Doro May
Lioba wechselt die Saite
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Inhaltsverzeichnis
Titel Doro May Lioba wechselt die Saite Dieses eBook wurde erstellt bei
Epilog Epilog Für alle Galgenvögel, Streuner, Schelme, Schandmäuler und Halunken. Und für alle, die euch lieben. So wie ich...
Die Burg
Auf ins Gefecht
Baumbestattung mit Fährfrauen und Spielleuten
Die Partnerbörse und warum sich Lioba wieder davon abwendet
Mittelalter zum Anfassen
Der verschrobene Abend
Valentina weiß Neues zu berichten
Siebte Sinfonie, Handwerkermarkt
und eine peinliche Begegnung
Frühstück bei Valentina
Eine Ursache für die drohende Staatspleite
Man gönnt sich ja sonst nichts...
Beinahe Mord
Die Früchte harter Arbeit
Frisch gestrichen
Die Vorzüge der Tauschbörse
Auf ins Mittelalter
Sauflieder
Kleinkriminelle Nachbarschaftshilfe
Pfaffen, Nonnen und andere
Metamorphose
Burgfest
Spielmannslieder
Allerlei Schweinkram
Liebenswerte Spinner
Das volle Programm
Noch ein Stück Musik
Burgleben und Duette
Die Symbolik des Falken
Die Galgenvögel
Parallelwelten
Spektakulum ...
... und Fehlbesetzung
Borgi
Noch mehr Strandleben
Szenenwechsel
Lioba verliert die Orientierung
Ein Plan muss her
Schlimmer geht immer
Die Orgie
Der Tag danach
Slâvest du friedel ziere...
Nachwort
Impressum
Epilog
Für alle Galgenvögel,
Streuner, Schelme, Schandmäuler
und Halunken.
Und für alle, die euch lieben.
So wie ich...
Die Burg
Dicke Steinblöcke lugen durch die Bäume, grau wie der Himmel. Geheimnisvoll wachsen sie aus den Felsen heraus, haben etwas Endgültiges. Im Wald keine Bewegung. Nur aus der Ferne das Rauschen des Bachs.
Eine kleine, runde Frau ist unterwegs zur Eyneburg. Sie hebt den Kopf und blickt in eine Baumkrone, genießt die zarten Regentropfen auf ihrem Gesicht und nimmt den Geruch feuchter Erde in sich auf. In diesem verwunschenen Wald kommt sie sich vor wie eine Prinzessin auf der Suche nach dem Glück.
Immer, wenn sie eine Person kennenlernt, die an einem ungewöhnlichen Lebensentwurf strickt, ist ihre Neugier geweckt. Diesmal hat das der magische Satz Da wirst du Augen machen fertig gebracht. Er war das Tüpfelchen auf dem „i“, als sie am Sonntagabend der Freizeitritter Knut ansprach, zu einer Uhrzeit, zu der man das Wochenende eigentlich schon abgehakt hat. Im Hinausgehen aus der Tapasbar in der Elisabethstraße sind sie aneinandergestoßen. Doch anstatt die Lokalität zu verlassen, wie es Lioba, ihre beste Freundin, todsicher gemacht hätte, nahm Valentina mit ihrer Begegnung noch einmal Platz. Sie bestellten ein Glas Wein und ein Bier, und Knut erzählte die allererstaunlichsten Sachen über sein Leben als Kelte, die mittelalterliche Kluft, sein Schwert und seine Burg.
Heute ist Valentina bereit für das Abenteuer, denn sie liebt es, Augen zu machen. Sie schätzt die Zeit ab, etwa halb zwölf, eine gute Samstagvormittagzeit. Den alten Opel Corsa hat sie nach einer holprigen Tour über einen verwurzelten Weg am Waldrand im Matsch abgestellt.
Zum ersten Mal in ihrem Leben hat sie sich außerhalb der närrischen Jahreszeit für eine Verkleidung entschieden, einen Umhang, wie ihn die Ritter trugen, bodenlang, erdfarben, ungefüttert. Diese ungewöhnliche Garderobe trägt sie zu Gefallen ihres neuen Herzensritters aus der Tapasbar, der vorgestern nach der Arbeit ein Paketchen bei ihr ablieferte.
„Samstag komme ich auch zur Burg“, hat sie ihm versichert, als sich dieses Gefühl von Verheißung in ihr breit machte. „Und lieben Dank für das tolle Geschenk. Ja – ich zieh’s an. Versprochen.“
Wie ein Heinzelmann schaut sie von hinten aus, wie sie, klein und rund, die Kapuze auf dem Kopf, über den aufgeweichten Weg quootscht. Sie stellt sich vor, wie romantisch es hier im Sommer sein muss, neben dem Göhlbach zu den kantigen Felsen aufzuschauen, die in die bemoosten Grundmauern der Burg münden. Und wie idyllisch sie auf der großen Wiese mit ihrem Ritter auf einer ganz unmittelalterlichen Karodecke mit Isolierbeschichtung ein Schäferstündchen halten könnte. Schäferstündchen. Sie sinnt dem Wort hinterher und lacht in sich hinein.
Das Burgareal liegt auf einer Anhöhe – genau so, wie es sich für eine richtige Burg mit Wachturm gehört. Jetzt ist sie oben angekommen, ein gesundes Rot auf den runden Wangen. Sie erwartet etwas als Belohnung für ihre Mühe. Ein Meeting, eine kleine Wochenendschlacht. Und natürlich ihren Ritter.
Als sie durch den dick gemauerten Torbogen geht, putzt sie ihr Lächeln deutlicher heraus. Am Rand des Platzes, der mit dicken Wackermännern ausgelegt ist, bleibt sie stehen. Da entdeckt sie Knut zwischen wilden Gesellen. Angestrengt führt er das Schwert und schiebt mit der freien Hand die abgerutschte Brille wieder hoch. Dabei kneift er die Augen zusammen, als würde er geblendet. Als er die runde Heinzelmännin erblickt, strahlt er übers ganze Gesicht, nickt ihr zu und ruft: „Hier geht’s gleich rund, Valentina.“
In dem Moment erscheint eine Person auf der Bildfläche, die alle Blicke auf sich zieht. Auch Valentina starrt auf die Frau in ihrem bodenlangen, dunkelroten Miederkleid mit einem Ausschnitt, dass man erwartet, jeden Moment springe einem der üppige Busen entgegen. Dazu tizianrote Locken und ein Lippenstift, der ins Schwarzrote geht. Eine Nutte, ach nein, Hure muss es heißen, wir sind ja im Mittelalter, durchfährt es Valentina, der das anzügliche Grinsen der Kämpen nicht entgeht. Auch die Zuschauer blicken ausnahmslos auf die aufgedonnerte, nicht mehr ganz junge Lady, die so ungeniert die Arme ins Hüftgold stemmt.
Nur gut, dass Lioba nicht mitgekommen ist, durchzuckt es Valentina. Sie würde sich jetzt mit ihrem typischen Muss-ich-nicht-um-mich-haben abwenden. Valentina wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn, lässt den Arm fallen, als wolle sie den Gedanken an die kritische Freundin auf den Boden werfen.
Als die Wochenendritter in Stellung gehen, martialisch mit ihren erhobenen Schwertern und voller Konzentration, erfasst Valentina die Vorstellung von Gewalt und ihren Folgen. Ein wonniger Angstschauer stellt die feinen Armhärchen in die Senkrechte. Wäre es nicht denkbar, dass die Typen gleich Ernst machen? Ob es Verletzte geben wird? Womöglich winkt dem Sieger diese Wahnsinnsfrau in Dunkelrot...
Etüden
Der Globus war nicht aus der Bahn geflogen. Und die Welt nahm keine Notiz von der Frau, deren Alltag von jetzt auf gleich seinen festen Ablauf verloren hatte. Da kam Lioba die Geige gerade recht. Sie ist ihr ureigenes Instrument, war es lange, bevor sie eine Familie gründete. So kann sie mit ihrer Hilfe an Vergangenes anknüpfen und gleichzeitig ein großes Stück Vergangenheit überspringen und damit das Gedächtnis austricksen, damit die kaputten Nerven verödet werden. Jetzt können neue nachwachsen.
Gerne wäre Lioba Orchesterspielerin geworden. Sie hätte sich gut gemacht auf dem CD-Cover bei den ersten Geigen, das lange Schwarze figurbetont, das Haar hinter den Schultern. Doch bald stand fest: Ihre Begabung reichte nur für ein gehobenes Hobbyniveau. So wechselte sie von der Musikhochschule auf Grundschullehramt und verwirklichte sich in einem kleinen Freizeitorchester.
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