»Mir auch«, gesteht ihre Mutter.
»Sie haben sich auch gestritten und versöhnen sich wieder. Genauso wie wir beide«, stellt Paolo fest. Lara nickt zustimmend.
»Magie der Weihnacht«, grunzt Thomas.
»Die Magie der Weihnacht erlischt und die Menschen fangen an zu streiten, das ist es, was Kasimir vorausgesagt hat«, flüstert Lara. »Wir müssen ganz dringend etwas dagegen unternehmen.«
»Die Frage ist nur, was wir ohne Kraftgegenstände tun können«, sagt Paolo.
Plötzlich bemerken ihre Eltern die Kinder, die vor der Küche stehen.
»Hallo ihr beiden«, begrüßt sie ihre Mutter verschämt. »Ich geh mal die Zeitung holen.«
»Was ist denn passiert? Warum habt ihr euch gestritten?«, erkundigt sich Paolo vorsichtig.
»Der neue Schraubendreher und das Besteck sind wieder verschwunden. Vielleicht sind das ja die Pauwdies von den Nachbarn«, spekuliert ihr Vater.
»Wenn bei uns keine Pauwdies sind, dann bei den Nachbarn auch nicht«, erklärt Paolo seinem Vater.
»Es stimmt, was Paolo sagt. Lest selbst!«, wirft ihre Mutter ein, die in diesem Moment zurückkommt und allen das Titelblatt der Zeitung vorliest.
Schneechaos und zugefrorene Spiegel in der ganzen Stadt führen zu Streit und Zwietracht!
Wie Paolo und Lara schon vermutet haben, hat das Schneechaos noch einmal zugelegt. Aber das Erstaunliche ist, dass sich das Wetterphänomen nur auf ihre Stadt zu begrenzen scheint. Hinter den Stadtgrenzen, den umliegenden Feldern, den Hügeln und hinter dem Wald ist die Welt scheinbar noch in Ordnung. Die Nachbarstädte sind bis jetzt von dem Wetterspektakel verschont geblieben. Dass viele Spiegel in der Stadt zugefroren sind, ist noch ein viel größeres Rätsel, welches sich die Medien nicht erklären können. Die Menschen streiten sich in den Supermärkten um die Lebensmittel und im Rathaus hat es sogar eine kleine Schlägerei gegeben.
»Die Liebe scheint aus den Herzen der Menschen zu verschwinden«, sagt Mutter Maring nachdenklich.
»Allerdings wird mit keinem einzigen Wort in den Nachrichten erwähnt, dass jemand sein Werkzeug oder das Besteck vermisst«, fügt der Vater hinzu und geht in der Küche auf und ab. »Vielleicht ist da ja doch etwas dran an der Story von diesem Kasimir. Was haltet ihr davon, wenn ich jedem von Euch zwei Kraftgegenstände wiedergebe? Mit Ausnahme der magischen Feder und des Adventskalenders. Ich weiß wie mächtig die beiden Dinger sind und ich will immer noch nicht, dass ihr die Erde ohne uns verlasst. Das hört sich so seltsam an«, sagt ihr Vater und kratzt sich am Kopf. »Ihr findet heraus, wo das Werkzeug ist und das Besteck, warum sich die Leute streiten und was es mit dem Wetterchaos auf sich hat. Danach gebt ihr sie wieder zurück. Einverstanden?«
»Wir müssen ganz schön viel herausfinden. Trotzdem ist das ein guter Deal«, lächelt Paolo.
»Ich bin auch einverstanden«, freut sich Lara.
»Gut«, grunzt Thomas.
»Wurde ja auch endlich Zeit«, bemerkt Lanzelot.
Ihr Vater verschwindet im Keller und kommt mit einem Beutel voller Kraftgegenstände zurück in die Küche. Dort kippt er den Inhalt auf den Küchentisch.
Paolo nimmt sich das Schutzamulett und seine geliebte Luminova-Aufspürbrille. Lara legt sich ihre Lavahalskette um den Hals, legt die Übersetzerohrringe wieder an und nimmt auch das halbfertige Unsichtbarkeitswasser an sich.
Eine halbe Stunde später sitzen Lara und Paolo auf der Matratze und schmieden Pläne.
»Immerhin haben wir jetzt unsere Kraftgegenstände zurück, das ist doch ein guter Anfang«, meint Paolo.
»Womit starten wir?«
»Wie wäre es, wenn wir uns erst einmal um das Besteck kümmern?«
»Einverstanden.«
»Dabei wird uns das hier sicher helfen«, lächelt Lara und zeigt Paolo das Fläschchen mit dem halbfertigen Unsichtbarkeitswasser. »Es ist bestimmt sicherer, wenn wir uns unsichtbar auf die Lauer legen. Man kann ja nie wissen.«
Nach der Schule stimmen Lara und Paolo die Einzelheiten ab, um herauszufinden, wo sich das Besteck befindet. Ihr Plan ist denkbar einfach und erinnert Paolo an vergangene Weihnachten. Sie wollen sich einfach in der kommenden Nacht in der Küche auf die Lauer legen und beobachten, was dort vor sich geht.
4. Kapitel - fliegendes Besteck
Mitten in der Nacht liegen vier, bis zur Hälfte unsichtbare Gestalten unter dem Küchentisch. Aufgrund der Nebenwirkungen des halbfertigen Unsichtbarkeitswassers ist Lanzelot nicht vollständig unsichtbar geworden. Seine Hasenläufe sind leider noch zu sehen. Bei Thomas sind die Augen sichtbar geblieben. Bei Paolo die Hände und bei Lara sieht man noch die Haare. Wenn die vier hintereinander herlaufen, sehen sie zusammen wie eine echte Gruselgestalt aus.
»Ich halte zuerst Wache«, sagt Lanzelot.
Paolo schaut auf die Hasenläufe.
»Ich weiß nicht. Du schläfst doch immer ein.«
»Ich schlafe nicht ein. Niemals!«, beschwert sich Lanzelot.
»Gib ihm eine Chance«, bittet Lara ihren Bruder.
»Na gut, einverstanden«, stimmt Paolo brummig zu. Sie haben sich noch ein paar Decken geholt, damit es unter dem Küchentisch einigermaßen bequem ist.
»Um Mitternacht weckst du mich auf jeden Fall auf. Ich übernehme die zweite Schicht«, erklärt Paolo dem Hasen.
»Warum du?«
»Wieso denn nicht?«
»Keine Ahnung.«
»Tu einfach, was Paolo sagt«, mischt sich die fast unsichtbare Lara in die Diskussion ein und ihre Haare wippen dabei lustig auf und ab.
»Nur wenn du es mir befiehlst«, sagt Lanzelot aufmüpfig.
»Also gut. Das ist ein Befehl!«, kichert Lara.
»Okay Paolo, ich wecke dich um Mitternacht auf. Moment, wie weiß ich denn, wann Mitternacht ist?«, fragt Lanzelot und kratzt sich zwischen den Ohren, was natürlich keiner sehen kann.
»Siehst du die Küchenuhr da oben?«
»Klar, sehe ich die. Ah, gut, ich habe verstanden. Kann also losgehen. Sobald die Diebe auftauchen, schlage ich Alarm!«
»Nein, du sollst uns einfach nur leise aufwecken und keinen Alarm schlagen«, erklärt ihm Paolo eindringlich. Er hat ihm schon zum gefühlt hundertsten Mal erklärt, wie das Ganze ablaufen soll, aber Lanzelot will es einfach nicht verstehen.
»Habs kapiert. Wenn das Besteck sich vom Acker machen will, dann kracht es gewaltig«, sagt Lanzelot. Paolo verdreht die Augen. Er ist sich absolut sicher, dass der kleine Hase überhaupt nicht verstanden hat, worum es eigentlich geht. Tatsächlich rechnet er damit, dass Lanzelot mitten in der Nacht das ganze Haus zusammentrommeln wird. Mit einem komischen Gefühl im Magen legt sich Paolo aufs Ohr.
Paolo kann eine ganze Weile nicht einschlafen. Zu viele Gedanken spuken in seinem Kopf herum. Gibt es tatsächlich Besteckdiebe? Und werden sie heute Nacht wieder kommen, um das Besteck zu stehlen? Alles ist fast genauso wie vor einem Jahr, nur dass es dieses Mal wahrscheinlich keine Pauwdiejagd ist, sondern sich hundertmal gefährlicher anfühlt. Die Luminova-Aufspürbrille liegt griffbereit neben ihm und er hat sich vorgenommen, Lanzelot nicht aus den Augen zu lassen. Er traut dem Hasen nicht. Lanzelot wollte schon auf Ganesha immer Wache halten und ist jedes Mal eingeschlafen. Paolo will durchhalten aber schließlich, eine Stunde vor Mitternacht fallen ihm dann doch die Augen zu.
Ein Geräusch lässt Paolo aufschrecken. Es ist Lanzelot, aber er schlägt keinen Alarm, sondern schnarcht wie ein kleines Murmeltier.
»Oh nein, ich habe es gewusst«, wettert Paolo in Gedanken mit sich selbst. Er stupst in Richtung des Geräuschs und Lanzelot verstummt. Der Hase rollt sich auf die Seite und schläft mit schweren Atemgeräuschen einfach weiter.
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