1 ...7 8 9 11 12 13 ...21 Unser Gastgeber könnte auch zu sich selbst sagen:
»Das ist deine letzte Party bei mir, Frau Gräfin. Diese Unterschrift ist auch dein Todesurteil.«
Indem Personen entgegenkommende oder unfreundliche Gedanken mitteilen, charakterisieren Sie Ihre Figuren für den Leser.
Meister-Technik 6: Erkennungszeichen der Sprache
Eine passable Technik, Figuren unterscheidbar und merkbar zu machen, besteht darin, Personen typische Redensweisen zu geben und sie so gegeneinander deutlich abzugrenzen. Die besten Mittel zur Unterscheidung der Figuren durch Sprache sind verschiedene Ausdrucksweisen und sprachliche Erkennungszeichen und Redesignale, die der Leser ganz leicht erkennen kann. Hier ein paar Beispiele für diese Technik:
Wortgewandtheit, Sprachgewalt (Wortschatz), typische Redensarten (»Wenn ich mich nicht irre«, sagt Sam Hawkins in Winnetou ständig.), knappe Formulierungen (kurz angebunden sein), ausschweifende Erklärungen, Grammatikfehler (falsche Artikel), Akzent, Vermischung von Sprachen (»Eine blendende Idee, my love!«, spöttische Äußerungen (»Die spinnen, die Römer!« - Asterix und Obelix), Wörter auslassen, schlampige Aussprache, Fremdwörter verwenden (richtig und falsch), Fachjargon verwenden (hier ist Vorsicht geboten, denn der Fachjargon wirkt schnell aufgeblasen − eher vermeiden).
Achten Sie aber darauf, dass die gewählte Sprache zu Ihrer Figur passt. Ein Automechaniker wird kaum in ausschweifenden hochtrabenden Formulierungen sprechen, in denen es vor Fremdwörtern nur so wimmelt. Eine derartige Sprache ordnet der Leser eher einem Professor zu, es sei denn, Ihr Mechaniker macht nebenbei ein Studium, weil er sich beruflich umorientiert.
Sie könnten eine Figur dadurch sprachlich charakterisieren, dass Sie einen Helden erschaffen, der in jedem zweiten Satz ›oder nicht‹ und ›wissen Sie‹ sagt. Ihr Held könnte laut oder leise sprechen, mit Akzent, immer ein und dasselbe Wort falsch aussprechen, permanent falsche Artikel verwenden, stottern, einen Dialekt sprechen oder Fremdwörter grundsätzlich falsch einsetzen. Ärzte sprechen anders als Landstreicher, Jugendliche aus der Gosse anders als Jugendliche aus gebildeten Häusern. Es gibt Mundartworte, landschaftlich und zeitlich gebundene Spracheigentümlichkeiten, eine Vulgärsprache, Mischsprachen, Slang, Bildungssprache etc. Auch Modewörter existieren. Ein Mensch kann ständig Hochdeutsch sprechen oder Zitate einbauen. Die Möglichkeiten sind schier unendlich. Hören Sie den Menschen genau ›auf den Mund‹ und Sie werden eine Vielzahl an Möglichkeiten entdecken, um Ihre Figuren durch sprachliche Erkennungszeichen zu charakterisieren.
Denken Sie nur daran, wie spannend es sein kann, wenn ein Agent von einem Stotterer die entscheidende Information erhält, die Uhr tickt, der Stotternde aber kein Wort herausbringt. Gauner verwenden eine eigene Sprache, Soldaten, ebenso Rechtsanwälte oder Poeten.
Sprache prägt eine Person sehr deutlich, schnell und unverwechselbar. Verwenden Sie viel Zeit für die sprachliche Gestaltung Ihrer Figuren, denn in einem Roman kommt gerade in der szenischen Darstellung dem Dialog eine bedeutende Rolle zu. Auch dazu später alle Details.
Ein abschließendes Beispiel, dieselbe Feststellung zweier völlig unterschiedlicher Personen:
»Lady Holmesby, würden Sie die Annahme mit mir teilen, das Bild, welches sich uns hier bietet, lässt nur einen Schluss zu – nämlich Mord?«
»Verdammte Scheiße, Nancy. Die haben den Typen umgenietet, was?«
Meister-Technik 7: Mimik, Gestik, Bewegungen
Typische Bewegungen, ständige Gestiken und immer wiederkehrende Gesichtsausdrücke (Mimik) sind eine fabelhafte Möglichkeit, Figuren zu charakterisieren.
Ihre Figur kann fies grinsen, ständig überrascht eine Augenbraue hochziehen, sich nachdenklich die Nase reiben, die Augen misstrauisch zusammenkneifen oder ununterbrochen sich die Haare hinter das linke Ohr streifen.
Die Kunst heißt: Beobachten.
Analysieren Sie andere Menschen, deren Bewegungen und Gesichtsausdrücke. Lernen Sie daraus, merken Sie sich Besonderheiten in der Gestik und verwenden Sie diese Charakteristika. Sie können diese sogar übertreiben, um sie deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Wie geht eine Person? Dreht sich ein Mann ständig nach Frauen um? Kaut jemand die ganze Zeit auf einem Kaugummi herum? Eine Person, die morgens aufsteht und als Erstes mit akribischer Sorgfalt und weißen Handschuhen den Tresor öffnet, um nachzusehen, ob noch alle Goldbarren vorhanden sind, ist sofort charakterisiert. Ebenso eine Figur, die ununterbrochen auf die Uhr blickt und dann ihre Arbeit an der Wall Street beginnt. Beobachten Sie einen Solisten, der das Trompetenkonzert von Haydn spielt, einen Sprinter, wie er sich auf die 100 Meter vorbereitet, einen Redner, wie er seine Worte mit Gesten und Mimik untermauert. Beobachten Sie, lesen Sie die Körpersprache von Menschen.
Insider-Tipp: Kaufen Sie sich fundierte Bücher über die Körpersprache, das ist eine wirklich gute Hilfe für Schriftsteller, um ein Gefühl für Bewegungen und deren Inhalte zu bekommen. Bringen Sie in Erfahrung, welche Gefühle hinter den einzelnen Reaktionen stehen. Der Körper kann nicht lügen, Worte schon! Wie äußert es sich, wenn jemand angestrengt nachdenkt, sich ärgert, kurz vor dem Explodieren steht oder überrascht ist?
Wir Menschen verwenden nicht nur Sprache, sondern sprechen auch mit dem Körper. Passen Worte und Haltung einer Person zusammen? Stehen einer Figur Schweißperlen auf der Stirn, wenn sie spricht? Fühlt sie sich unwohl? Wird sie gezwungen, Worte zu sagen, die nicht ihre wahren sind? Hat jemand, während er etwas sagt, einen roten Kopf? Jemand der zornig schreit, wird nicht mit schlapp herabhängenden Armen dastehen. Die Augen verraten eine Menge über eine Person. Wirken sie gehetzt, starr, ängstlich um sich blickend? Bestimmte Zeichen und Körperhaltungen können Signale oder vereinbarte Mitteilungen sein. Wie gibt Ihnen jemand die Hand? Ein kräftiger Händedruck sagt etwas anderes über eine Person aus als ein weicher, schlaffer Druck. Überlegen Sie, ob Sie Ihren Figuren einzigartige Bewegungen geben möchten, um sie unterscheidbarer zu machen. Eine einzige mimische Eigenheit genügt hier, und schon haben Sie einen eigenständigen Charakter ein gutes Stück herausgearbeitet. Ihre Figur ist wieder um eine Facette reicher und individueller geworden.
Eines der berühmtesten Beispiele der Filmgeschichte:
»Faszinierend‹« sagte Mr Spock und zog seine rechte Augenbraue hoch.
Meister-Technik 8: PANEV
Persönliche Angewohnheiten, Neigungen, Eigenheiten und Vorlieben
Darunter verstehen wir nicht die Art, sich zu kleiden, zu sprechen oder individuelle Bewegungen. Unter die ›PANEV‹ fallen Eigenheiten wie:
Ein Bombenspezialist raucht nur die schwarzen John Player Special.
Der Held bevorzugt asiatische Frauen.
Reist der Held per Flugzeug, kommt nur ein Platz gleich neben dem Notausstieg infrage.
Ihre Hauptfigur züchtet Orchideen.
Der Held kommt immer exakt um fünf Minuten zu spät.
Ihr Held trinkt nur Martini – geschüttelt, nicht gerührt.
Ohne die tägliche Fitnessstunde am Morgen, exakt von sieben bis acht Uhr, verlässt der Held das Haus nicht.
Ihr Held liebt es, Spinnen die Beine einzeln auszureißen.
Die Hauptfigur züchtet im Keller Giftschlangen.
Um seinem Frust Luft zu machen, streift der Held jeden Tag vor dem Zubettgehen durch die Straßen und schlitzt bei mindestens vier Autos die Reifen auf. Nur dann kann er beruhigt einschlafen.
Die Kategorie ›PANEV‹ bietet Ihnen endlose Möglichkeiten, eine Figur zu charakterisieren. Brechen Sie jedes Tabu! Haben Sie keine Hemmung davor, sich Abscheulichkeiten, die abstrusesten Abnormitäten und die kreativsten Eigenheiten auszudenken. Es gibt Dinge unter der Sonne, von denen Sie nicht einmal zu träumen wagen! Mal sehen, ob ich Sie schocken, Ihnen ein ›Igitt!‹ entlocken kann: Denken Sie nur an die Mörder, die ihre Opfer umbringen und dann die Eingeweide komplett verspeisen. Natürlich das Gehirn in feine Scheiben geschnitten und geröstet. Geht Ihnen Anthony Hopkins da unter die Haut?
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