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Plasmablasten() bei Multipler Sklerose
Welche Rolle spielt diese neue Gruppe von B-Zellen bei der MS-Krankheits-Entstehung?
Forscher um Prof. Dr. Bernhard Hemmer (damals Uni Düsseldorf, jetzt TU München Klinikum rechts der Isar) gewinnen neue Erkenntnisse in DMSG-gefördertem Forschungs-Projekt.
Die Frage nach den genauen Mechanismen der Entstehung und der Entwicklung (Pathogenese) der Erkrankung Multiple Sklerose beschäftigt Wissenschaft und Medizin weltweit. Auch in Deutschland arbeiten Forscher an diesem Thema. Aus dem Abschlußbericht vom 15.02.2005 darf ich ebenfalls und in Auszügen zitieren:
„Plasmablasten bei Multipler Sklerose“
... „Die MS ist eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die sich durch Entzündung, Entmarkung und Untergang von Nervenzellen auszeichnet. Dem Immunsystem kommt in der Entstehung und dem Fortschreiten der Erkrankung eine entscheidende Rolle zu. Es finden sich zunehmende Hinweise, dass neben den intensiv untersuchten T-Lymphozyten auch sogen. B-Lymphozyten, deren Hauptfunktion die Produktion von Antikörpern darstellt, eine Rolle bei der MS spielen. So finden sich bei fast allen MS Patienten oligoklonale Banden im Liquor, die eine Produktion von Antikörpern im ZNS anzeigen. Darüber hinaus werden bei der MS B-Lymphozyten in den Gehirn-Läsionen, den Hirnhäuten und im Liquor gefunden .
Die Arbeitsgruppe um Prof. Hemmer hat sich mit der Charakterisierung der B-Lymphozyten bei der MS beschäftigt. In den Untersuchungen konnte eine neue Population von B-Lymphozyten, sogen. Plasmablasten , im Liquor identifiziert werden.
Die Plasmablasten sind wahrscheinlich verantwortlich für die Antikörper-Produktion im Gehirn .
Die Untersuchungen zeigten außerdem, dass ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Plasmablasten im Liquor und der entzündlichen Krankheitsaktivät im Gehirn besteht. Somit unterstützen diese Untersuchungen die Bedeutung von B-Lymphozyten in der Entzündungsreaktion bei MS und bilden ein neues Ziel für mögliche zukünftige Therapiestrategien.
B-Zellen und Antikörper:
B-Lymphozyten () sind die Produzenten von Antikörpern, denen in der Abwehr von Infektionskrankheiten eine entscheidende Bedeutung zukommt. Vorläuferzellen der Lymphozyten entstehen im Knochenmark, wo auch die weitere Reifung der B-Lymphozyten (B-Zellen) stattfindet. B-Lymphozyten tragen auf der Oberfläche ein Erkennungsmolekül, das als B-Zell-Rezeptor bezeichnet wird.
Jede B-Zelle, die im Knochenmark heranreift, erhält nach einen Zufallsprinzip einen ihr eigenen B-Zell-Rezeptor, der wenige definierte Eiweiße oder Zuckermoleküle erkennen kann. So stellt das Immunsystem sicher, dass es gegen den Angriff von Krankheits-Erregern, die eine Vielzahl von Eiweißmolekülen auf der Oberfläche tragen gerüstet ist.
Um sich vor sogen. „autoreaktiven B-Zellen“ (B-Zellen, die körpereigene Eiweiße erkennen) zu schützen, führt das Immun-System im Knochenmark einen Auswahl-Prozess durch. Im Rahmen dieses Prozesses werden autoreaktive, d.h. selbstzerstörerische Zellen abgetötet, so dass nur B-Lymphozyten das Knochenmark verlassen, die gegen Fremdeiweiße gerichtet sind.
Die B-Zellen wandern durch die lymphatischen Organe (Lymphknoten und Milz) auf der Suche nach möglichen Fremd-Eiweißen. Wenn es nun zu einer Infektion kommt, dann werden die Eiweiße des infektiösen Erregers (z.B. Bakterien oder Viren) von Fresszellen den B-Zellen im Lymphknoten angeboten. Wenn die B-Zelle die Fremd-Eiweiße erkennt, wird sie aktiviert, vermehrt sich und reift schließlich zu Gedächtnis-B-Zellen, Plasmablasten oder Plasmazellen heran. Für diesen Vorgang braucht die B-Zelle die Hilfe einer Fresszelle [Dendritische Zelle/DC ()] und eines T-Lymphozyts () (T-Zelle)].
Die Plasmazellen und Plasmablasten produzieren sehr große Mengen von Antikörpern, die die gleiche Erkennungsspezifität haben wie die B-Zell-Rezeptoren. Diese Antikörper werden im Blut freigesetzt und können dann den infektiösen Erreger unschädlich machen.
Über die Entwicklung der Plasmablasten ist noch wenig bekannt.
Plasmazellen wandern in das Knochenmark ein und bilden über lange Zeiträume Antikörper, die den Körper vor Infektionen schützen können. Das B-Zell-System stellt somit einen sehr wirksamen Abwehrmechanismus dar, der fast alle infektiösen Erreger erfolgreich bekämpfen kann. Durch die fortwährende Produktion dieser Antikörper im Knochenmark wird der Körper später über lange Zeiträume gegen neue Infektionen geschützt.
Dargestellt sind die Vorgänge, die zur Aktivierung und Wanderung von B-Zellen führen. Eiweiß wird durch Fresszellen [Dendritische Zellen ()] in die Lymphknoten () gebracht. Dort erfolgt durch die Fresszelle und eine spezifische T-Zelle die Aktivierung und Vermehrung der B-Zelle. Die B-Zelle kann zur Gedächtnis B-Zelle, zum Plasmablast oder zur Plasmazelle heranreifen. Nach der Reifung verlassen die unterschiedlichen B-Zell-Gruppen den Lymphknoten () und reichern sich im entzündeten Gewebe z.B. Gehirn (Gedächtnis B-Zelle, Plasmablast) oder dem Knochenmark an (Plasmazelle). An diesen Orten werden dann auch spezifische Antikörper () produziert und freigesetzt.
B-Zellen und Antikörper bei der Multiplen Sklerose:
Obwohl der Nachweis oligoklonaler Banden im Liquor (das sind bestimmte in den Liquor freigesetzte Antikörper) eine entscheidende Rolle in der Diagnose der MS spielt, galten Antikörper und B-Lymphozyten lange Zeit als unbedeutend für die Entstehung der MS. Vielmehr wurde den T-Zellen, basierend auf Untersuchungen im Tiermodell der MS, die entscheidende Rolle in der Krankheitsentstehung zugewiesen.
Untersuchungen der letzten Jahre stellen die alleinige Rolle von T-Lymphozyten bei der Entstehung der MS in Frage.
So finden sich eingewanderte B-Lymphozyten in den Hirnhäuten und um die Gefäße, die die MS-Herde umgeben. Insbesondere bei einer Unterform der MS können ausgeprägte Ablagerungen von Antikörpern in den Entmarkungsherden beobachtet werden.
Auch im Liquor können B-Lymphozyten und lokal produzierte Antikörper nachgewiesen werden, die man bei gesunden Kontrollpersonen oder Patienten mit anderen neurologischen Erkrankungen nicht findet.
Eine Ausnahme bilden entzündliche, vorwiegend infektiöse Erkrankungen der Hirnhäute, des Gehirns und des Rückenmarks. Zu diesen Erkrankungen zählen typischerweise die Neuroborreliose, HIV-Infektion des Gehirns oder die Syphilis des Nervensystems (‚Neuro-Lues‘). Auch bei diesen Erkrankungen finden sich Antikörper und B-Lymphozyten im Liquor und Gewebe. Interessanterweise wissen wir durch viele Studien, dass die B-Zellen bei diesen Erkrankungen gegen die ursächlichen Infektionen gerichtet sind und eine wichtige Rolle in der Erkrankung spielen.
Identifikation von Plasmablasten als bedeutsame B-Zell Gruppe im Liquor bei MS:
Die Arbeitsgruppe hat sich mit der Analyse der B-Zellen bei der MS beschäftigt.
Im Rahmen des Projekts wurden vergleichende Analysen der B-Zellen im Liquor und im Blut bei Patienten mit MS durchgeführt.
Es zeigte sich, dass sich B-Zellen im Liquor sehr stark von den Zellen im Blut unter-scheiden. Besonders auffällig war eine Gruppe von B-Zellen, die in großer Zahl im Liquor gefunden wurde, aber nur in sehr geringer Zahl im Blut nachweisbar war.
Diese Zellen weisen alle Charakteristika sogen. Plasmablasten auf. Plasmablasten sind gereifte B-Zellen, die große Mengen Antikörper produzieren können. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Produktion von Antikörpern im Liquor [ intrathekale (= innerhalb der Dura mater/harte Hirn- bzw. Rückenmarks-Haut gelegene; d.h. in den Liquor-Raum) Synthese ] mit der Zahl der Plasmablasten besser korreliert als mit jeder anderen B-Zell-Population.
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