Luke hackte ganze Kubikmeter von Holz, schraubte eine neue Steckdose in die Wand, strich den Zaun im hinteren Garten, der riesig und üppig bepflanzt war – komplett mit einem Bächlein und einer winzigen Brücke darüber, einem Pavillon in der Mitte und einem Badesee, an dem man gemütlich sitzen konnte - und verfugte den selbstgemauerten Grill, auf dem man eine ganze Kuh hätte braten können. Auf seine Frage hin versicherte sie ihm: „Natürlich bist du beim nächsten Barbecue mit dabei! Es könnte ohne dich quasi gar nicht stattfinden.“ Offensichtlich hatte Samira gerne Gäste. Vielleicht veranstaltete sie jedes Jahr eine Orgie mit den vielen Ex-Knackis, die sie in ihrem Bett „rehabilitiert“ hatte? Ein winziger Stich der Eifersucht fuhr ihm durchs Herz und er beruhigte sich selbst damit, dass sie ihm gestern im Bett gesagt hatte, er wäre der Beste, den sie je gehabt hatte.
Samira servierte ihm heute Morgen Rührei mit gebuttertem Toast, Schinken und Würstchen. Der Kaffee war etwas bitter, aber er beklagte sich nicht.
Dann nahm er eine lange Dusche und legte sich wieder ins Bett. Nur für fünf Minuten, dachte er, denn das viele Essen hatte ihn wieder sehr ermüdet. Nach dem Gefängnisfraß erschien ihm der Aufenthalt hier wie das Paradies: Leckeres Essen, mehr als reichlich, eine leckere Frau mit einem sehr gesunden Sexhunger, auch mehr als reichlich, ein bequemes Bett, saubere Kleidung, denn Samira hatte ihm inzwischen ein paar Sachen besorgt, und dann noch die Aussicht auf ein besseres Leben, eine Ausbildung. Vielleicht eines Tages ein Heim mit einer guten Frau, nicht Samira natürlich, die war eine Schlampe, aber vielleicht eine liebe kleine Frau und zwei oder drei Kinder … die Vergangenheit hinter sich lassen und ganz normal leben. War das denn zu viel verlangt?
Er träumte von der Frau, dem Häuschen im Grünen oder einem hübschen Apartment in der Stadt und glitt wieder zurück in einen tiefen, erholsamen Schlaf.
4
Samira öffnete vorsichtig die Tür, als sie ihn schnarchen hörte. Sie trat an sein Bett, oder vielmehr ihr Bett, das sie mit ihm teilen musste, bis er … bis er woanders ruhte, in kühleren Gefilden sozusagen und nicht unbedingt in einem Stück. Sie starrte auf ihn hinunter. Ihr Lächeln war verschwunden.
Sie hielt einen Block in den Händen. Mit einem Stift notierte sie, was er heute gegessen hatte und berechnete mithilfe eines kleinen Taschenrechners, wie lange es wohl dauern würde, bis sie die Menge verdoppeln konnte. Und wie lange er brauchen würde, um zehn Kilo zuzunehmen.
Sie lächelte zufrieden. Drei Monate höchstens. Sie durfte ihn nicht zu sehr schuften lassen. Das Internet-Forum der anderen Verabscheuten lief nur so über von Tipps und Tricks, wie man die Beute dazu brachte, schnell und viel zuzunehmen. Aber Samira wollte nicht, dass Luke mehr als zehn Kilo zunahm. Das Fleisch wurde sonst einfach zu fett. Die Erhabenen fanden das allerdings toll. Aber die waren ja sowieso nicht ganz dicht.
Muskelab- und Fettaufbau, das war das Ziel. Morgens hatte er doch tatsächlich Situps und Liegestütze im Garten gemacht. Daraufhin hatte Samira ihm noch eine Extradosis Bralocolin in seinen Kaffee getan. Jetzt schlief er wieder, und sobald er wach war, würde sie ihn mit Bier abfüllen. Das würde ihn träge und willfährig machen. Und dann gab es Kaffee und Kuchen, wieder ein Nickerchen, dann vielleicht ein Fickerchen, und dann Abendessen. Sie würde ihn auch im Bett nicht überbeanspruchen dürfen, Sex verbrannte nur unnütz Kalorien, aber jetzt war er noch knackig und begehrenswert. Das würde sich sehr schnell ändern.
Sie zog Luke vorsichtig die Decke weg und bestimmte den Anteil seines Körperfetts mit einem Messgerät, das sie im Internet bestellt hatte. Sie krauste die Stirn; trotz seines hohen Körpergewichts von einhundertunddrei Kilo war nur ein Bruchteil davon Fett. Die vielen Muskeln. Er musste noch mehr schlafen, mehr essen, weniger körperlich arbeiten und noch weniger rammeln. Verdammt schade.
Wenn die drei Monate mal hinkamen … Samira würde im Forum nachfragen. Dort standen einem auch Ärzte mit Rat und Tat zur Seite. Sie bedauerte, dass Mrs. Moerfield nicht mehr lebte. Die hatte Tricks draufgehabt, es war unglaublich, regelrecht rekordverdächtig, wie schnell sie ihre Beute immer gemästet hatte. Aber sie hatte sich auch nur selten dazu herabgelassen, den Verabscheuten Tipps zu geben. Und die im Forum hatten bei Samira auch zwiespältige Gefühle, denn keiner von denen würde mit der Beute ins Bett gehen. Das tat man einfach nicht, und wenn die Verabscheuten auch nur deswegen verabscheut wurden, weil sie Sex hatten, so hatten auch die ihre Moralvorstellungen. Niemand würde je mit einem Außenseiter schlafen, schon gar nicht, wenn dieser eines Tages auf dem Teller lag, umgeben von Kartöffelchen und gedämpftem Gemüse.
Samira hielt das für Blödsinn. Es war doch praktisch. Der Sex strengte zwar an und verbrannte Körperfett, aber er hielt die Burschen auch fest, denn jeder wollte auf diese Weise mindestens zwei Tage bleiben. Und die reichten, um ihnen das Bralocolin zu verabreichen, und damit im Blut ging keiner mehr fort. Und wenn die Jungs zu fett wurden oder einen langweilten, landeten sie eben im Gefrierschrank. Was war schon dabei? Der Lebensspender wurde ja ohnehin abgetrennt und konnte das Fleisch nicht mehr „besudeln“.
Außerdem gab einem nichts auf der Welt ein größeres Gefühl von Macht. Die Erhabenen setzten auf Folter, aber für Samira gab es nichts Machtvolleres, als jemanden zu verraten, der einem vertraute. Oder zumindest jemanden, den man vorher im Bett hatte, zu töten. Es machte den Sex berauschend zu wissen, dass der Bursche bald sterben würde.
5
Luke blinzelte träge zur Sonne herauf. Er lag in eine Decke gewickelt auf der Veranda in einem der Liegestühle. Auf dem Tischchen neben ihm standen eine Schale mit Schokoladenkeksen und mehrere Flaschen Bier.
Er knabberte kraftlos an einem Keks und trank etwas Bier. Zwar war ihm nicht danach, aber Samira runzelte immer so empört die Stirn, wenn er nichts aß. „Ich verwöhne dich so gern, Luke“, pflegte sie zu sagen, „ich weiß doch, was für einen fürchterlichen Schweinefraß ihr im Gefängnis immer bekommt.“ Und da hatte sie verdammt recht. Er genoss das Essen, den Sex, aber auch die Umgebung. Platz. Endlich einmal genug Platz haben, denn im Gefängnis hatte man die Gefangenen schon beinahe stapeln müssen, da es doppelt so stark belegt war wie ursprünglich vorgesehen. Hier konnte er durch den großen Garten wandern oder auf der Veranda sitzen. Ab und zu bat ihn Samira um Hilfe bei kleineren Aufgaben, aber nicht oft. Leider bat sie ihn auch nicht mehr so oft um Sex wie am Anfang. Die ersten beiden Wochen waren der reinste Pornomarathon gewesen, aber jetzt kam er sich eher vor wie ein verhätschelter Schoßhund. Vielleicht lag es an den sieben Kilo, die er schon zugenommen hatte. Und das in kaum drei Monaten. Es war eine Schande. Einen richtigen Bierbauch hatte er, der Rest wurde durch die mangelnde Bewegung auch schon langsam schlaff. Und er war immer so verdammt müde und hatte grausames Kopfweh. Der Sex hatte ihn mehr und mehr angestrengt, und immer öfter hatte sie oben liegen wollen, wohl, weil er zu schwer wurde. Oder, weil der Anblick seiner schaukelnden Speckwülste ihr zu viel war.
Auch jetzt wünschte er sich nur noch, zu schlafen. Danach war schon wieder Zeit fürs Abendessen. Er machte die Augen zu und war auch schon weggetreten. Aber er döste nur und kämpfte noch gegen den Tiefschlaf.
Da nahm er hinter seinen gesenkten Augenlidern Bewegung wahr. Samira betrat die Veranda. Ihr silbernes Armband klirrte leise, als sie sich näher schlich und eine Tablette in sein offenes Bier fallen ließ.
Luke war beinahe wieder hellwach. Er sah, wie sie ihm einen prüfenden Blick zuwarf, sich einen Stuhl heranzog und sich neben ihn setzte. Sie nahm sich ein Bier, aber die noch verschlossene Flasche, öffnete sie und trank.
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