»Ich kann auch langsam schauen. Hast du dir wenigstens die Nummer gemerkt?«
»Ja, Freising, SH 47. Ein dunkler A6 Kombi. Ich warte solange auf dich.«
Missmutig sprang Melanie aus dem Wagen, warf ihrem Kollegen noch einen bösen Blick zu, dann verschwand sie im Dunkel der Parkgarage. Es dauerte nicht lange, da tauchte sie wieder auf und hielt ihren Daumen nach oben. Was so viel heißen sollte, wie Okay.
»Du hattest Recht, der Wagen steht hier. Ein dunkelblauer Audi A6 Avant mit dem amtlichen Kennzeichen FS-SH 47. Und jetzt?«, fragte sie, als sie sich auf den Beifahrersitz neben Kreithmeier in den Wagen fallen ließ.
»Wir werden dem Herrn Rechtsanwalt ein anderes Mal einen Besuch abstatten. Am Besten bei der Testamentsverkündung. Jetzt werden wir aber einen anderen feinen Herrn besuchen gehen, vorher muss ich aber noch kurz telefonieren.« Er wählte eine Nummer auf seinem Smartphone.
»Zeidler, Spurensicherung«, meldete sich eine Stimme.
»Rainer, ich bin es, der Alois. Ich habe eine Bitte an dich.«
»Das hört sich nach Arbeit an«, sagte der Zeidler und schnaufte laut.
»Sage mal, habt ihr in dem Kühlcontainer zufällig das Handy des Toten gefunden? Ich habe nämlich nichts entdeckt.«
»Nein, da war nichts. Er hatte keines in seiner Jacke oder Hose und am Tatort habe wir auch keines gefunden.«
»Das ist ja interessant. Dann hat der Mörder das Telefon mitgenommen, um vielleicht einige Anrufe zu decken, die der Tote mit ihm gemacht haben könnte.«
»Das kann sein, Alois. Wir haben von seinem Sohn Angaben zu seinem Provider. Ich lasse das Handy orten und seine Anruferliste ausdrucken. Das ist im Moment alles, was ich für dich machen kann.«
»Okay dann tue das bitte. Außerdem brauche ich Informationen über die Vermögensverhältnisse einer gewissen Familie Sandholzner. Die ehemaligen Wirtsleute auf dem Freisinger Volksfest. Und du solltest doch alles herausfinden über die Vergabe der Volksfestgenehmigungen, insbesondere des Bierzeltes. Hast du das?«
»Ja, Alois, das habe ich. Der Zuständige auf dem Ordnungsamt heißt Stöckl, Peter Stöckl. Ist seit eineinhalb Jahren dafür zuständig. Hat dieses Jahr die Sandholzner abgelehnt. Das Zelt sollte angeblich zu alt sein. Sie hätten ein Neues kaufen oder das Alte renovieren sollen. Mehr weiß ich darüber nicht.«
»Der lehnt ganz einfach einen Festwirt ab, der schon über zehn Jahre auf dem Volksfest residiert?«
»Ja, die Befugnisse hat er. Ich habe in der örtlichen Presse gelesen, dass er damit ziemlich rigoros umgeht.«
»Was meinst du damit?« Alois schaltete auf Lautsprecher, damit Melanie mithören konnte.
»Ich habe einen Artikel gelesen über einen gewissen Kapfhammer. Der hat einen Süßigkeitenstand, der heißt „Sweet Sugar“ und er wollte auf dem Volksfest präsent sein. „Sweet Sugar“ ist kein Ladengeschäft in der Innenstadt, sowie der Hussel, sondern nur ein Verkaufswagen mit allerlei Süßigkeiten. Aber aus Platzgründen dürfe der Kapfhammer mit seinem Verkaufsstand nicht teilnehmen, so habe Peter Stöckl vom Freisinger Ordnungsamt ihm mitgeteilt, erzählte Kapfhammer in dem Artikel den Journalisten. Und er ist ziemlich sauer auf das Ordnungsamt.«
«Das kann ich verstehen«, kommentierte Alois Rainer Zeidlers Bericht.
»Der Kapfhammer beschwerte sich, denn er zweifelte an dieser Entscheidung. Er fand, so der Artikel, dass beim Freisinger Volksfest einheimische Aussteller bevorzugt werden sollten, aber das wäre nicht der Fall. Viele Auswärtige wären in der Luitpoldanlage präsent - aus Fürstenfeldbruck, München oder Niederbayern. Nur er, der Kapfhammer dürfe nicht, dabei fühlt er sich als Freisinger, wenngleich er in Kirchdorf im Ampertal wohnhaft ist. Er sagte der Zeitung, dass der Herr Stöckl ihm gegenüber die Absage zusätzlich begründete, er müsste in Freising wohnen. Und was ist mit der nähern Umgebung, argumentierte er. Gehört die Umgebung denn nicht dazu? Er zahle seine Steuern auch für die Stadt Freising. Als daraufhin die Zeitung den Chef des Ordnungsamtes ansprach, soll dieser nur knapp geantwortet haben, dass Kapfhammer ein letztes Angebot, einen Stand beim diesjährigen Volksfest zu erhalten, abgelehnt habe. Kurzfristig wäre noch was frei geworden, aber den Platz wollte er dann doch nicht haben.«
»Und was hat das alles mit uns zu tun?«, fragte Melanie ins Telefon.
»Das hegt doch den Verdacht, dass Einiges an der Vergabe nicht mit rechten Dingen zugeht. Der Franz Kapfhammer fühlt sich auf jeden Fall unfair behandelt. Seit fünf Jahren bewerbe er sich fürs Freisinger Volksfest, und jedes Jahr würde ihm erneut abgesagt mit der angeblichen Begründung, dass kein Platz frei sei. Der Kapfhammer behauptet in dem Artikel, dass ihn dieser Stöckl aus dem Ordnungsamt schlichtweg abblitzen lässt und ihm immer wieder aufs Neue mitteilen lässt, er solle sich jedes Jahr neu bewerben. Vielleicht klappe es ja diesmal.«
»Also hat es mit dem jetzigen Chef nichts zu tun. Der Kapfhammer wird ja seit fünf Jahren abgelehnt. Weil er kein Freisinger ist, oder?«, fragte Melanie.
»Das kann nicht der Grund sein, weil er kein Freisinger ist«, antwortete Zeidler. »Ich habe die Schaustellerliste auf meinen Schreibtisch. Die Aussage, dass der Kapfhammer direkt in Freising wohnen müsste, ist für mich nicht nachvollziehbar. Es gibt einige Betriebe aus Dachau, Moosburg und auch aus Attenkirchen. Wie zum Beispiel das neue Festzelt. Der Helmut Wirth kommt aus der Holledau. Und die Sandholzners wohnen direkt in Freising. Und dem Kapfhammer sein Wohnort Kirchdorf liegt ja schließlich auch im Landkreis Freising. Reicht das denn dem lieben Herrn Stöckl nicht?« Rainer war aufgebracht. Er atmete schwer.
»Komm zur Ruhe. Reg dich nicht auf. Was steht denn in der Zeitung. Gibt es eine Stellungnahme vom Ordnungsamt?«, wollte Alois wissen
»Unser lieber Volksfest-Manager Peter Stöckl bekam sein kurzfristiges Angebot von Kapfhammer abgelehnt, außerdem argumentiert er, dass sie genügend Süßwarenbetreiber auf dem Volksfest hätten. Und dennoch hätte er Herrn?Kapfhammer noch kurzfristig einen Stand angeboten. Für das nächste Jahr rechnet er mit über 450 Bewerbern. Er trifft lediglich eine Vorauswahl, der Stadtrat entscheidet zu guter Letzt über die Zusagen. Bewerber aus der Stadt und dem Landkreis sieht er natürlich lieber als Auswärtige aus anderen Bezirken.«
»Der Bursche hat ganz schön viel Macht. Da ist es nicht weit weg, dass ein Schausteller ihm eine Summe X für eine Genehmigung anbietet.«
»Bestechung?« Rainer Zeidler pfiff leise.
»Anzunehmen. Rainer, du kennst doch sicher jemanden bei der Sparkasse, so wie ich dich kenne, jemanden, der dir noch etwas schuldet.«
»Mag sein. Was willst du von mir, Alois?«
»Informationen über den Stöckl. Ungereimtheiten auf seinem Bankkonto. Geldeingänge insbesondere. Bareinzahlungen usw.«
Melanie hatte zugehört. »Glaubst du, der Stöckl wurde bestochen? Vom Wirth? Um den Zuschlag fürs Volksfest zu bekommen?«
»Ich schließe es mal nicht aus«, antwortete Alois. »Es ist eine Möglichkeit. Warum nimmt man einer Familie, die damit seit zehn Jahren ihr geregeltes Einkommen hat, das auf einmal weg? Warum? Und das alles ohne Vorankündigung, plötzlich und dazu noch bei einem Mitarbeiterwechsel im Ordnungsamt. Klingt doch verdächtig, oder?«
»Gut, bis wann?«, fragte Rainer Zeidler knapp angebunden.
»So schnell wie möglich. Und du musst dabei sehr vorsichtig sein. Einen Beamten der Stadt der Bestechung und der Korruption zu verdächtigen, das ist kein Kinderschlecken.«
»Ich hab verstanden.«
»Gut, wenn du was hast, ruf mich auf meinem Mobilnetz an. Wir sind jetzt auf dem Weg ins Ordnungsamt. Bis später.« Alois legte auf. Er machte keine Anstalten weiter zu fahren.
»Das ist also der feine Herr, den wir besuchen wollen. Du meinst also, der Tod des Gastwirtes hängt mit der Vergabe der Festzeltgenehmigung zusammen?« Melanie schaute ihren Kollegen fragend an.
Читать дальше