Du sagst in Deinem letzten Brief, daß Du Dich nach Nachrichten von mir sehnst. Ich habe Dir einen recht ausführlichen Bericht über alles geschickt, was hier seit Deiner Abreise vor sich ging. Aber da Du meiner Ansicht nach nicht lange in Epirus bliebst, hast Du ihn vielleicht nicht bekommen. Wenn ich nachher nicht mehr schrieb, so liegt es daran, daß meine Briefe zu wichtig sind — wenigstens für Dich — um sie unsicheren und ungetreuen Händen anzuvertrauen. Nun zu den römischen Angelegenheiten: Am 5. Juli wurden Sufenus und Cato freigesprochen, Procilius verurteilt. Dies zeigt, daß die dreifach großen Richter die gestörten Wahlen für nichts achteten, noch die Kabalen, die Zwischenregierungen und alle Staatsverbrechen, das ganze Unglück der Republik. Das einzige, was jetzt noch verboten ist, bleibt, einen Familienvater im Kreis seines Hauses zu töten. Und auch da sind die Meinungen geteilt. Procilius wurde von 22 Stimmen freigesprochen und nur von 28 verurteilt. Der Schluß von Clodius Rede, der unter den Anklägern sprach, war sehr geschickt und machte großen Eindruck. Hortensius gab sich beredt, wie gewöhnlich. Ich beobachtete Schweigen, [Bei von Gleichen sollte es eigentlich heißen: ich beobachtete schweigend.] meiner Tochter zuliebe, die krank ist und fürchtete, daß mir ein Pfeil entfliehen könne, der Clodius verletzt. Am selben Tag entführten mich die Reatiner in ihr reizendes “Tempe”. Ich soll sie gegen die Interamnaten verteidigen vor einem Konsul und zehn Beigeordneten. Sie beklagen sich, daß ihr fruchtbares Tal alle Feuchtigkeit verloren habe, seit M. Curio am Veliner See den Ausfluß in den Nares
verbreitert habe durch Abnehmen eines Hügels. Ich blieb einige Tage bei Axius, der mich in sein Haus zu den Siebenbrunnen führte. Am 6. Juli kam ich zur Sache des Fonteius nach Rom zurück. Dann ging ich ins Theater, wo mich das Publikum mit lautem Beifall begrüßte. Aber darum handelt es sich nicht und es ist eine Schwäche von mir, darüber zu sprechen. Um zur Sache zu kommen, ich sah Antiphon in mehreren Rollen. Er war umjubelt, schon ehe er auftrat, mit einem Wort, er trug den Preis davon. Und doch — unter uns — habe ich nie einen Schauspieler gesehen, der weniger Kraft und Stimme hatte und so überaus gewöhnlich war. Es ist ja richtig, daß er in “Andromache” besser als Astya spielte und daß er in den übrigen Stücken die anderen ausstach. Du fragst mich über Arbuscula, er gefiel aller Welt. Die prachtvollen Spiele gelangen auf das best, die Jagd wurde verschoben.
Folge mir jetzt auf das Schlachtfeld. Die Intrigen entbrennen immer heftiger denn je. Hier hast Du ein Beispiel. Das Geld stieg am 15. Juli um die Hälfte seines Wertes. Du wirst sagen, das ärgert mich nicht. Schöne Gefühle für einen Bürger! Die Partei Cäsars schiebt Memnius vor, der gemeinsame Sache mit Domitius macht. Die Konsuln bringen sie zusammen. Ich wage nicht, Dir in einem Brief mitzuteilen, unter welcher Bedingung. Dies mißfällt Pompejus, der Lärm darüber schlägt und sich für Scaurus erklärt. Aber man weiß nicht, ob er sich für diesen so sehr interessiert, als er den Schein erwecken möchte. Keiner der Kandidaten gewinnt merklich an Oberhand. Das Geld ersetzt Verdienst und Ansehen. Messalla zeigt Spuren von Entmutigung, obwohl es ihm weder an Geld noch an Freunden fehlt. Doch die Klugheit seiner zwei Mitbewerber, die von den Konsuln und von Pompejus
begünstigt sind, bildet ein starkes Hindernis. Ich glaube, daß die Wahlen mehr als einmal aufgeschoben werden. Die Kandidaten des Tribunats sind übereingekommen, Cato [Marcus Porcius Uticensis; auch genannt der Jüngere; Urenkel des Marcus Cato mit dem Beinamen Porcius=das Schwein, der seine Berühmtheit erlangte durch den stereotyp wiederholten Appendix an seine Reden im Senat vor dem 3.Punischen Krieg. Der viehische Beinname des älteren Cato, wurde beim Urenkel, wie eine Art Adelstitel, zum Ehrennamen] zum Schiedsrichter zu nehmen. Jeder von ihnen hat Cato 500 000 Sesterzen anvertraut, die verfallen, wenn der Schiedsrichter einen der Wahlmache bezichtigt, und unter die Mitbewerber verteilt werden.
Morgen sollten die Wahlen stattfinden, werden sie nicht aufgeschoben, schreibe ich Dir die Einzelheiten. Nur darf der Bote vor dem 28. nicht abgegangen sein. Wenn die Wahlmacherei ausgeschlossen wird, dann ist Cato furchtbarer als alle Tribunen zusammen. Ich habe mich Messius angenommen, den Appius dem Cäsar zugeteilt hat und der zurückgerufen wurde, vor Servilius zu erscheinen ... Dann werde ich für Drusus und Scaurus eintreten. Meine Liste ist mit berühmten Namen gefüllt, vielleicht mit solchen von designierten Konsuln. Wenn Scaurus nicht durchdringt, werden ihm seine Angelegenheiten viel Mühe bereiten. Aus den Briefen meines Bruders schließe ich, daß er schon in Britannien angekommen ist. Ich erwarte mit Ungeduld Nachricht von ihm. Mehrmals habe ich Gelegenheit gehabt, festzustellen, daß Cäsar mir viel Freundschaft und Achtung entgegenbringt. Grüße Dionysius und suche von ihm zu erreichen, daß er sobald wie möglich meinem Sohn Unterricht gibt — und auch mir.
Brief 14 - An seinen Bruder Quintus
Wenn Du meine Briefe von der Hand eines Schreibers gefertigt bekommst, schließe nicht daraus, daß ich überbeschäftigt bin, aber denke, wenn sie eigenhändig sind, daß ich trotzdem keine überflüssige Zeit habe. Jetzt zum Beispiel bin ich mehr denn je von Rechtssachen und Urteilen in Anspruch genommen. Nichtsdestoweniger ist die Jahreszeit sehr
ungeeignet und wir leiden unter der Hitze. Aber das muß man geduldig ertragen, wie es auch Deine Grundsätze gebieten. Ich will nicht, daß man mir vorwirft, Deinen Erwartungen nicht entsprochen zu haben, besonders da ich trotz aller Schwierigkeiten großes Ansehen und würdige Wertschätzung aus meiner Arbeit ernte. So bemühe ich mich — um Dir entsprechend zu handeln — nicht nur keinen Menschen zu beleidigen, sondern außerdem die Zuneigung jener zu gewinnen, die sich daran stoßen, uns so eng mit Cäsar verbunden zu sehen. Auch die Liebe und Achtung unserer Freunde suche ich zu steigern und solche zu gewinnen, die sich nur halb nach unserer Seite neigen.
Mehrere Tage hielt ich mich vom Senat entfernt, während man sehr heftig die Wahlmache behandelte, da die Übergriffe des Konsulatskandidaten unerträglich wurden. Ich habe beschlossen, nicht Partei bei der Heilung des Staates zu ergreifen, wenn ich nicht genug Leute hinter mir habe.
Heute, wo ich Dir schreibe, wurde Drusus, den man amtlicher Untreue beschuldigt hatte, von den Tribunen mit vier Stimmen Mehrheit freigesprochen, nachdem Senat und Ritter ihn verurteilt! Heute Nachmittag muß ich Vatinus verteidigen. Das ist leicht zu machen. Die Komitien sind auf September verschoben, Scaurus wird gleich verhandelt und ich werde ihm zur Seite stehen. “Die Gäste des Sophokles” haben mir nicht gefallen, obwohl ich zugestehe, daß dieses Stück in den Vorstellungen, die Du gesehn, gefallen haben mag.
Nun will ich auf das kommen, was eigentlich die erste Stelle in meinem Brief einnehmen sollte. Mit welcher Freude empfing ich Deine Nachrichten aus Britannien! Ich hatte Angst des Meeres wegen und fürchtete die Küsten dieser Insel. Auch über das übrige
darf man sich nicht leicht hinwegsetzen, aber trotzdem sehe ich mehr Grund zur Hoffnung als zur Unruhe und Warten stört mich mehr, als Besorgnis. Im ganzen sehe ich eine schöne große Aufgabe vor Dir. Welche Sachlage! Welche Gegend und welche Ereignisse, welche Sitten, welche Volksstämme, welche Schlachten! Und endlich was für ein Feldherr! Gern verspreche ich dir jede Art von Unterstützung, die Du begehrst, auch werde ich Dir nach Deinem Wunsch Verse schicken, obwohl mir vorkommt, als trüge ich Eulen nach Athen.
Aber mir scheint, Du verschweigst mir, was Cäsar über unsere Verse gedacht hat. Er schrieb mir, daß er das erste Buch gelesen habe, und daß ihm dieser Anfang so gut gefiel, wie das Beste, was er von den Griechen gelesen. Das übrige bis zu einer bestimmten Stelle schien ihm weniger sorgfältig ausgeführt. So sagte er. Gestehe mir, war es der Inhalt, war es die Form, die ihm mißfiel? Fürchte nicht, daß ich an Selbstachtung verliere und enthülle mir die Wahrheit als Freund und Bruder.
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