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Aus molekularen, pathologischen, immunologischen und bes. tier-experimentellen Studien resultieren (zitiert aus „Fortschritte in der Pathogeneseforschung der Multiplen Sklerose“ – R. Gold und W. Brück – Nervenheilkunde 7/2007) neue Erkenntnisse zur Pathogenese (= Entstehung/ Entwicklung von Krankheiten); diese Studien wurden ergänzt durch bildgebende Verfahren.
Es finden sich dabei individuelle Unterschiede im Überleben der Oligodendrozyten (= Zellen im Gehirn und Rückenmark, die Myelin bilden. Sie umwickeln die Axone. In den MS-Entzündungsherden kommt es u.a. zu einem Untergang Oligodendro-Gliazellen ()). Hieraus resultiert die Hypothese, dass verschiedene immunologische Effektor-Mechanismen zur Entmarkung führen und Markscheiden, Oligodendrozyten und deren Vorläuferzellen unterschiedlich betroffen sein können.
Auf eine knappe Formel gebracht:
Aufgrund einer Fehlsteuerung richtet sich das eigene Immun-System des Betroffenen gegen seine eigenen Strukturen, da es diese fälschlicherweise als fremd erkennt.
Es handelt sich somit um eine „Auto-Entzündliche-Immunerkrankung“.
Im Falle der MS wenden sich die körpereigenen Immun-Zellen gegen die Myelinscheide (= Markscheide = Schutzhülle unserer Nervenfasern = quasi die Schutz-Isolierung der Nerven).
MS ist eine chronische Erkrankung der weißen Substanz des ZNS [= Zentral -Nervensystem ()]. Es kommt zu entzündlichen Herden im Myelin. Mit der Folge, dass das Myelin abgebaut wird [= Demyelinisierung = Entmarkung].
Die Entzündung des Myelins verursacht den Austritt von Zellen des Immun-Systems und von Flüssigkeit aus dem Blut, wodurch es zu einer Einlagerung zwischen den Gewebe-Elementen kommt.
Dadurch kann es zu einer Zerstörung des Myelins kommen; dies hat zur Folge, dass die Informations-Signale vom ZNS und zum ZNS gestört bis irreparabel geschädigt ist. Dies führt dann zu den MS-typischen Symptomen und Defiziten bis zu bleibenden Ausfällen!
Im Vorgriff auf eine mögliche Therapie bzw. einen Therapieansatz:
Einzig im frühesten Stadium einer MS-Erkrankung (leider wird die MS bei 99,5% erst dann diagnostiziert, wenn diese bereits – und oft seit Jahren – manifest besteht!) kann unter optimalsten Bedingungen und in ganz geringem Umfang das Myelin wieder aufgebaut werden.
Daher – natürlich auch aus anderen Gründen – ist es so wichtig, dass die Diagnose „MS“ so früh als nur irgend möglich gestellt wird und dass dann schnellstens mit einer umfassenden und konsequenten und zielgerichteten Therapie begonnen werden kann/wird!
Wie schon eingangs beschrieben: die eigentliche = primäre Ursache für die MS ist bis heute nicht eindeutig und endgültig geklärt.
Als gesichert kann heute gelten:
Bei der Multiplen Sklerose [MS] (Encephalomyelitis Disseminata – ED)handelt es sich um eine Autoaggressions- oder Autoimmun-Krankheit () nicht aber – wie öfters zu lesen und zu hören! – weder um eine „erbliche“, noch um eine „ansteckende Krankheit“!
Dazu kommen dann aber – bei der einen MS-Kranken weniger, beim anderen MS-Kranken mehr – noch weitere exogene (= von außen einwirkende) und/oder endogene (= im eigenen Körper einwirkende) Faktoren hinzu; und für das Ausbrechen (= Manifestation) der MS sind dann noch auslösende Faktoren (s.unten) verantwortlich.
Mögliche Ursachen für die „MS“
I. Exogene Faktoren
a. Virus-Infekt
b. Geographische Faktoren
c. Klima/klimatische Bedingungen
d. Umweltschadstoffe usw.
II. Endogene Faktoren
a. Erbliche Disposition (Veranlagung)
b. Autoaggression
c. Immun-Defekte
d. Myelinstoffwechsel-Störung
+
III. Auslösende (Co-)Faktoren
a. Schwangerschaft und Wochenbett
b. Infekte und Infektionskrankheiten
c. Psychische Belastungssituationen
d. Unfälle, Schockzustände
Multiple Sklerose
Zuerst zu den endogenen Faktoren:
An oberster Stelle steht die Tatsache, dass es sich bei der MS um eine Autoaggressions- oder Autoimmun-Krankheit handelt [wie auch der Typ-1-Diabetes mellitus oder die Psoriasis, die cP = die primär chronische Polyarthritis – heute Rheumatoiden Arthritis (RA) u.a.m. ()].
Wenn man so will, also eine spezielle Form von „Immun-Fehlreaktion“ im Sinne von „Auto-Antikörper-Bildung“ ().
Das Immun(abwehr)system bei MS-Kranken kann dabei auf vielfache Weise geschädigt werden und sein –z.B. Viren, Bakterien usw. – und, dass dann letztlich diese Immun-Schieflage, diese Immun-Fehlregulation , dafür verantwortlich ist, dass die Balance zwischen auto-immunen Mechanismen und der Hemmung derselben gestört wird und ist.
Eine Möglichkeit ist dabei eine vermehrte Zahl „auto-reaktiver T-Zellen“ (), welche im Rahmen der Reifung des Immunsystems/IS () nicht eliminiert werden.
Die Gründe hierzu aber sind noch nicht gefunden.
Eine wesentliche Rolle scheinen aber die sogen. MHC-Moleküle () zu spielen.
Die MS – ich wiederhole – ist keine „Erbkrankheit“; wohl aber findet sich eine eindeutige „familiäre = erbliche Disposition“ (= Neigung, Veranlagung) zur MS.
Circa 10% [Schwankungsbreite zwischen 3 und 17% in der Fachliteratur] der MS-Kranken haben einen ebenfalls MS-kranken Verwandten; nach Prof. Dr. George Ebers (Manchester) ist das höchste Risiko einer Wieder-Erkrankung mit ca. 5% bei Geschwistern zu verzeichnen.
Einer Untersuchung von Prof. Dr. Dessa Sadovnik [Neurologe, Genetiker – University of British Columbia, Vancouver, Canada] zu Folge lassen sich bis zu 20% familiärer MS-Häufung finden mit eindeutig erhöhtem Vorkommen für Geschwister.
Neuere Untersuchungen – u.a. von F. Vogel (Charité, Berlin) und B. Hemmer (damals Uni Düsseldorf, jetzt TU München, Klinikum rechts der Isar) (publiziert in: Nervenheilkunde 10/2002) bestätigen zur Pathogenese der MS:
... „Entscheidend sind hier zwei Organsysteme involviert: das ZNS als das einzige vom Krankheitsprozess betroffene Organ und das Immunsystem, dessen Kompartimente das ZNS infiltrieren. Nach herrschender Meinung richtet sich die Immunantwort dabei gegen Proteine, die im ZNS vorkommen!“ ...
Kurzum bezeichnet mit/als: „MS-Autoimmunitäts-Modell“ .
Eine wesentliche Rolle scheint nach wissenschaftlichen Erkenntnissen dabei dem Chromosom 6 zuzukommen.
Dieses Chromosom ist der „Abschnitt im Erbgut des Menschen, der am häufigsten mit Krankheiten assoziiert ist“ wie der Molekularbiologe am britischen Sanger Center Stephan Beck in einem Fachartikel aus 2003 betont.
Die von diesem DNA-Abschnitt () „codierten Proteine“ spielen eine maßgebliche Rolle in und für unsere Immunabwehr!
Dabei sind verantwortlich die MHC-Gene [MHC (von engl. major histocompatibility complex) umfasst eine Gruppe von Genen bei Wirbeltieren, die Proteine codieren, welche für die Immunerkennung, die Gewebeverträglichkeit (Histokompatibilität) bei Transplantationen und die immunologische Individualität wichtig sind], zusammengefasst im MHC-Komplex als MHC-Moleküle (MHC ().
Kurz und knapp wenige Fakten zu und über MHC-Moleküle:
MHC-Moleküle befinden sich auf jeder kernhaltigen Zell-Oberfläche des Körpers und erkennen Antigene Klasse I: T-Helfer-Zellen, B-Zellen, Makrophagen. Andere Zellen haben zusätzlich die Klasse II. Zellen geben dem Immunsystem ständig Erkennungszeichen, um nicht vernichtet zu werden in Form der MHC-Moleküle. [MHC = Major Histocompatibility Complex (Hauptgewebe-Vertäglichkeits-Komplex)]
Beim Menschen werden sie als HLA-Moleküle (= Human Leucocyte Antigens) bezeichnet.
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