Wer suchet, der findet
Wozu das führt, kann sich auch jeder Laie denken. Nahezu alle seltenen und geschützten Tier- und Pflanzenarten werden in dem eigens geschickt ausgesuchten Untersuchungsraum tatsächlich nicht nur gesucht, sondern – wen wunderts – immer auch gefunden. Dann wird in semantisch verschlungenen Worthülsen versteckt, dass es die Gutachter, natürlich allesamt große Koryphäen ihrer Zunft, für erforderlich halten, für 1 ha Inanspruchnahme 5 ha Ausgleichsflächen zu planen. Manchmal auch "nur" 1:3, aber es kam auch schon 1:6 vor. Würde hier mal ein Tiger oder Löwe ausgewildert, läge der Faktor sicher schon über 100! Das Procedere wurde hier mal stark vereinfacht dargestellt, kann aber hier nicht auf bestimmte Projekte oder Teilprojekte bezogen werden, denn die Information kommt ja bloß vom Rumpelstilzchen.
Wer die Auswüchse des Ausgleichsverfahrens nicht versteht und darum im Interesse des Steuerzahlers mal anmahnt, das doch bitte in verständlichem Deutsch zu begründen, dem wird entgegnet (wörtlich) "... dass die rhetorischen Nachfragen zwar legitim seien, die Redundanzen aber nicht geglättet werden sollen". Toll, aber das wäre seinerseits wieder zu übersetzen. Redundanzen sind weitschweifige, überladene Aussagen. Im vorliegenden Zusammenhang muss dem Schnörkelsatz schlicht und einfach nur der Inhalt zugeschrieben werden, dass man nicht gedenkt, die Unverständlichkeiten aus den Maßnahmenpaketen herauszunehmen.
Schließlich wird eine hohe Stringenz (schlüssige Verfolgung) angestrebt. Darunter verstehen die in Latein bewanderten Experten "dem Leitbild folgen, danach die Ausgleichsmaßnahmen planen und dann Monitoring betreiben". Monitoring ist die spätere Kontrolle, ob die durchgeführten Maßnahmen auch ihre geplante Wirksamkeit entfaltet haben. Zum Beispiel kann man ja vorher nicht wissen, ob die fliegenden Kobolde der Nacht auch tatsächlich die teuren Leitwände umfliegen oder überfliegen, ob die Molche wirklich durch die eigens gebauten Amphibientunnel kriechen, die Schmetterlinge auch tatsächlich über die speziell für sie gebaute Grünbrücken die Autobahn überqueren, die Rothirsche die extra für sie gebauten Wilddurchlässe nutzen.
Vielleicht meidet das Rotwild auch die Wildbrücken, weil auf der anderen Seite der schlaue Luchs auf sie lauert. Oder der Fuchs auf den Hasen, um ihm Gute Nacht zu sagen. Das ist nicht übertrieben, denn bei den Froschtunneln (Rohre unter den Straßen) haben bald die schlauen Füchse bemerkt, dass sie zur Zeit der abendlichen Froschwanderungen nur mit offenem Rachen unter den Tunnelausgängen liegen müssen. Da fallen ihnen die Frösche reihenweise von selbst hinein.
Autobahnen erfordern Brücken, hauptsächlich für Flüsse, Bäche und Wege, manchmal auch zur Überspannung von Tälern. Dieselben Bauwerke auch den Tieren anzuempfehlen, scheiterte oft. Durch einen 12 m breit geplanten Wilddurchlass bei Breitzbach darf z.B. nicht auch noch ein Feldweg hindurchgeführt werden, weil das die Hirsche stören würde. Obwohl Hirsche und Traktoren beide nur 2,5 m breit sind und sie nicht zeitgleich da durch müssen. Das Thema konnte zwar lange kontrovers diskutiert werden, war aber aus Sicht von Umweltplanern so unverhandelbar wie das Migrationsthema bei den Jamaicaverhandlungen. Bevor nun ein Abschnitt an der Empfindlichkeit von stolzen Geweihträgern oder gekrönten Froschkönigen scheiterte, musste die zusätzliche Brücke halt rein in den Plan.
Da jegliche Art von Bauwerken die Gesamtmaßnahme erheblich verteuerte, versuchten verantwortungsvolle Planer ihre Zahl und Größe möglichst klein zu halten. Steuerzahler erwarten das auch, doch was sie beim A44-Bau heute sehen müssen, entsprach nicht ihrer Erwartung. Vielmehr gewinnen sie nun den Eindruck, dass die Baukosten künstlich in die Höhe getrieben worden sind. Aber das lässt sich nicht auf Heller und Pfennig belegen. Jedem Bauwerk ist eine ausgefuchste Begründung zugewiesen worden. Wenn sie auch nicht jedermann einleuchtete. Demnach ist jede Mehrausgabe "gerechtfertigt und unabwendbar".
Fernfahrer
Eines schönen Tages fuhr ein Fernlaster aus Köln in Richtung Krakau. Dabei kam er auf der B7 östlich von Walburg (am Abzweig Hollstein) an zwei großen, A44-Brücken vorbei. Die lagen so dicht nebeneinander, dass der Beifahrer Tünnes zum Fahrer Schäl sagte "so ein Goggolorus, "hätt da nit eine gereicht"? Wir müsse dat weder bezahle". Schäl hatte aber was gelesen von der speziellen nordhessischen Verquickung zwischen Tierschutz und Geldverschwendung und wollte nun sein Wissen anbringen: "Du Jeck, dat is doch wächen de Frösch"! Doch Tünnes entgegnete "selber Jeck, de Brücke lieche so dicht nebenanner, dass de Frösch fast von einer zur anneren hinspucke könne". Aber dann dachte er "wat gehen mich die Frösch von de blinde Hesse an?", blickte auf die Uhr und rief "Helau", denn es war der 11.11.2011 um 11 Uhr 11. Die Zeit der Narren begann. Im Rheinlande. In Hessen hatten sich die Narren schon früher ausgetobt.
Was lag da vor? Derselbe Bach, die hier noch schmale Wehre, wechselte innerhalb von nur 200 m zweimal unter der A44 hindurch. Wenn man das Bächlein mit den gleichen winzig kleinen Abmessungen wie unter der direkt benachbarten B7 unterführt hätte, könnte man etwa 3 Mio. € einsparen. So denkt ein Normalbürger, der noch nie mit Umweltplanern hat ringen müssen.
Wer öfter diese beiden Baustellen passiert, mag sich wirklich fragen, warum die beiden Brücken - wenn sie denn als unverzichtbar erklärt wurden - so monumental groß sein müssen. Die Brückchen unter der B7 haben nur einen Durchflussquerschnitt von je 15 m 2, während die neuen Autobahnbrücken auf je 170 m 2kommen. Man könnte die Werra drunter durch führen. Alternativ hätte man die neuen Bachunterführungen sogar noch kleiner als die alten bauen und überschütten können. Zusätzlich hätte man südlich der B7 eine Mulde für Hochwasser anlegen können. Im alten Bachbett bliebe dann nur eine immer gleichbleibende kleine Wassermenge. Genug für Fische und Wasserpflanzen.
Was sprach dagegen? Innerhalb kleiner Brücken wird es im Bach für wandernde Fische etwas dunkel. Deshalb setzte die Fischgewerkschaft zwei große Brücken durch, beide je 34 m lang und 4 bis 6 m hoch. Sie kosten zusammen rd. 4 Millionen €. Die Fischvertreter meinten, dass die deutschen Menschen ja so reich sind, dass sie auch den Fischen mal ein bißchen Luxus gönnen können.
Kontrollierte Kontrollen
Das erwähnte Leitbild ist zu großen Teilen von den Fachleuten verfasst, die später danach vorgehen wollen. Sie haben es sich quasi selbst gewidmet bzw. sich damit selbst mit restriktiven Vorgaben eingeengt und geknebelt. Wie wichtig Vorschriften sind, lässt sich anhand des folgenden Witzes darstellen: Nachdem ein Gefangener aus dem Gefängnis geflüchtet ist, schimpft der Direktor mit seinem Gefängniswärter "In Ihrer Arbeitsanweisung steht doch eindeutig drin, dass Sie alle Ausgänge scharf bewachen sollen". Der Nachtwächter rechtfertigt sich "Habe ich auch, aber der Häftling ist durch den Eingang abgehauen".
Die Umweltexperten bei den Autobahnplanungen handeln zuverlässiger. Sie schreiben ihre Anweisungen so perfekt, dass nirgends eine Spitzmaus auch nur mit dem Schwanz wedeln könnte, ohne dabei bemerkt zu werden. Alle Eventualitäten wurden im Vorhinein durchgeplant und dann mit einem superperfektionierten Monitoring nachkontrolliert.
Schön, der Zweck soll ja erfüllt werden. Aber ist der Aufwand dafür auch verhältnismäßig? Hat er sich gelohnt? Und wird die Nichterfüllung öffentlich bekannt? Nein, nein und nochmals nein! Trotz dieser Perfektionierung hält man den Planern eine fehlerhafte Planung vor. Das liegt daran, dass die Kritiker noch perfekter sind, jedenfalls im Erfinden von Schikanen. Bei denen werden nämlich - um im obigen Bild zu bleiben - nicht nur Mauselöcher, sondern auch noch kleinste Haarrisse scharf beobachtet. Und wehedem, wenn irgendein kleines Insekt übersehen wurde. Da stößt der Kritiker dann voller Begeisterung rein - und legt die Planfeststellung auf Eis. In der Folge stimmt dann kein einziger Termin mehr.
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