Babett Weyand
Vom Sand in deinen Schuhen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Babett Weyand Vom Sand in deinen Schuhen Dieses ebook wurde erstellt bei
Manchmal... Manchmal... Manchmal ist das Leben einfach nur magisch! Es schenkt uns Momente, die uns erstaunen lassen und dann geschehen Dinge, die sich mit Logik und Vernunft nicht erklären lassen. Das Beste daran: Wir können uns darauf einlassen und sind am Ende verzaubert. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen ist rein zufällig.
Harald
Anja und Rainer
Chrissi
Elisabeth
Holger
Ruth
Epilog
Auf ein Wort
Impressum neobooks
Manchmal ist das Leben einfach nur magisch!
Es schenkt uns Momente, die uns erstaunen lassen
und dann geschehen Dinge,
die sich mit Logik und Vernunft nicht erklären lassen.
Das Beste daran: Wir können uns darauf einlassen
und sind am Ende verzaubert.
Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen ist rein zufällig.
„Das Leben ist ein Traum, verwirkliche ihn.“ (Mutter Theresa)
Behutsam bohrte er seinen großen Zeh in den butterweichen, warmen Sand. Die Sandkörner knirschten unter seinen müden Schritten. Zaghaft, ja mühsam, setzte er einen Fuß vor den anderen. Jeder weitere Schritt strengte ihn an, zerrte an seinen Kräften. Er kämpfte mit seinem Körper schon seit Wochen und langsam schwanden seine letzten Kraftreserven. Fröhlich lachende Kinder sprangen an ihm vorbei, riefen aufgeregt nach ihren Eltern, spiegelten die reine Lebenslust wider.
Diesen Ausblick auf das Meer hatte er nicht nur sehnsüchtig erhofft, nein, er erwartete ihn einfach, setzte all dies hier voraus. Das war seine Erwartung an seinen letzten Tag. So sollte es sein und genauso war es auch.
Schon als er vor Jahren diesen schimmernden Sandstrand für sich entdeckt hatte, faszinierte ihn diese Freiheit der Elemente. Das Meer rauschte unaufhörlich. Der Wind blies aus Westen, die Dünengräser gaben kleine Inseln frei. Er wusste damals schon instinktiv, dass dies hier sein Fleckchen Erde zum Sterben war. Er konnte locker die karibische Atmosphäre und berauschende Stimmung entbehren, die einen vergessen lässt, in welcher bescheidenen Lage man sich befindet. Er verzichtete gerne auf das sonnenverwöhnte und einladende Ambiente. Was er in diesen, seinen verbleibenden Lebensstunden tatsächlich benötigte, war einfach. Schlicht und simpel. Einen Platz, der ihm seine eigene Endlichkeit vor Augen führte, obwohl sie doch schon so greifbar nah war. Er brauchte einen Ort zum Abschiednehmen, natürlich und rein. Zurück zum Ursprung allen Lebens.
Angekommen an diesem, seinem letzten Reiseziel spürte er eine berauschende Leichtigkeit.
Er war zurückgekehrt in diese Verlassenheit und Stille. Nur ein paar Möwen kreisten um ihn herum, pickten die mickrigen Brotkrumen auf und warteten doch vergeblich auf ein Happy End. Er beobachtete sie und freute sich über deren Lebensfreude. Sie zankten und sie stritten sich, auch um den noch so kleinsten Brotkrümel. Bei Gefahr allerdings hielten sie zusammen wie Pech und Schwefel.
Das war es dann also. Alle Lebenskapitel geschrieben, jede Emotion gelebt, die letzten Tränen versiegt und allmählich kam ein Gefühl der Freude auf. Die Hoffnung besiegte die Angst und endlich legte sie ihren warmen Arm um seine Schultern. „Komm, mein Freund“, hörte er sie wispern. Mit einem betrübten Abtasten der Natur blieb sein Blick am Leuchtturm von Ouddorp haften. Ein imposanter Zeitzeuge aus den späten 1940er Jahren. Was mag der wohl alles schon gesehen haben, durchleuchtet mit seinem wiederkehrenden Lichtstreifen? 56 Meter soll er hoch sein, hinauf gegangen ist er aber nie. Obwohl er es doch gern einmal getan hätte. Noch so eine vertane Lebenschance auf seinem Weg. Ein letzter bescheidener Wunsch, der allerdings nicht mehr in Erfüllung gehen wird.
Die Sonne neigte sich allmählich dem Horizont zu und plötzlich leuchtete der Turm in all seiner imposanten Pracht ziegelsteinrot. Jeder einzelne Backstein warf das Licht der Sonne zurück. Beeindruckend und romantisch, obwohl er für kitschige Romantik nie viel übrig hatte. Doch jetzt imponierte ihm dieses Schauspiel der Natur. Er lehnte sich zurück, genoss dieses Farbenspiel, beobachtete und schwieg. Nur das Meer rauschte. Unaufhörlich.
„
Deine letzte Vorstellung?“, fragte er hinaus auf das Meer. „Du wirst mir fehlen. Du, mit all deinen Facetten, den Möglichkeiten und den Menschen, die ich liebte. Ich hätte wirklich gern mehr Zeit im Hier und Jetzt verbracht, aber hey, das Leben ist schön, mein Leben war schön.“ Und in Gedanken formulierte er seinen Abschiedsgruß an sein geliebtes und erfülltes Dasein: „So, meine Liebe, nun stehen wir an diesem Ort. Unsere Wege trennen sich. Ich gehe in eine andere Richtung. Aber weißt du, es war herrlich mit dir, wir haben gelacht, gelebt, gesungen und gesoffen, geliebt und getanzt. Und trotz all dem spürtest du keine Skrupel, mich an dieser abscheulichen Krankheit leiden zu lassen. All die sinnlichen Erfahrungen und Erlebnisse, die ich mit dir erleben durfte, möchte ich nicht missen. Wir erlebten Spaß und genossen das tagtägliche Dasein. Nur auf dieses Ende hätte ich gern verzichtet. Aber so bist du nun mal, du altes Haus. Ich bin dir nicht böse, warum auch? Ich hatte ein wunderbares Leben und ich danke dir für die Chancen, die du mir in all den Jahren ermöglicht hast. Ich werde dir das nie vergessen. Du hast mich leben lassen. Mit dir habe ich mich spüren können. Ich war am Leben und das verdanke ich dir. Vielmehr war es nicht. Also nichts für ungut. Da ich nie ein Freund großer, bewegender Abschiedsworte war, lass ich es einfach. Leben kommt, Leben geht. So ist es nun mal. Also, mach´s gut.“
„Ich müsste dies aufschreiben“, dachte er so bei sich. Die letzten Worte eines kranken Menschen. Ach, wer will denn so was lesen? Das interessiert doch keinen. „Lass mal gut sein“, riet ihm seine Vernunft. „Genieße die restlichen Stunden, die dir bleiben werden, wenn du das hier tatsächlich durchziehen willst.“ Abermals nahm er einen kräftigen Schluck aus der Flasche Rotwein. Den Besten, den sie anboten, verlangte er im Supermarkt dieses kleinen, beschaulichen Fischerdorfes an der holländischen Nordseeküste. Trotzdem schmeckte er ihm nicht. Ein Merlot, Jahrgang 2007 aus Italien. Na super, die italienischen Weine werden auch überbewertet oder der Verkäufer offenbarte seine mangelnden Kenntnisse. Eine Möglichkeit, die er eher in Betracht zog. Aber egal. Warum sollte er sich aufregen? Gelassenheit ist in den letzten Wochen zu einer seiner größten Stärken geworden. Und doch, wenn er so zurückblickte, befiel Trauer und Schwermut sein müdes Herz. Ganz genau konnte er sich noch an diesen Tag X erinnern. Der Tag, an dem sein bisheriges Leben zu Ende ging.
„
Darmkrebs!“ Eine knallharte unverblümte Diagnose, die dich besinnungslos nach Luft schnappen lässt. Da stehst du dann in einem sterilen Arztzimmer, du kennst das Ergebnis all dieser anstrengenden Tests längst und doch bleibt dir für Sekunden die Luft weg. Es ist wahr. Verdammt!
Jeder wahnwitzige Versuch, sich auf diese Schocknachricht vorzubereiten, war zum Scheitern verurteilt. Aus einem vagen Verdacht wurde knallharte Realität.
Stundenlang, wieder und wieder, hämmerte Harald die Symptome in die Tastatur seines Computers, um dann doch wieder und wieder entsetzt und fassungslos auf das Ergebnis seiner Suche zu starren. Die Antwort der allwissenden Internetgemeinschaft diktierte immer die gleichen fünf Buchstaben: Krebs! Ein simples Wort, das sich in seine Seele einbrannte, bis er entnervt und völlig aufgewühlt aufgab.
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