„Per aspera ad astra“ wussten ja schon die alten Römer und so fand auch ich mich damit ab, dass mein Weg eben auch durch Schweiß zu den Sternen führen würde.
Ich suchte nach Präsentationsmöglichkeiten, prüfte Materialien, gestaltete Visitenkarten, fragte Druckereien an und entschied mich schließlich, meine Fotografien auf Keilrahmen gedruckt an die Wand und von dort direkt an den Mann beziehungsweise gerne auch an die Frau zu bringen. Nur noch ein paar Mal schlafen bis zur Vernissage und dann, endlich...
Ich stehe in einem grenzenlosen Chaos von Pappkartons und Luftpolsterfolie, während die letzten Sonnenstrahlen des Tages eine wunderbar entspannte Sommerabendatmosphäre kreieren und damit sowohl den Kulturfrühling als auch meine Ausstellung beenden.
Eigentlich könnte ich sehr zufrieden sein mit dem Verlauf der letzten vier Wochenenden. Immerhin konnte ich tatsächlich einige meiner Bilder unter die Leute bringen und damit das Spendenschwein ziemlich anfüttern.
Aber während ich da nun die Reste der großen Ausstellung in die Luftpolsterfolie wickelte und dann vorsichtig in die Pappkartons packte, durchzuckte mich plötzlich ein ernüchternder Gedanke: Einerseits hast du zu wenig verkauft, um die Materialkosten deiner Bilder zu decken, andererseits hast du zu viel verkauft, um die Ausstellung einfach so nochmal wiederholen zu können.
Und dann packten meine Synapsen den ganz großen Deprihammer aus: Wenn du einfach die Materialkosten gespendet hättest, hätten alle mehr davon gehabt.
Dieses Gegrübel über die Sinnlosigkeit meines Tuns hatte mich tatsächlich in den nächsten Tagen fest im Griff und wurde noch dramatisch verstärkt von einem Artikel mit dem Titel „Du und ein Ozean an Bildern“, der mir auf dem Blog QIMAGO entgegen flimmerte.
Roman Becker berichtet dort, dass alleine auf Instagram täglich rund 80 Millionen Bilder veröffentlicht werden. Das ist eine Acht mit sieben Nullen im Schlepptau. Das muss man sich mal vorstellen.
Und weil das eben schlecht geht, hilft uns Roman Becker mit einer einfachen Rechnung auf die Sprünge: Das sind 925 Bilder pro Sekunde.
Während sich also meine Blende öffnet und wieder schließt, werden im Schnitt schon 20 Konkurrenten für mein Bild auf die Öffentlichkeit losgelassen – und das allein auf einem einzigen Veröffentlichungskanal.
Welch naiver Irrglaube also, dass sich ausgerechnet meine Bilder so von den anderen abheben, dass sie der breiten Masse sofort auffallen und dass irgendjemand auf diesem Planeten auf den Gedanken kommt: „Genau dieses Bild will ich im Schlafzimmer haben. Wo hab ich denn noch schnell meinen Geldbeutel hingelegt?“
Höchste Zeit also, meinen großen Traum zu beerdigen und am besten gleich noch das Fotoequipment hinterher zu schmeißen.
Und jetzt?
Mach´s für dich
Irgendwie provozierend, wie mich diese blöde Kamera mit ihrem doofen Objektiv so aus dem Regal heraus anglotzt, aber da liegt sie nun mal. Und dass ich von ihr, oder eher von mir, so enttäuscht war, ließ sie anscheinend völlig kalt.
Noch immer übte sie die gleiche Faszination auf mich aus, wie ihre Uroma damals im Allgäu. So sehr ich mich auch anstrengte das dumme Ding zu ignorieren, es klappte einfach nicht.
Immer noch auf der Suche nach Verbesserung und der Chance mich gegen sekündlich 924 Konkurrenten durchzusetzen, besuchte ich also einen weiteren Fotoworkshop und kam dadurch mit der Art und Weise in Kontakt wie Markus Spingler an die Fotografie herangeht.
Da war nichts von der Jagd nach likes und hochgereckten Daumen zu spüren. Es war nicht einmal die Rede davon, die eigenen Fotos überhaupt jemandem zu zeigen.
Vielmehr lernte ich nun meine Kamera als eine Art Achtsamkeitshelferin kennen.
Der sowohl einleuchtende als auch verblüffend einfache Ansatz lautete, dass jemand, der sich mit einem Fotoapparat in der Hand auf Motivsuche begibt, dafür ein gewisses Maß an Konzentration aufbringen muss.
Nachdem hinlänglich bekannt ist, dass zumindest Männer es nicht schaffen, zwei Dinge gleichzeitig zu tun, außer vielleicht Ausruhen und Nichtstun, liegt es auf der Hand, dass der Motivsuchende also nicht gleichzeitig dem Ärger mit dem Chef oder der letzten versemmelten Mathearbeit der Kinder nachhängen kann. Selbst die angeblich so multitaskingerfahrenen Damen im Workshop haben diese Erkenntnis bestätigt.
Seitdem ist viel geschrieben und veröffentlicht worden über diese Art mit der Kamera umzugehen. Die einen nennen es „achtsame Fotografie“, die anderen bringen die Fotografie in die Nähe zur Meditation und wieder andere bedienen sich bei der Namenssuche beim Buddhismus und sprechen von der Zen-Fotografie.
Keine Frage, die Achtsamkeit boomt, und das aus gutem Grund. Die Grenzen unseres modernen Lebensstils treten immer deutlicher zutage und das Erfahrungswissen und in letzter Zeit auch verstärkt diverse Neurowissenschaftler machen uns Hoffnung, dass im achtsamen Umgang mit sich, seinen Mitmenschen und der Umwelt allgemein ein Schlüssel zur Lösung des Problems liegen könnte.
Offenbar haben wir „Westler“ da einen ziemlichen Dornröschenschlaf gehalten und müssen uns nun zur Nachhilfe im asiatischen Teil der Welt anmelden, wo solche Ideen schon länger gepflegt und kultiviert werden. Dabei gibt’s auch in unserem Kulturkreis durchaus schon sehr alte Achtsamkeitsanleitungen. Schon im Alten Testament im vierten Kapitel des Buches der Sprüche findet man den Ratschlag:
„Mehr als alles andere achte auf deine Gedanken, denn sie entscheiden über dein Leben.“
Und auch dass dabei ein Fotoapparat gute Dienste leisten kann, ist eigentlich bekannt. Schließlich geistert das Zitat von Henry Cartier-Bresson „Das eine Auge des Fotografen schaut weit geöffnet durch den Sucher, das andere, das geschlossene, blickt in die eigene Seele“ schon lange immer wieder durch diverse Publikationen.
Fotografieren einfach nur für mich, um abzuschalten, um Grübelkreisläufe wirksam zu unterbrechen, ohne den Druck heute besser zu sein als gestern und ohne die Frage, ob das was man tut irgendjemandem gefällt – da hätte man also wirklich auch selber drauf kommen können.
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