Brief 2 - An Curio
Rupa war fest entschlossen, die Spiele nach Ihrem Wunsch anzukündigen, doch ich und alle Ihre römischen Freunde widerrieten ihm, weil es uns bedenklich erschien, daß in Ihrer Abwesenheit etwas geschehe, was Sie nach Ihrer Heimkehr vergeblich widerrufen möchten. Meine Ansichten über diesen Fall setze ich Ihnen ein andermal auseinander oder überrasche Sie mit einem vertraulichen Gespräch, ehe Sie selbst darüber nachgedacht haben. Vielleicht gelingt es mir, Sie zu überzeugen. Wenigstens erfahren Sie meine Ansicht und können sie gebrauchen, sollte – gegen meinen Wunsch – Ihr Entschluß Reue erwecken. Mit einem Wort, Sie werden Rom in einer Lage finden, die Ihnen gestattet, auch die glänzendsten Ansprüche leichter durch Ihre Talente, Ihre Geschicklichkeit und Ihr sprichwörtliches Glück durchzusetzen, als mit Hilfe der prächtigsten Spiele. Solche Spiele geben, bringt wenig Ehre, denn sie beweisen nur den Reichtum, nicht die Größe eines Mannes. Außerdem ist man schon mit solchen Festen übersättigt. – Doch ich habe nicht vor, Ihnen schon jetzt meine Gründe zu erklären. Das spare ich zu Ihrer Heimkehr auf.
Seien Sie versichert, daß man alles von Ihnen erwartet, was man nur immer von einem tüchtigen und einsichtsvollen Mann erwarten kann. Bereiten Sie sich deshalb so vor, wie es nötig ist und ich es Ihnen zutraue, so entschädigen Sie Ihre Freunde, Ihre Mitbürger und ganz Rom für die ausgefallenen Spiele, wären sie noch so ausgedehnt und üppig gewesen. Es soll Ihnen nicht an Beweisen fehlen, daß ich Sie mehr als andere schätze.
Brief 3 - An Curio
Wie Sie wissen, schreibt man Briefe mit den verschiedenartigsten Absichten. Die wichtigste, der wohl das Briefschreiben seine Entstehung verdankt, besteht darin, daß wir den Abwesenden eine Nachricht geben wollen, die uns oder ihnen berichtenswert vorkommt. Einen solchen Brief werden Sie von mir nicht erwarten, denn es fehlt Ihnen kaum an Leuten, die alles schreiben, was in ihrem Haus geschieht. Meine eigenen Angelegenheiten sind aber keine Neuigkeiten für Sie.
Dann gibt es noch zwei andere Arten von Briefen, die vertraulich scherzhafte, und jene, die allerlei Wichtiges ernsthaft behandelt. Auf jede dieser Arten zu schreiben, macht mir Vergnügen, aber diesmal fällt es mir in der Tat schwer zu wählen. Soll ich mit Ihnen scherzen? Bei den Göttern! Das könnte nur einem schlechten Patrioten einfallen. Oder soll ich Ihnen mit ernsten Betrachtungen kommen? Wovon aber könnte sich Cicero mit einem Curio ernsthafter unterhalten, als von der Lage des Staates? Allein meine Bedenken überwiegen, so daß ich` s nicht wage, mich deutlicher auszudrücken. Da mir der Stoff ausgegangen ist, schließe ich wie immer mit der freundschaftlichen Bitte, daß Sie ihre wahre Ehre gut im Auge behalten. Sie haben sich auf eine starke Gegnerin gefaßt zu machen, nämlich auf die Hoffnung, die man in Ihre Person setzt. Dieser Gegnerin sind Sie nur gewachsen, wenn Sie ausschließlich die edelsten Maßregeln bei der Ausführung Ihrer Pläne anwenden. Wäre ich nicht von der Größe Ihres Handelns überzeugt, würde ich noch einiges hinzufügen, aber selbst diese Andeutung hat nicht den Zweck, Sie aufzuregen, sondern soll nur der Beweis meiner herzlichen Zuneigung sein.
Brief 4 - An Curio
Dieser Brief sollte Ihnen durch Sextus Villius, einen Bekannten meines Freundes Milo, zugehen, denn Ihre Ankunft in Italien war noch nicht bekannt. Man vermutete sie wohl, wußte auch, daß sie Asien verlassen hatten. Doch der Inhalt meines Schreibens war so wichtig, meinen Wunsch, es sobald als möglich in Ihren Händen zu wissen, so groß, daß ich nicht genug eilen konnte. Hätte ich wirklich so viel Verdienste um Sie, als Sie mir entgegen meiner eigenen Ansicht anrechnen, dann würde ich Bedenken tragen, Sie in einer wichtigen Sache zu belästigen. Der Bescheidene fühlt sich immer verlegen, wenn er jemand um eine Gefälligkeit bitten muß, den er sich verpflichtet glaubt. Seine Bitte könnte einer Forderung ähnlich sehen und vermuten lassen, als heische er Entgelt für sein Verdienst. Allein da Ihre Verdienste um mich ebenso bekannt und neu als groß sind und da jeder Wohldenkende immer nach Veranlassung strebt, das Wohlwollen seines Gönners zu genießen, so scheue ich nicht, mich in einer dringenden und interessanten Angelegenheit an Sie zu wenden. Ich hoffe auch all des Guten, das ich Ihnen zu verdanken habe, nicht ganz unwürdig zu sein, da ich nicht nur das Wohlwollen meiner Freunde zu schätzen weiß, sondern mich auch für befähigt halte, es ebenso gut wie nützlich zu erwidern.
Milos Konsulat beschäftigt mich jetzt vollständig, und ich hoffe, daß meine Tätigkeit mich in den Stand setzen wird, diesem Mann meine Hochachtung zu beweisen. Sie verhilft mir dann zu einem Erfolg, der über dem Vergnügen steht, meine Pflicht getan zu haben. Das eigene Wohl kann niemandem so sehr am Herzen liegen, wie mir die Ehre des Mannes, dem ich alles, was ich bin und habe, verdanke. Sie allein können, wenn sie wollen, so viel für ihn tun, daß mir in dieser Hinsicht kein Wunsch übrig bleibt. Viele Umstände sind uns schon günstig. Sie wissen, daß er sich unter großem Beifall als Tribun sich für mich verwandte. Das hat ihm alle braven Römer günstig gestimmt. Durch prächtige Spiele und edle Denkart gewann er das Volk. Die ganze Ritterschaft und alle Leute von Einfluß geben ihm gern ihre Stimme aus Dank für Gefälligkeiten in ähnlicher Lage. Und ist auch meine eigene Stimme nicht so bedeutungsvoll, sie gehört ihm doch und tut vielleicht gute Dienste. Es fehlt uns nur ein Mann, der den Ton angibt, ein Steuermann, der die günstigen Winde zu benutzen weiß. Da wüßte ich in der Tat unter allen, die ich kenne, keinen, der dieser Aufgabe so gut wie Sie gewachsen wäre. Wollen Sie von meinem Eifer, womit ich mich der Sache Milos annehme, auf meine Dankbarkeit und mein gutes Recht schließen und mich Ihres Wohlwollens für würdig erachten, so bitte ich Sie, mich durch Ihre Unterstützung von meinem Anliegen zu befreien, bei dem nicht nur meine Ehre, sondern mein Glück auf dem Spiele steht. Sie finden in Annius Milo, wenn Sie sich seiner annehmen, einen Mann, der sich durch Dankbarkeit Ihnen gegenüber ebenso auszeichnen wird, wie durch seinen großen, edlen und festen Charakter. Für mich aber ist die Ehre Ihrer Unterstützung so groß, daß ich Sie ebensosehr für den Förderer meines Ruhmes halten werde, wie ich Sie schon für den Schöpfer meines ganzen Glückes halte. Wüßte ich nicht, daß Ihnen die Wichtigkeit meines Unternehmens einleuchtet, daß sie begreifen, wieviel Kampf und Mühe mich Milos Unterstützung kosten wird, setzte ich noch mehr hinzu. Lassen Sie sich also meine Angelegenheit und mich bestens empfohlen sein. Glückt meine Absicht durch ihre Vermittelung, dann haben Sie noch mehr Anspruch auf meinen Dank als Milo. Denn so schätzbar mir auch Leben und Vermögen sind, die ich beide Milo verdanke, so wird mir das Gefühl noch angenehmer sein, ihm meinen Dank und meine Achtung zu beweisen, was ich nur kann, wenn Sie mir helfen.
Brief 5 - An Curio
Selbst ein verspäteter Glückwunsch darf Verzeihung hoffen, wenn er nicht aus Nachlässigkeit verspätet ist. Ich bin so weit von Ihnen entfernt, daß alle Nachrichten nur sehr spät bei mir eingehen.
Großen Anteil nehme ich an der Würde des Tribunats, die Sie erhalten haben und ich wünsche, daß sie Ihnen zu stetem Ruhm gereichen werde. Folgen Sie nur bei jeder Unternehmung der eigenen Einsicht und lassen Sie sich nie durch fremde Ratgeber aus ihrer Bahn lenken. Kein Mensch kann Ihnen besser raten, als Sie selbst und Sie werden nie irre gehen, wenn sie sich folgen. Das soll keine Schmeichelei sein. Ich weiß, an wen ich schreibe; ich kenne Ihre Grundsätze und glaube fest, daß sie weder parteiisch noch unbesonnen handeln, wenn Sie auf dem beharren, was Sie für Recht halten. Daß Sie Tribun wurden in der gegenwärtigen bedenklichen Lage des Staates, ist kein Zufall, sondern die Folge Ihres freien Willens. Sie wissen daher selbst wohl am besten, wie sehr das Schicksal eines Staates von Zeit und Umständen abhängt, wie ungewiß unsere Erwartungen, wie unstet die Gesinnungen der Menschen sind und ebensowenig kann Ihnen unbekannt sein, wieviel Arglist es gibt und
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