Wenn es dann kälter wurde, haben wir hohe Schuhe angezogen, und über die Klothose kam eine kurze Hose mit Hosenträgern und darunter ein Leibchen mit Strumpfhaltern für die langen Strümpfe. Obenrum gabs ein gestricktes Unterhemd, Oberhemd, Strickweste und Jacke, dazu bei Frost die „Schiemütze“ mit Ohrenklappen, Schal und Fäustlinge am langen Band oder auch einen Muff. Lange Hosen hatte ich nicht, auch keinen Mantel, ich kannte auch keine Halbschuhe und auch keine Turnschuhe. Oft waren im Winter Hände und Füße eiskalt geworden und wurden „doheeme“ im warmen Wasser aufgetaut, das tat immer weh. Froh war ich, wenn es wieder wärmer wurde und ich das blöde Leibchen samt langen Strümpfen gegen Kniestrümpfe tauschen konnte. Da war es dann nicht mehr weit bis zur Barfußzeit.
Im Sommer 1944 wurde ich eingeschult. In der Zuckertüte, nicht so groß wie heutzutage, waren Möhren und obendrauf 2 Äpfel. Ganz unten war auch noch etwas Knüllpapier. Einen gebrauchten Schultornister hatte ich auch; der war leicht, es war nur die Schiefertafel mit Griffel und Schwamm drin. Der Schwamm mußte angefeuchtet werden und baumelte dann an einem Faden außen am Tornister. Zur Schule mußte ich am Friedhof vorbei den Hangweg runter und noch ein kleines Stück nach rechts die Straße entlang laufen. Einmal waren Gänse auf dem Hangweg. Die wollte ich umgehen, über die Wiese. Die Gänse kamen aber hinterher, ich bin gerannt und voll lang in den Graben geknallt, mit dem Tornister auf dem Rücken. Von der Schiefertafel war nur eine Ecke abgebrochen, ich konnte sie weiter benutzen.
Mein Klassenzimmer war gleich rechts neben der Eingangstür des Schulhauses, ich saß in der Fensterreihe, aber weiter hinten. Der Herr Lehrer war schwarz angezogen und saß auf einem ziemlich hohen Pult, das auch noch auf einem Podest stand, er konnte also jeden und alles sehen. Rechts neben dem Pult stand auf dem Podest sein Spucknapf, den er oft und sehr geschickt benutzte. Mindestens einmal war ich auch dran mit dem Rausbringen, den ekligen Geruch kenne ich heute noch; er ist mir später im Krankenhaus wieder begegnet.
Gelernt haben wir als Erstes das Lied: „ Der Führer ist ein liiieber Herr, er wohnet i-in Be-erlin. Und wär es nicht so weit von hi-ier, so-o ging ich heut noch hin.“ Und den zackigen deutschen Gruß „Heil Hitler“ mit ausgestrecktem rechtem Arm. Von den allgemeinen politischen Verhältnissen in der Zeit habe ich als kleiner Kerl noch kaum etwas mitgekriegt. Das Wort Nazi durften wir nicht sagen, obwohl wir es kannten; das waren die in den braunen Uniformen, zum Beispiel der Ortsbauernführer. Manchmal hörte man auch, daß jemand ins KZ gekommen war. Ich habe das mit „Gummizelle“ gleichgesetzt, wo die schlimmen Verbrecher reinkamen. An vielen Stellen im Ort hingen Plakate: Auf einem stand "„Psssttt ! Feind hört mit !“, auf dem anderen war ein schwarzer Mann dargestellt, der einen großen schwarzen Sack auf dem Rücken schleppte; das war der Kohlenklau, mit dem zum Energiesparen aufgefordert wurde.
Von den anderen Buben in der Schule habe ich ein Gedicht gelernt, das geht so: „Ich weeß´n Witz, vun Onkl Fritz, de Waibo hom en Schlitz, de Männo hom en Knotn, mehr dorf ich nee voroten“. Ich dachte dabei, was soll da noch zu verraten sein; die letzte Zeile ist wohl nur da, damit es sich reimt.
Auf meinem ersten Halbjahreszeugnis steht: Führung-sehr gut; Leistung-gut; Fehltage: 6 entschuldigt. Für das zweite Halbjahr in der ersten Klasse habe ich schon kein Zeugnis mehr erhalten, da kam das Kriegsende dazwischen. Wir hatten in Oberhennersdorf Glück und haben eigentlich keinerlei Kriegshandlungen mitgemacht. Mein großer Bruder Arnstl war zwar noch Hitlerjunge geworden und hatte an Flak-Übungen teilgenommen, wurde aber von echten Kämpfen verschont. Kurz vor dem Kriegsende ging das Gerücht um, vielleicht war es auch eine offizielle Information, daß in Rumburg die Katakomben gesprengt werden sollen, und daß die ganze Stadt in die Luft fliegen wird, und daß die Trümmer bis nach Oberhennersdorf fliegen werden. Zusammen mit vielen anderen sind wir an dem Tag aus dem Ort gezogen und haben Schutz in einem Steinbruch gesucht. Für uns Kinder war das natürlich spannend. Wir sind im Steinbruch umhergeklettert und haben Krebse gefangen, in kochendes Wasser geworfen und dann gegessen. In der Nacht wurden Feuer angemacht, spät haben wir uns in unsere Decken gewickelt und aneinandergekuschelt auf den großen Knall gewartet. Bis zum Morgen war nichts passiert, und die Leute kehrten nacheinander alle wieder heim. Ich hatte noch große Angst und wollte nicht zurück, mußte aber mit. Rumburg steht natürlich heute noch.
Unser Papa kam im Frühjahr 1945 quer über den Hang raufmarschiert, seine Pioniereinheit hatte sich aufgelöst, damit war für ihn der Krieg zu Ende. Noch in den letzten Kriegsjahren hatten wir hinter dem Haus im Garten, in der Nähe der „Hitte“, also des Plumpsklos, eine Grube gebuddelt und mit Bohlen abgedeckt, als Unterstand für mögliche Bombardierungen. Wenn ich mich recht erinnere, hat Papa sich darin noch ein paar Tage versteckt, bis der Krieg richtig vorbei war. Tagelang hörten wir dann im Norden auf der Chaussee die Panzer langrasseln. Dann hieß es, daß die Russen in die Häuser kommen und schlimme Sachen machen. Ich mußte mich "sehr krank“ mit angemalten Masern in mein Gitterbett legen, unter dem sich Mutti versteckt hatte. Ob wirklich Russen da waren, weiß ich aber nicht mehr; mich haben die Vorbereitungen am stärksten beeindruckt.
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