Peter Schottke
Patrick und die Grubengnome
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Inhaltsverzeichnis
Titel Peter Schottke Patrick und die Grubengnome Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1: Turmtortur
Kapitel 2: Schlingschlamm
Kapitel 3: Ganggegrummel
Kapitel 4: Morastsumpf
Kapitel 5: Boldbehausungen
Kapitel 6: Sumpfmorast
Kapitel 7: Flügelpferd
Kapitel 8: Fastfood
Kapitel 9: Baumgestaltung
Kapitel 10: Waldwildnis
Kapitel 11: Ringelranke
Kapitel 12: Drachensteigen
Kapitel 13: Eisebene
Kapitel 14: Rattenritt
Kapitel 15: Besuchgesuch
Kapitel 16: Gnomengebiss
Kapitel 17: Wutweitwurf
Kapitel 18: Energiekrise
Kapitel 19: Throntreppe
Kapitel 20: Widerworte
Kapitel 21: Felsflucht
Kapitel 22: Katzenkundschaft
Kapitel 23: Jagdgejohle
Kapitel 24: Schleichwegschlängeln
Kapitel 25: Fadenschein
Kapitel 26: Flugabwehr
Kapitel 27: Schluchtschlacht
Impressum neobooks
Im Vorgefühl ihres Triumphs näherte sich die Krähe Crassia schnell wie ein Pfeil der Hohen Klippe. Pfeile liebte und bewunderte sie und so oft es ging, versuchte sie ihnen nachzueifern, indem sie sich im Flug schmal zusammenzog und mit vorgerecktem Schnabel ganz geradlinig voranstrebte.
Was hatte sie nicht alles erreicht! Die wichtigste Botschaft seit Langem hatte sie ihrem Herrn und Meister zu überbringen: Die Feinde hatten den verschollenen Zauberstab zurückerlangt und besaßen damit eine unschätzbare Waffe – wie froh und dankbar würde der Gebieter sein, dies zu erfahren! Crassia wagte es kaum, sich die Belohnungen auszumalen, die Torturiel für solch treue Dienste bereithielt.
Und, wie um ihrem Glück das Sahnehäubchen aufzusetzen, sie besaß einen Namen! Als Erste und Einzige in Torturiels Krähenschar! Einen eigenen Namen!
Die letzten Häuser der Zwergenhauptstadt zogen unter ihr vorbei. Ihr werdet euch bald wundern, ihr kleinen Wichtigtuer!, rief sie den Bewohnern in Gedanken zu. Ehe ihr euch auch nur umgucken könnt, wird mein Herr euch schon vernichtend geschlagen haben!
Jetzt ragte das Klippenmassiv vor ihr auf und Crassia steuerte direkt auf die Festung zu. Nur noch wenige Flügelschläge und ihr Ziel war erreicht! Mit kühnem Schwung beschrieb sie den letzten Bogen zu einem der Einflugfenster und durchstieß dabei einen Schwarm ihrer Schwestern, die empört kreischend auseinanderstoben. „Aus dem Weg! Ich habe eine Botschaft und einen Namen!“
Sie landete in der Fensternische, außer Atem, aber voller Vorfreude. Sie musste sich erst an das Halbdunkel gewöhnen, denn trotz des strahlenden Sonnenlichts draußen lag das Turmzimmer in einem Gewebe trüber Schatten. Keine Fackel brannte. Crassias scharfer Blick durchdrang die Düsternis und sie erkannte im Lehnsessel eine vertraute Gestalt, die sie lange Zeit schmerzlich vermisst hatte.
Sie flog hinüber und landete punktgenau auf der Armlehne. Torturiel schreckte hoch, stieß einen kehligen Laut aus und fuchtelte um sich, als sähe er sich von einem Schwarm bösartiger Wespen angegriffen. Crassia flatterte von der Sessellehne auf und verstand: Der Magier hatte sich, gewiss nach anstrengender Boshaftsarbeit, einem wohlverdienten Schlummer hingegeben.
„Was ist los?”, stieß er hervor. „Wer wagt es -”
Crassia krächzelte besänftigend und Torturiels Handbewegungen wurden schwächer. Sein Atem ging stoßweise. Dann beruhigte er sich und ließ die Hände sinken. „Eine Krähe”, murmelte er. „Nur eine Krähe.”
Crassia ließ sich wieder neben ihm auf der Lehne nieder und schaute ihn ergeben an.
„Eine von diesen nichtsnutzigen Krähen.” Torturiel schnippte mit den Fingern, ein rot blitzender Funke entlud sich, schlug einen Lichtbogen zu einer Fackel, die in einem Eisengestell in der Mitte des Zimmers klemmte. Das Pech entzündete sich sofort und ein rötlicher Schimmer breitete sich aus.
Crassia sah den Blick ihres Meisters auf sich ruhen. Sein Gesichtsausdruck war alles andere als freundlich. Aber genau genommen, beruhigte sich die Krähe, war er das ja nie.
„Schau an.” Stechend wie Dolche war sein Blick, hart wie Metall seine Stimme. „Die Abtrünnige.”
Crassia stutzte. Was wollte Torturiel damit ausdrücken?
„Das kleine, dumme Vögelchen, das sich einfangen ließ wie eine Stubenfliege. In einen Käfig hast du dich sperren lassen. Eins von Torturiels Geschöpfen! Welche Schande!”
Da wurde Crassia klar, dass auch sie selbst unter Beobachtung gestanden hatte. Hatten etwa manche der Krähen die Aufgabe, den anderen nachzuspionieren?
Torturiel hat seine Augen überall …
Er hat mir misstraut, begriff Crassia.
„Was soll ich mit dir machen?”, sinnierte Torturiel und rieb sich mit dürren Fingern sein Kinnbärtchen. Crassias Gefieder überlief es kalt und ihr Herz klopfte schneller als eben beim Heimflug.
Dann traf Torturiel seine Entscheidung.
„Verschwinde! Von welchem Nutzen solltest du mir noch sein, nachdem du derartig versagt hast?” Er fegte Crassia mit einer Handbewegung von der Lehne, sodass sie auf dem Steingutboden aufprallte. Verdattert blinzelte Crassia zu ihrem Meister hinauf. Schmerz flammte in ihrem rechten Flügel auf, denn sie hatte ihre Schwingen aus einem Reflex heraus abgespreizt, um den Sturz abzumildern, doch das war ein Fehler gewesen. So hatte sie sich Elle und Schultergelenk gestaucht und die äußeren Schwungfedern waren zerknickt. Sie spürte Tränenflüssigkeit sich in ihren Augen sammeln und wusste nicht, ob dies vom Schmerz herrührte oder von der Enttäuschung. Vorsichtig faltete sie die Flügel zusammen, achtete dabei kaum auf die Verletzung. Sie versuchte eine Gedankenverbindung zu ihrem Gebieter herzustellen, wie stets, wenn es wichtige Informationen mitzuteilen galt. Doch Torturiels Geist verschloss sich. Crassia empfing nichts als Abweisung und Verachtung.
Sie fühlte die spöttischen Blicke der gefiederten Schwestern auf sich ruhen. Überall im Zimmer und in den Fenstern hockten sie und krächzten hämisch.
Der Zauberer in seinem Lehnstuhl hatte sich abgewendet. Die Krähe begriff. Torturiel hatte das Interesse an ihr verloren.
Crassia hüpfte zum Fenster, spreizte vorsichtig die Flügel und flatterte hinauf. Es tat weh. Sie drehte noch einmal den Kopf und schaute bekümmert zu dem Mann, den sie so sehr verehrte, und der sie soeben verstoßen hatte.
Draußen vor dem Fenster zogen Krähen ihre Kreise. „Seht nur! Dort ist die Krähe, die sich einfangen ließ!” Sie brachen in ohrenbetäubendes Geschnatter aus. Crassia kam es vor, als schrumpfte ihr Herz zur Größe eines Staubkorns.
„Die Krähe, die im Käfig saß!”, tönte es. „War es auch warm und gemütlich da drin?”
„Lasst mich in Frieden!”, zischte Crassia und schwang sich in die Luft, obwohl ihr Flügel weh tat. Schlimmer als der Schmerz war die Demütigung.
„Sie versucht zu fliegen wie wir!”, jauchzte eine Krähe. „Kannst du das denn überhaupt noch, hast du nicht alles verlernt bei deinem Aufenthalt im Knast?”
„Haltet die Schnäbel!” Crassia spürte Wut in sich hochsteigen. Sie begrüßte sie wie einen Freund und empfand Dankbarkeit, denn Wut war besser als Verzweiflung. „Ihr habt ja keine Ahnung! Ihr wisst gar nicht, was ich weiß!”
Die Umherschwärmenden meckerten gehässig. Deshalb spielte Crassia ihren größten Trumpf aus: „Ihr habt nicht mal Namen!”
Doch der Trumpf stach nicht. „Einen Namen!”, spöttelte es. „Wer braucht schon einen Namen?” – „Nur ungefiederte Zweibeiner vergeben Namen!” – „Krähen sind unabhängig!” – „Sie hat sich einem ungefiederten Zweibeiner angebiedert! Sie hat bestimmt ihr Köpfchen an seiner Hand gerieben und hat sich füttern lassen!”
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