1 ...6 7 8 10 11 12 ...22 Der Kommissar zwängte sich aus dem Streifenwagen und öffnete Melanie galant die Autotür.
»Sie schlafen schon. Das Haus ist dunkel«, sagte sie und zeigte mit der rechten Hand in Richtung Wohngebäude.
Das Wohnhaus war wirklich unbeleuchtet und verbarg sich hinter einer hohen Steinmauer mit einem schmiedeeisernen Tor. Alles war dunkel. Nicht einmal eine Notbeleuchtung erhellte den Fußweg zum Haupteingang.
Kreithmeier schritt auf das Tor zu und drückte auf die Klingel. Im Haus erklang eine tiefe Glocke. Es dauerte eine Weile, dann kam Leben in die Bude. Licht wurde eingeschaltet und eine Männerstimme hallte blechern aus der Sprechanlage.
»Was ist denn los? Wissen Sie denn wie spät es ist?«
»Herr Wirth, Herr Lukas Wirth?«, fragte Kreithmeier in die Sprechmuschel.
»Ja natürlich, wer denn sonst. Wer will das wissen?«
»Hier ist die Polizei, bitte öffnen Sie.«
»Bin ich zu schnell gefahren? Hat das nicht bis Morgen Zeit?«, lachte die Stimme hysterisch und der Mann tat keine Anstalten die Türe zu öffnen.
»Bitte öffnen Sie.« Kreithmeier hielt seinen Ausweis vor die runde Linse der Kamera über der Klingel. Sie müssten ihn im Hause sehen und erkennen können, dachte er.
»Bitte öffnen Sie, wir möchten mit Ihnen persönlich sprechen«, sagte er.
»Kommen Sie morgen wieder. Sie werden ja wohl keinen Hausdurchsuchungsbeschluss in der Tasche haben, oder?«, hallte es aus dem Lautsprecher.
»Wer ist denn da am Tor?«, war jetzt im Hintergrund plötzlich eine weibliche Stimme zu hören, die mit leicht osteuropäischem Akzent sprach. »Sag mir bitte Lukas, wer klingelt da bei uns in der Nacht?«
»Die Polizei, ich bin anscheinend zu schnell gefahren.«
»Blödsinn, die kommen nicht zu dir, die schicken dir einen Anhörungsbogen. Geh weg, lass mich mal.« Und zu den beiden Kommissaren über die Fernsprechanlage gerichtet: «Was wollen Sie von uns? Mitten in der Nacht. Ist etwas passiert?«
Melanie schritt vor und antwortete der Frau über die Anlage: »Wir müssen Sie sprechen und das bitte nicht hier auf der Straße. Es ist etwas passiert. Bitte öffnen Sie!«
Es dauerte ein paar Sekunden, dann brummte es in der Tür und Kreithmeier konnte die schwere Metalltür aufstoßen. Zur gleichen Zeit öffnete sich die Haustür. Ein Lichtschein fiel von drinnen auf die Eingangstreppe. Und rechts und links des gepflasterten Weges quer durch das Anwesen auf die Haustür zu, flammten kleine Bodenfluter auf und beleuchteten wie die Landebahn auf einem Flugplatz den Weg zum Haus.
Nach den beiden Kriminalkommissaren fiel das Tor wieder sanft von einem Motor angetrieben ins Schloss.
»Vornehm, vornehm«, murmelte Kreithmeier sichtlich erstaunt. Jetzt wo die vielen kleinen Lichter die Nacht fast zum Tage machten, konnten sie das erste Mal einen Blick auf die Wirth Villa werfen.
Ein exklusives Anwesen ganz im Stil eines italienischen Palazzos gehalten. Ein rechteckiger Kasten mit langen Fenstern, einem nur leicht angewinkelten Dach und einem auf römischen Säulen stehenden Vordach über der Eingangstür. In dieser standen nun zwei Personen, die sie, jeweils mit einem Morgenmantel bekleidet, neugierig erwarteten. Lukas Wirth war soweit man unter dem Bademantel sehen konnte, ein muskulöser junger Mann mit schwarzem, störrischem Haar, dunklen buschigen Augenbrauen, einem vollen Mund und einem kantige Kinn. Die Frau neben ihm war eine attraktive Blondine, in rosa Hausschuhen, einem dunkelroten Lippenstift auf ihren vollen Lippen und einem hellblauen Seidenschal um den Hals.
Ihr beider Gesichtsausdruck verstärkte sich noch, als die beiden erkannten, wer oder was, da, auf sie zu kam. Ein kräftiger Mann in einer kurzen Lederhose mit Trachtenhemd und Janker und an den Wadeln graugrüne Wadenschoner. Und die Dame an seiner Seite mit blonden hochgesteckten Haaren und in einem hellblauen Dirndl mit weißer Schürze. Die beiden an der Haustüre machten einen Schritt zurück und die Dame im Seidenmantel fragte zaghaft: »Und Sie sind sicher, dass Sie beide von der Polizei sind?«
»Natürlich!«, antwortete Kreithmeier grimmig, »lassen Sie sich bitte nicht von unserer Kluft täuschen. Wir kommen direkt aus Ihrem Bierzelt.«
Und, als ob er dieses noch irgendwie unterstreichen musste, wehte bei jedem einzelnen Wort, das er aussprach, ein unangenehm nach abgestandenem Bier riechender Hauch in die Richtung der Angesprochenen. Er hielt ihnen seinen Dienstausweis direkt vor die Nase.
»Bierzelt? Sie kommen geradewegs aus unserem Bierzelt?«, wiederholte der junge Mann die Worte des Kommissars wie in Trance. »Ist etwas mit unserem Zelt? Etwas mit meinem Vater?«
»Können wir vielleicht ins Haus gehen?«, fragte Melanie höflich aber bestimmt.
»Ja natürlich, bitte kommen Sie.« Die Frau lief voraus und geleitete die beiden Beamten ins Wohnzimmer.
»Nehmen Sie bitte Platz.« Sie zeigte auf eine gemütliche Sitzgruppe, die um einen offenen Kamin angeordnet war. Der junge Mann folgte ihnen.
Nachdem alle Platz genommen hatten, fasste sich der junge Mann als erster und fragte die beiden: »Also was wollen Sie von uns? Warum kommen Sie mitten in der Nacht in diesem Aufzug zu uns?«
»Sie sind also Lukas Wirth?«, fragte Kreithmeier und sah den jungen Mann eindringlich an.
»Ja, das habe ich Ihnen schon an der Sprechanlage gesagt.«
»Entschuldigen Sie bitte, ich wollte nur sicher sein und Sie sind Frau ...?«, er wandte sich an die Blondine.
»Mein Name ist Olga Bogdanow, ich bin die Lebenspartnerin von Herrn Helmut Wirth. Also was wollen Sie?«
Melanie holte tief Luft und sagte dann mit ruhiger Stimme: »Nun wir haben Ihnen beiden eine traurige Mitteilung zu machen. Ihr Vater, Lukas, und ihr treuer Lebenspartner, Frau Bogdanow, der ehrenwerte Helmut Wirth, ist heute Nacht verstorben.«
Obwohl sie die Worte bedächtig ausgesprochen hatte, schlugen sie bei den beiden wie eine Faust mitten ins Gesicht getroffen ein. Sie starrten die beiden Beamten mit weit aufgerissenen Augen an. Ihre Ohren hatten diese Worte akustisch vernommen, aber ihr Gehirn wollte dem Gehörten nicht glauben. Beide reagierten unterschiedlich. Der junge Wirth sprang auf und schrie, dass das ein blöder Scherz sei, wer sie denn geschickt hätte, und dass man mit so etwas keinen Unfug treiben solle. Er griff nach einem Telefon und wählte. Olga Bogdanow ließ sich zurück in den Sessel fallen und hielt sich die Hände vors Gesicht und murmelte etwas in einer osteuropäischen Sprache.
»Bitte setzen Sie sich wieder«, bat Kreithmeier den jungen Wirth. Melanie kümmerte sich in der Zwischenzeit um die Bogdanow.
»Er geht nicht an sein Handy«, rief Lukas Wirth zornig, »verdammt Papa, geh endlich dran. Er ist sicher noch auf dem Festplatz, macht wahrscheinlich noch die Abrechnung. Das muss alles ein Missverständnis sein.«
»Nein, das ist es nicht. Leider ist es wahr. Ihr Vater ist heute Nacht gestorben. Und sein Mobiltelefon hat mittlerweile die Spurensicherung.«
Olga Bogdanow nahm die Hände vom Gesicht und sah Kreithmeier verständnislos an.
»Die Spurensicherung? Was ist denn passiert?«
»Ihr Mann ist heute Nacht bei einem Gewaltverbrechen ums Leben gekommen.«
»Wie bitte?«, hakte sie nach. Sie traute ihren Ohren nicht.
»Helmut Wirth ist heute Nacht erschlagen aufgefunden worden. Er ist tot. Glauben Sie mir bitte.«
»Das ist ja schrecklich«, kreischte die Frau plötzlich hysterisch auf. »Wer hat das getan?«
»Das wissen wir noch nicht. Sollen wir Ihnen einen Arzt rufen, der könnte sich um Sie beide kümmern«, fragte Melanie einfühlsam die Frau.
»Nein, nein, das geht schon. Wenn Sie mir bitte ein Glas Wasser holen würden. In der Küche. Gläser finden Sie rechts im Schrank. Bitte.«
Melanie verschwand im Koch- und Essbereich des großen Wohnraumes und kam recht schnell mit einem Glas Wasser für die Dame des Hauses zurück.
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