Nina Hutzfeldt
Wellen der Vergangenheit
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Inhaltsverzeichnis
Titel Nina Hutzfeldt Wellen der Vergangenheit Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog Prolog Leevste Clara, Norddorf auf Amrum, Juli 2012 ik weet nich, wo ik düssen Breef anfangen schall. Ik weet nich mal warüm ik em eegentlich schrieven do? Villicht is dat mien schlechtet Geweeten, denn wat ik di andan heff, kann nüms verstahn. Siet den Dag as ik di to´n letzten Mal sehen heff, is schon ewig lang her. Menningmal sitt ik to huus an´t Fenster un stier up de See rut. De Wellen vertellen mi Geschichten vun damals, spölen Geheemnisse un Erinnerungen an den Strand. Mien Erinnerungen hauen mi üm un ik fang in mien Kopp an na goode Doug to söken, as wi Sandborgen an den Strand but, mit Vadder angelt un mit Mudder sungen hebbt. Wat weern dat doch för schöne Daag. Nu sitt ik hier un schriev di düssen Breef. Dat is een Breef vull vun Reue. Ik heff nich mehr veel Tied, denn ik warr bald starven. Allens wat ik will is, dat ik mien Freeden finden do. Ik bruunk em so, denn de Tied is knapp worrn. De gröttste Feind vun de Menschen is de Tied. Se kleddert över all Hindernisse un löppt di achteran as een Schatten. Du kannst di nich vör ehr versteeken, denn se find di un lunert bloots darup di mit sick to trecken. Ik bün bang, bang darvör in de Hölle to kamen un, dat du mi nich vergeeven kannst. Darüm bitt ik di mi to vergeeven, dat ik in Roh starven kann. Dien Süster Ingrid
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Epilog
Impressum neobooks
Leevste Clara, Norddorf auf Amrum, Juli 2012
ik weet nich, wo ik düssen Breef anfangen schall. Ik weet nich mal warüm ik em eegentlich schrieven do? Villicht is dat mien schlechtet Geweeten, denn wat ik di andan heff, kann nüms verstahn. Siet den Dag as ik di to´n letzten Mal sehen heff, is schon ewig lang her. Menningmal sitt ik to huus an´t Fenster un stier up de See rut. De Wellen vertellen mi Geschichten vun damals, spölen Geheemnisse un Erinnerungen an den Strand. Mien Erinnerungen hauen mi üm un ik fang in mien Kopp an na goode Doug to söken, as wi Sandborgen an den Strand but, mit Vadder angelt un mit Mudder sungen hebbt. Wat weern dat doch för schöne Daag. Nu sitt ik hier un schriev di düssen Breef. Dat is een Breef vull vun Reue. Ik heff nich mehr veel Tied, denn ik warr bald starven. Allens wat ik will is, dat ik mien Freeden finden do. Ik bruunk em so, denn de Tied is knapp worrn. De gröttste Feind vun de Menschen is de Tied. Se kleddert över all Hindernisse un löppt di achteran as een Schatten. Du kannst di nich vör ehr versteeken, denn se find di un lunert bloots darup di mit sick to trecken. Ik bün bang, bang darvör in de Hölle to kamen un, dat du mi nich vergeeven kannst. Darüm bitt ik di mi to vergeeven, dat ik in Roh starven kann.
Dien Süster Ingrid
Als Nehle die Tür öffnete, trat ihr ein muffiger Geruch in die Nase. Als würden im Haus alte, nicht gewaschene Kleidungsstücke liegen. Sie rümpfte ihre Nase und blickte sich um. Alles war so geblieben, wie es die Vorbesitzer hinterlassen hatten. Eine dicke Staubschicht hatte sich auf der schokoladenbraunen Kommode in der Diele gebildet. Nehle strich mit ihren Finger darüber und pustete die Körner von ihrer Hand. Sie glitten tanzend, in dem grellen Sonnenlicht, zu Boden.
»Und wie gefällt es Ihnen?« Uwe Block, der Makler, schlenderte gemächlich hinter dem jungen Mädchen her. Er musterte sie auf eine Art, wie man junge Frauen in Diskotheken anschaute. Ihre langen, pechschwarzen Haare, die ozeanblauen Augen und die kindlichen Pausbäckchen. Einfach perfekt, dachte er und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Wo ist die Küche?« Nehle befand sich im Wohnzimmer und lugte durch die verdreckten Fenster hinaus. »Die Küche befindet sich im Untergeschoss.« Er tupfte sich mit einem Stofftaschentuch die Schweißperlen von der Stirn.
Der Sommer hatte sich lange zurückgehalten und war erst im August ausgebrochen, so dass sich noch viele spontane Besucher auf die kleine Urlaubsinsel Amrum angekündigt hatten.
Nehle gehörte zu dem kleinen Polizeirevier in Nebel. In dem sie zusammen mit ihrem langjährigen Kumpel Timo, Polizeimeister Constantin Sauer und Helmut ein pensionierter Beamter, der sich mit dem Rentendasein noch nicht angefreundet hatte, arbeitete. Auf der Insel gab es nicht viel zu tun. Mehrere kleine Delikte, wie gestohlene Handtücher am Strand, klauen in den Supermärkten oder Streitereien zwischen Touristengruppen, machten den Alltag lebenswert. Deshalb hatte der Funkspruch von Constantin, der von allen nur Conni genannt wurde, das Interesse von Timo und Nehle geweckt. Timo, der lässig seinen Arm aus dem offenen Fenster hielt, setzte seine Sonnenbrille auf.
Vorhin hatten sie noch die Touristen am Hafen beobachtet, die mit einem weinenden Auge die Insel verließen um zurück aufs Festland zu fahren. Dort würden sie ihre Autos auf dem großen Parkplatz aufsuchen und den Heimweg antreten. Der gewohnte Alltag würde von vorne beginnen.
Die Fähre verließ den Anleger, war irgendwann nur noch ein schwarzer Punkt am Horizont, bis die Nordsee das Schiff verschluckte. Diese Tage taten Nehle besonders weh, denn auf diese Weise hatte sie ihre Mutter verloren. Amelie und Nehle waren nicht nur Mutter und Tochter, sondern die besten Freundinnen. Amelie war zwar schon eine Ecke älter, doch wirkte sie relativ jung und wurde immer als Nehles große Schwester gesehen. Doch irgendwann zog ein Orkan auf und brach die Beziehung von Mutter und Tochter. Reece Thompson – ein smarter, gutaussehender, junger Brite – eroberte.
Amelies Herz im Sturm. Nehle war eigentlich nicht traurig über eine neue Beziehung im Leben ihrer Mutter. Sie hatte es verdient. Ihr damaliger Freund, und Vater von Nehle, hatte sie wegen der Schwangerschaft verlassen. Seitdem gab es keinen Mann mehr in ihrem Leben. Je mehr Zeit Amelie mit Reece verbrachte, desto weniger blieb ihr mit ihrer Tochter. Irgendwann verfiel Nehle in Selbstzweifel, wollte unbedingt wieder Mittelpunkt im Leben ihrer Mutter sein. Als sie heraus fand, dass Reece nur als Zeitarbeiter in Deutschland arbeitete, konnte sie schon wieder leichter atmen. Ihre Freude, dass ihre Mutter bald wieder ohne Mann sei war gemein und Nehle schämte sich auch dafür. Doch es machte sie glücklich, wenn ihre Mutter unglücklich war. Ist das nicht bei allen alleinerziehenden Müttern so? Immer im Mittelpunkt gestanden und plötzlich wie eine Trophäe in den Wandschrank gestellt zu werden. Zumal Reece nur einige Jahre älter als Nehle war. Fast noch ein Teenager. Während Nehle sich siegessicher zur Arbeit begab, hatte Amelie anderes im Sinn. Sie wollte weg von der Insel. In die Ferne, wo das Wasser den Himmel küsste.
Den lieben langen Tag verbrachte Amelie damit, Sachen zu packen, Formalitäten zu klären und sich auf die gemeinsame Zeit in London vorzubereiten. Als Nehle erschöpft von der Arbeit in die kleine zwei Zimmer Wohnung trat, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Ein Brief auf dem Esstisch brachte Licht ins Dunkel. Nehle schwang sich auf ihr Fahrrad und radelte wie ein Radprofi hinunter zum Hafen. Dort konnte sie gerade noch das lachende Gesicht ihrer Mutter erkennen. Ihre langen Finger, die winkend in die Luft ragten. »Auf Wiedersehen mein Schatz. Bis bald«, hatte der Wind an ihr Ohr geweht. Seitdem ging Nehle, so oft sie konnte runter zum Hafen um nach ihrer Mutter Ausschau zu halten. Wann würde sie endlich wieder zu ihr zurückkommen?
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