1 ...8 9 10 12 13 14 ...27 Diese Befunde legen nahe, dass Plasmablasten maßgeblich für die Produktion von Antikörpern im ZNS verantwortlich sind.
Weiterhin konnte gezeigt werden, dass sich klare Unterschiede zwischen Patienten mit MS und akuten Infektionen des ZNS im Hinblick auf das Auftreten der Plasmablasten finden. Während die Plasmablasten nur in der ganz akuten Phase bei Infektionen des ZNS auftraten, fanden sich diese über lange Zeiträume im Liquor bei MS-Patienten.
Aus diesem Befund leiteten die Forscher ab, dass bei der MS eine fortwährende Aktivierung und Rekrutierung von Plasmazellen in das Gehirn stattfindet.
Schließlich gelang es nachzuweisen, dass die Zahl der Plasmablasten im Gehirn mit der akut entzündlichen Aktivität, gemessen an der Zahl von akuten MS Herden (gemessen als Kontrastmittel aufnehmende Läsionen im Kernspintomogramm/MRT des Gehirns) korreliert.
Dieses Ergebnis unterstützt die Annahme, dass B-Zellen und insbesondere Plasmazellen an der Entzündungsreaktion bei der MS beteiligt sind.
B-Zell gerichtete Therapiestrategien:
In Anbetracht der zunehmend besser akzeptierten Rolle von B-Zellen in der Entstehung der MS werden erste B-Zell spezifische Therapien entwickelt. So können durch Plasmapherese [einer Methode zur Abtrennung von Antikörpern aus dem Blut – s. Text später und ()] schwere Krankheits-Schübe erfolgreich behandelt werden.
Erste Therapie-Strategien versuchen außerdem gezielt B-Zellen auszuschalten. Da B-Zellen bestimmte Erkennungsmerkmale (CD-Moleküle) auf der Oberfläche tragen, die auf anderen Immunzellen nicht vorkommen, können diese gezielt durch Medikamente attackiert werden. Ein Molekül, das aussliesslich auf B-Zellen vorkommt ist das CD-20-Molekül. So können durch einen monoklonalen Antikörper gegen CD-20 (ein Eiweißmolekül, das nur an das CD-20-Molekül bindet) alle B-Zellen in einem Patienten innerhalb von wenigen Tagen zerstört werden. Nur Plasmazellen sind gegen solche Therapien resistent, da sie kein CD-20 auf der Oberfläche tragen.
In ersten Pilot-Studien konnte gezeigt werden, dass eine solche Therapie von Patienten gut vertragen wurde und zu einer Stabilisierung der Krankheit führt.
Zukünftige Forschungsstrategien:
Trotz der erheblichen Fortschritte im Verständnis der Rolle von B-Zellen in der Pathogenese der MS, sind noch viele Fragen offen.
Wir verstehen nur im Ansatz die Vorgänge, die für die Aktivierung und Einwanderung von B-Zellen in das Gehirn verantwortlich sind. Außerdem wissen wir immer noch nicht, gegen welche Eiweiße im Gehirn sich die B-Zellen und Antikörper richten.
Die Forschungsaktivitäten werden sich in Zukunft weiter auf die Beantwortung dieser Fragen richten.
Nur auf der Basis eines besseren Verständnisses der Krankheits-Mechanismen, können wir die Therapien verbessern und neue Wege zur Behandlung der MS entwickelt.“ ...
[Quelle:
Brain 2005 und Arch. Neurol sowie DMSG Bundesverband vom 19.08.2005]
Zell-Manipulation gegen Multiple Sklerose
Neuer Ansatz könnte in einigen Jahren beim Menschen eingesetzt werden
Forschern der Universitäten Würzburg und Madison (USA) ist es im Tier-Versuch gelungen, einen für die Verschlechterung (das Fortschreiten) von MS verantwortlichen Zell-Typ so zu manipulieren, dass sich die MS-Symptome verbesserten.
Die Forscher fanden heraus, dass die sogen. „Dendritischen Zellen“ () (DC) eine Schlüsselrolle im fehlgeleiteten (fehlprogrammierten) Angriff des Immun-Systems auf das Nerven-System spielen, wie der Leiter der Würzburger Forschungsgruppe, Prof. Dr. Heinz Wiendl (damals Uni Würzburg, seit 2010 Uni Münster, dort Leiter der Spezialklinik „Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems und Neuro-Onkologie“), erklärte.
Im Tierversuch habe sich der Krankheitsverlauf immer dann verschlechtert, wenn im Gehirn eine erhöhte Anzahl von dendritischen Zellen anzutreffen war.
Diese Zellen verursachen aber nicht selbst die Schäden an den ‚Nerven-Strängen’. Sie sorgen dafür, dass große Mengen weiterer Immunzellen – die sogen. „Effektor-Zellen“ () – ins Nervensystem einwandern, welche dann dort Entzündungen hervorrufen und außerdem weitere/andere Immunzell-Typen – wie z.B. Fresszellen – anlocken.
Dadurch werde die Schädigung der Markscheide (Myelinscheide) vorangetrieben.
Den Wissenschaftlern ist es gelungen, die Dendritischen Zellen (DC) zu „manipulieren“ :
Wurden sie mit speziellen körpereigenen Botenstoffen behandelt, aktivierten sie keine Effektor-Zellen mehr, sondern andere Zellen, welche ihrerseits Entzündungs-Prozesse hemmten. Durch diese Maßnahmen sei die bei Tieren simulierte MS seltener ausgebrochen. Außerdem seien die MS-Symptome gelindert/verringert worden, so erklärte Wiendl .
Allerdings:
Eine Übertragung der Ergebisse auf den Menschen sei nicht so einfach, schränkten die Forscher ein. Es werde daher sicherlich noch Jahre dauern, bis die gewonnenen Erkenntnisse die Grundlage für eine MS-Therapie bilden können.
[Quelle: Journal of Neuroscience, 12/2008]
Protein „Netrin-1“ schützt Myelinscheide vor Angriffen
Wissenschaftler des Montreal Neurological Institute (MNI) der McGill University und der Universität Montreal haben einen wichtigen Mechanismus zum Erhalt der normalen Struktur der Myelinscheide um Nervenzellen gefunden.
In ihrer Studie, die im Journal of Neuroscience veröffentlicht wurde, gelang es den Forschern erstmals, die Rolle des Proteins Netrin-1 [= spielt eine wichtige Rolle bei der Aussprossung von Axonen als „guidance molecule“/ „abstoßendes Leitmolekül“ – es besitzt anti-inflammatorisches Potenzial durch direkte Wirkung auf die Migration von Leucozyten] zu klären.
Bislang war bekannt, dass Netrin-1 für die normale Entwicklung des Nervensystems von großer Bedeutung ist; warum das Protein jedoch auch im erwachsenen Gehirn vorkommt, war unklar. Nun fanden die Forscher heraus, dass die Blockade von Netrin-1 und einem seiner Rezeptoren im Nervengewebe von Erwachsenen die Zerstörung des Myelins hervorruft.
„Es ist faszinierend, dass Netrin-1 eine so bedeutende Rolle bei der Erhaltung des Myelin-Struktur im Nervensystem Erwachsener hat“, sagte Dr. Tim Kennedy (Neurowissenschaftler am MNI).
Diese Erkenntnis sei angesichts der potenziellen Auswirkungen „unglaublich aufregend“. Denn wenn die Faktoren verstanden seien, die die Myelinschicht erhalten und eine Re-Myelinisierung fördern, schaffe dies neue therapeutische Ziele und Möglichkeiten der MS-Therapie.
„Derzeitige MS-Therapien blockieren die Entzündung. Um die Myelin-Scheide aber zu schützen und wieder aufzubauen, ist es notwendig, die Moleküle zu kennen, die an diesem Prozess beteiligt sind. Dies ist eine neue Ära in der Neurobiologie der MS" , prognostizierten die Forscher.
[Quelle: Montreal Neurological Institute and Hospital, Pressemitteilung vom 12. November 2008]
Prolaktin fördert Myelin-Neubildung
Im Tierversuch an Mäusen konnten Forscher der University of Calgary [publiziert in ‚Journal of Neuroscience‘, 10/2010] nachweisen, dass das Hormon „Prolaktin“ [PRL – laktotropes Hormon, Laktotropin – gebildet im Hypophysen-Vorderlappen/HVL ()] die (Neu-)Bildung von Myelin über die vermehrte Bildung von Oligodendrozyten () [sie zählen zu den Gliazellen und kommen nur im ZNS vor – ihre zellulären Fortsätze bilden Markscheiden aus Myelin ()] bewirkt.
Mit dieser Wirkung erklären die Forscher auch die Tatsache, dass während einer Schwangerschaft die MS remittiert.
Im Zusammenhang rund um das Myelin ist auch die folgende wissenschaftliche Erkenntnis einmal von Bedeutung und kann evtl. der Boden für neue Medikamente/Therapien sein …
Ein Weg zur „Neubildung von Myelin“?
Wie bekannt wurde, hat eine international zusammengesetzte Gruppe von rund 100 Forschern aus 24 Kliniken in Singapore, USA, Canada, Japan und Deutschland eine Entdeckung gemacht, die bei Wissenschaftlern, Firmen, Ärzten und MS-Patienten aus verschiedenen Gründen für Unruhe sorgen kann.
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