Die zurückgebliebenen Hochzeitsgäste waren gerade im Aufbruch begriffen, als die jungen Leute von ihrer Tour zurück kamen. Froh darüber, dass man sich nun doch noch persönlich vom Brautpaar verabschieden konnte, löste sich die Gesellschaft gut gelaunt auf. Alle hatten daran gedacht, früh genug auf alkoholfreie Getränke umzusteigen und so mussten keine Taxen organisiert werden. Diejenigen, die in der Nähe wohnten, fuhren nach Hause, die anderen in die Pension, in der entsprechende Zimmer reserviert waren. Sie würden ihren Heimweg am Sonntag nach einem gemütlichen Frühstück antreten.
Bereits vor Weihnachten, beim Gestalten der Einladungen, hatten sich Olivia und Lothar Gedanken gemacht, was sie sich zur Hochzeit wünschen sollten. Da sie schon seit einigen Jahren zusammen lebten, war ihr Hausstand eigentlich vollständig. Beide fanden es albern, sich etwas zu wünschen, was sie eigentlich gar nicht haben wollten, nur um eine Wunschliste schreiben zu können. Zudem waren sie sich sicher, dass es niemanden geben würde, der die Schlagbohrmaschine auswählt, die Lothar so gern gehabt hätte. Schnell war deshalb der Entschluss gefasst, nur um Geldgeschenke zu bitten. Olivia hatte eine hübsche Kiste gebastelt und ein Schildchen darauf befestigt, auf dem zu lesen war, dass jeder, der ihnen etwas schenken möchte, den entsprechenden Betrag -mit oder ohne Namen- bitte einwerfen möge. Auf den Einladungen hatten sie geschrieben, dass sie auf einige größere Anschaffungen sparen und sich diesbezüglich über einen Zuschuss freuen würden. Die Kiste stand auf einem kleinen Tisch nahe der Tür und die Gäste, die sich für eine ausgefallene Präsentation ihres Geldgeschenkes oder auch ein anderes Geschenk entschieden hatten, hatten diese einfach dazu gestellt. So war die Tischplatte gut bedeckt mit einem Geldbäumchen, einem Kaktus aus einer Gurke, gespickt mit Münzen als Stacheln, einem kleinen See, auf dem Geldschiffchen schwammen, einer Wäscheleine, behangen mit Hemden aus geschickt gefalteten Geldscheinen und diversen, in buntes Papier verpackte Kartons. Die gebastelte Sparkiste war gefüllt mit Umschlägen und einzelnen Scheinen. Offensichtlich hatten sich die Gäste nicht lumpen lassen und das Paar reich beschenkt.
Marlies und Christa waren als Letzte noch nicht gegangen. Sie halfen beim Einladen der Geschenke ins Brautauto und versicherten Olivia und Lothar, dass sich genügend Helfer angesagt hätten, um am Vormittag den Raum aufzuräumen. Das frisch gebackene Ehepaar könne gerne den Rest der Hochzeitsnacht genießen und dann richtig ausschlafen. Während Lothar den Blumenschmuck von der Motorhaube montierte und vorsichtig auf die Rücksitze legte, bedankte sich Olivia nochmal bei ihrer Mutter für die wunderschöne Feier. Mit herzlichen Umarmungen verabschiedeten sich die Vier voneinander und fuhren nach Hause.
Olivia und Lothar wohnten ungefähr zwanzig Kilometer entfernt in einem kleinen Ort im Odenwald. Während der gesamten Hochzeitsvorbereitungen hatten sie penibel darauf geachtet, dass niemand die Gelegenheit bekam, an einen Schlüssel zu kommen. Zu viele ausgeartete „Streiche“ hatten sie im Bekanntenkreis mitbekommen, von derlei Scherzen wollten sie lieber verschont bleiben.
Nun fuhren sie mit einem guten Gefühl gen Heimat. Sie waren erschöpft und hingen ihren Gedanken nach, so verlief die Fahrt vollkommen wortlos.
Lothar musste den Wagen neben dem Vorgarten an der Straße parken, da die Einfahrt noch von dem VW-Bus belegt war. Er stieg aus und kam zur Beifahrerseite.
„Über die Schwelle tragen muss ich dich jetzt aber nicht, oder?“, fragte er, während er Olivia dabei behilflich war, einigermaßen elegant auszusteigen.
„Nein, nein“, wehrte sie ab, „lass uns jeder was von dem ganzen Zeug nehmen, dann brauchen wir nur zweimal gehen und der Wagen ist leer.“ Insgeheim war sie zwar ein wenig enttäuscht, aber auch sie war müde und so fiel es ihr nicht schwer, Verständnis für Lothar aufzubringen. Eigentlich hatte er ja Recht und dieser Brauch war ziemlich kitschig und nicht mehr zeitgemäß.
Sie brachten alle Geschenke und den Blumenschmuck ins Wohnzimmer. Auspacken wollten sie, wenn sie ausgeschlafen und wieder frisch waren. Noch ehe Olivia sich aus dem üppigen Kleid gepellt hatte, lag Lothar schon im Bett und war eingeschlafen. Die junge Frau hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, hängte Kleid, Petticoats und Schleier ordentlich auf Bügeln an den Kleiderschrank, legte sich neben ihren Ehemann und schlief ebenfalls sofort ein.
Es war schon nach zwölf Uhr, als die Beiden ihr gemütliches Frühstück beendeten und sich den Geschenken widmeten. Mit großem Erstaunen betrachteten sie, begleitet von lauten Lachern, was einige ihrer Freunde und Verwandten ihnen zugedacht hatten. Der unfassbar hässliche, wenngleich sicher wertvolle Kristallkrug von Lothars Schwester war vielleicht ein Familienerbstück. Das Handtuchpaket von Freunden war ok, verschiedene Blautöne in graphischen Mustern kombiniert, schön flauschig, Olivia freute sich darauf, sie zu gebrauchen. Wirklich ausgefallen war der umfangreiche Ratschenkasten, den ein Onkel liebevoll eingepackt hatte. Ob er damit zum Ausdruck bringen wollte, dass bei ihnen die ein oder andere Schraube locker wäre? Ungeachtet dieser Überlegung war Lothar begeistert, dieses qualitativ sehr hochwertige Teil fehlte tatsächlich noch in seiner Werkzeugsammlung. Weit weniger Entzücken löste die Bettwäsche aus. Kleine, zartrosa Blüten auf hellgrünem Grund und dazu Spannbettlaken in beige trafen vielleicht den Geschmack der Kusine, die für dieses Geschenk verantwortlich war, nicht aber den von Lothar und Olivia. Sie befürchteten, in diesem Muster eher Alpträume zu bekommen als darin gut schlafen zu können und beschlossen, das Paket ungeöffnet in den Schrank zu packen. Die beiden mussten lachen, denn auch die typischen Hochzeitsgeschenke, wie Kuchenplatte, Blumen-vase, Fondue-Set und Bowle fehlten nicht. Die meisten hatten jedoch ihrer Bitte entsprochen und sich zudem sehr großzügig gezeigt. Fast dreitausend Euro waren zusammen gekommen und Olivia und Lothar überschlugen, dass sie damit die Schlagbohrmaschine, eine Gefriertruhe und einen neuen Wäschetrockner kaufen konnten und immer noch Geld übrig wäre, das sie in den VW-Bus stecken wollten.
Nachdem sie alles weggeräumt hatten, rief Olivia ihre Mutter an. Sie wollte sich erkundigen, ob es noch etwas zu helfen gab. Marlies verneinte. Sie berichtete, dass es gar nicht lange gedauert hatte, bis der Raum aufgeräumt war. Die Abnahme in der Begegnungsstätte und auch in der Waldhütte hatte schon stattgefunden, beides war reibungslos verlaufen.
Olivia erzählte von ihrem Vormittag und beschrieb jedes einzelne Geschenk ausführlich. Sie diskutierten noch etwas über Geschmack und die Leute, die welchen haben, oder eben auch nicht. Dann verabschiedete Olivia sich, da sie gemeinsam mit Lothar das Auto zu Steve zurück bringen wollte.
„Na, hattet ihr eine schöne Hochzeitsnacht?“, begrüßte Steve die beiden zwinkernd, „Details müsst ihr mir jetzt aber nicht berichten, sonst hab ich gleich Mühe, die Bilder wieder aus meinem Kopf zu bekommen.“ Er lachte laut über seinen anzüglichen Humor. „Gut, dass ihr da seid“, fuhr er fort, „ich muss nämlich langsam los. Ein Kollege hat sich krank gemeldet und ich muss jetzt seine blöde Nachttour übernehmen. So wie der immer rum fährt, muss ich den LKW erstmal umräumen, damit ich mich wohl fühle.“ Olivia und Lothar bedauerten ihn ein bisschen, beteuerten, dass sie ihn auf keinen Fall aufhalten wollten und verabschiedeten sich.
Auf dem Nachhauseweg hatten sie kurz angehalten, um sich Pizza zu holen. Obwohl sie müde waren, überlegten sie nach dem Essen, wo sie in Frankfurt einige außergewöhnliche Reisebüros finden würden. Beide waren nicht gerade die Spaziergänger vor dem Herrn, kurze Wege bei einer größtmöglichen Auswahl wären deshalb perfekt.
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