Zusammenarbeit mit einer Firma entwickelt wird, soll es ermöglichen, die Analysen auch in Routinelabors durchzuführen zu können.
Stickstoff als „zentraler pathophysiologische Mechanismus“ bei Multipler Sklerose
In der jüngeren Ausgabe des „Journal of Chronic Fatigue Syndrom” (USA) finden neue Forschungsergebnisse zur MS.
In einer Arbeit von Frémont et al. wird beschrieben, dass die Deregulation des anti-viralen Pfades bei der MS die Produktion von Stickoxid(NO x ) in Immun-Zellen induziert!
[Anmerkung:
Auswirkungen von Stickoxiden:
Reizung und Schädigung der Atmungsorgane (insbesondere Stickstoffdioxid) – Entstehung des Sauren Regens: Bildung von Salpetersäure (HNO 3) durch Reaktion von (2NO 2+ H 2O → HNO 3+ HNO 2) oder durch Aufnahme von N 2O 5in Aerosol-Partikelund nachfolgender Bildung von NO 3- in der flüssigen Phase. Smogbildung– Ozonbildungunter Einfluss von UV-Strahlung]
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