Wie im Stoffwechsel allgemein und generell, so ist auch hier zu unterscheiden zwischen dem primären und dem sekundären Hirn-Stoffwechsel .
Beim primären Hirn-Stoffwechsel handelt es sich um den Teil des Zell-Stoffwechsels, in dem Saccharide (Kohlenhydrate/Zucker), Lipide (Fette), Aminosäuren und ihre Derivate (= Abkömmlinge) umgesetzt werden.
Beim sekundären Hirn-Stoffwechsel handelt es sich um den Teil, in dem komplexe Verbindungen aus Aminosäuren (Proteine), Sacchariden (Glykogen), Lipiden (Steroidhormonen und Neurotransmitter/Biogene Amine) und Nucleinsäuren [DNA/DNS = Desoxyribonukleinsäure ()/RNA/RNS = Ribonukleinsäure ()] synthetisiert werden.
Um alle diese Funktionen und Prozesse bestmöglich leisten zu können, muss stets in ausreichender Menge als „Energielieferant“ Glucose zugeführt werden und vorhanden sein.
[Anmerkung:
das setzt wiederum voraus, dass einmal die Leber als wichtiges Speicherorgan (neben Muskelzellen) intakt ist und bei Bedarf Glucose ausgeschüttet werden kann und, dass zweitens stets ein ausreichendes ‚Zucker-Depot‘ (Glycogenspeicher in der Leber) vorhanden ist – das wiederum aber heißt, dass durch die Ernährung Kohlenhydrate in ausreichender Menge zugeführt werden – daher sind Hypoglycämien = Unterzuckerungszustände (z.B. beim Diabetes oder bei drastischen Diät-Maßnahmen bzw. in Hungerzeiten) so gefährlich für die Gehirnfunktionen; in gravierenden Fällen können sie zu irreversiblen Hirnschäden führen.
Nebenbei: in solchen Fällen kann unser Gehirn sich vorübergehend behelfen, indem es die anfallenden Ketonkörper (Aceton) (werden in der Leber gebildet) verwerten kann – im Stoffwechsel der Aminosäuren ist von besonderer Wichtigkeit die Glutaminsäure; sie ist unverzichtbar als Quelle für GABA (Gamma-Amino-Buttersäure = Neurotransmitter) und zur Bindung des für das Gehirn toxischen Ammoniaks].
Unverzichtbar ist weiterhin ein adäquates Vorhandensein des Spuren-Elementes Zink .
Nicht zuletzt:
Unser Gehirn hat einen hohen Sauerstoff-Bedarf/-Verbrauch.
Unter Ruhebedingungen macht das ca. 20% des gesamten Sauerstoff-Verbrauchs unseres Organismus aus!
Weiter:
Ca. 80% der gesamten Energiezufuhr ‚verbrauchen‘ die Nerven-Zellen im Gehirn!
Das ist die eine Seite der Medaille „Gehirnstoffwechsel“ und die andere:
Entzündungen – zumal chronische und zwar jedweder Ursache und somit also auch bei der MS! – wirken sich schädigend aus und zwar durch Beeinflussung des Stoffwechsels der Aminosäuren (insbesondere kommt es zu einem Mangel an Tryptophan, was wiederum zu einem Mangel an Serotonin und Melatonin führt!).
Ferner greift Rauchen (bzw. die Inhaltsstoffe im Tabak) schädigend in den Hirnstoffwechsel ein (u.a. kommt es zu Veränderungen der endogenen Opioiden und besonders zu einer Synthese-Blockierung von Dopamin; bes. in Mitleidenschaft gezogen werden dadurch die ‚Emotionen‘).
Aber auch andere Krankheiten bringen unseren Gehirnstoffwechsel in Schieflage.
Besonders psychische Krankheiten (Depressionen, Belastungs-Störungen, Angst- und Panik-Zustände, bipolare Störungen, Stress-/Distress-Reaktonen, Emotionale Fehlreaktionen): hier kommt es in jedem Falle zu einer Minderung der wichtigen Gehirn-Botenstoffe (Neurotransmitter, Biogene Amine).
Alkohol – hier: der übermäßige und chronische Konsum – hat ebenfalls entscheidende Veränderungen im Gehirn zur Folge: Geschädigt werden das sogen. ‚Belohnungssystem im Gehirn‘ (), dann die Region im vorderen Teil der Hirnrinde (dort ist das Zentrum zur Planung und Umsetzung für Gedankengänge und Handlungen); zudem wird die Merkfähigkeit beeinträchtigt.
Aber auch einige Arzneimittel(wirkstoffe) greifen schädigend in den Hirn-Stoffwechsel ein (u.a. Psychopharmaka, Analgetika, Antihypertensiva).
Bleiben noch:
MS und Gehirn-Areale bzw. Gehirn-Funktionen
Untersuchungen (seit 2005; u.a. in USA, Japan und Niederlande) mit Bild-gebenden Verfahren [bes. Kernspintomografie/MRT mit entsprechender T2-Wichtung und mit Kontrastmittel und bes. auch SPECT-Aufnahmen (= Single Photon Emission Computed Tomography = Einzelphotonen-Emissions-Computer-Tomografie ())] haben zum Ergebnis, dass das Hirnvolumen bei MS-Kranken einseits mehr oder minder abgenommen hat (und im Krankheitsverlauf weiter abnimmt) und parallel dazu auch die Hirngewebe-Dichte; insbesondere die sogen. „graue Substanz“ (substantia nigra) in den präfrontalen Großhirn-Bereichen beiderseits. Parallel dazu kommt es zu weiteren Störungen durch MS-Narbenbildungen.
Aber es ist bei Weitem nicht alleine die Minderung an Hirnsubstanz, von der MS-Kranke betroffen sind.
Dazu kommen – i.S.e. „additiven bzw. potenzierenden Effektes – die vielfältigen Fehlfunktionen in etlichen Gehirn-Arealen .
Was gleichbedeutend ist mit fehlerhafter Verarbeitung von Reizen, Sinnes-Eindrücken, Emotionen usw. Dabei eingedenk, dass das Gehirn die „alles entscheidende Steuer-Zentrale“ unseres Körpers ist!
Von elementarer Bedeutung sind dabei das Zwischenhirn (Diencephalon) und bes. auch das gesamte Limbische System [d.i. eine Funktionseinheit des Gehirns, die der Verarbeitung von Emotionen und der Entstehung von Trieb-Verhalten dient. Dem Limbischen System/LS werden auch intellektuelle Leistungen zugesprochen] und die Hypophyse [Hirnanhangdrüse].
Das Zwischenhirn besteht aus 4 Teilen:
a) Thalamus
[„Kammer bzw. Schlafgemach“ = der größte Teil des Diencephalon/Zwischenhirn
setzt sich aus zahlreichen Kerngebieten zusammen mit starker Verbindung zur Großhirnrinde (Cortex cerebri)]
er ist die ‚zentrale Schaltstation’ der sensorischen und motorischen Funktionen, sowie Zentrale des vegetativen Nervensystems
b) Hypothalamus
[„Kammer, Zimmer“ = das wichtigste Steuerzentrum des vegetativen/autonomen Nervensystems und zugleich das oberste Steuerungsorgan für die Hormone – selbst kleinste Störungen dieses Areals wirken sich auf die Lebensfähigkeit des Menschen gravierend aus]
wichtige Aufgaben sind: Aufrechterhaltung der Homöostase (), Circadiane Rhythmik (Bio-Rhythmus) und Schlaf, Steuerung des Sexualverhaltens, Entwicklung von Emotionen (Wut, Aggression, Apathie usw.), Regulation von Nahrungs- und Wasser-Aufnahme
c) Subthalamus und Epithalamus
und als Teil darin die wichtige Epiphyse (Zirbeldrüse)
[Zirbeldrüse = Produktionsort für das Hormon Melatonin = wichtig für den Schlaf-Wach-Rhythmus und andere ziel-abhängige Rhythmen des Körpers].
Dem Hypothalamus hängt die Hypophyse [Hirnanhangdrüse] an; beide bilden eine Funktionseinheit.
Die Hypophyse () (Hirnanhangdrpse) ist Bildungs-, Speicherungs- wie auch Steuerungsort für lebenswichtige Hormone [Oxytoxin, Vasopressin/Anti-Diuretisches Hormon, Melanozyten-Stimulierendes Hormon, Gonadotropine (Follikel-Stimulierendes Hormon, Luteinisierendes Hormon), Adrenocorticotropes Hormon/ACTH, Thyroidea-Stimulierendes Hormon/STH, Wachstums-Hormon/ Somatotropes Hormon, Prolaktin].
Die Hypophysen-Hormone regulieren vielfältige Körper-Funktionen, so u.a. den Schlaf, Funktion der Schilddrüse, den Wasser- und Elektrolythaushalt, Zucker- und Fettstoffwechsel usw. – gleichzeitig ist die Hypophyse Schaltstelle zu den anderen Gehirn-Zentren .
Das Limbische System () stellt eine Funktionseinheit des Gehirns dar zur Verarbeitung von Emotionen und auch von intellektuellen Leistungen [das LS wird gebildet von Anteilen der Großhirnrinde und subcorticalen Strukturen. Anatomisch gesehen besteht das LS aus:
a) Hippocampus [„gekrümmtes Pferd”]
(gelegen im Temporallappen/Lobus temporalis cerebri bds.) = zentrale Schalt-Station des gesamten LS! Hier fließen Informationen verschiedener sensorischer Systeme zusammen, die hier verarbeitet und zur Hirnrinde zurückgesandt werden = wichtig für das gesamte Gedächtnis;
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