Natalie fuhr unbeirrt fort. “Sei doch still, du hast ja keine Ahnung, Mila. Bei dem habe ich sowieso keine Chance. Da hätte ich wohl früher aufstehen sollen. Schau nur wie dein Miststück von Cousine rangeht. Wie sie sich die Haare zurückstreicht. Ich kenne mich aus mit der Körpersprache, die ist fällig wie eine reife Tomate. Verdammt nochmal und er schaut sie an, als wäre sie ein Stück Schokotorte mit Buttercremefüllung. Bleibt nichts anderes zu sagen, als dass sie ihn mir bereits weggeschnappt hat.“
Gregory war weit weg mit seinen Gedanken, er hörte Natalies Stimme aus weiter Ferne.
Was zum Teufel hatte er von Leyla erwartet? Sie war ihm nichts schuldig und doch war er sich sicher, dass da etwas zwischen ihnen war. Eine starke Verbindung, die sich nicht leugnen liess.
Mila sah ihn nachdenklich von der Seite an und Natalie redete ununterbrochen weiter. Sie hatte noch kein Date für das Sommerfestival und dies schien momentan ihr grösstes Problem zu sein.
Gregory war die Lust auf Konversation vergangen. Er wollte Aiden treffen und seine Probleme mit den Elementen in den Griff kriegen. Das würde ihn ablenken und das Bild der beiden sich Küssenden aus seinem Kopf vertreiben.
Es war wohl nun keine Hypothese mehr und er musste sich mit dem Gedanken anfreunden, dass er tatsächlich eifersüchtig war. Es war ihm zwar verdammt unangenehm, und am liebsten hätte er Greyson in die Luft gejagt. Aber er sah auch ein, dass ihn eigentlich keine Schuld traf.
Das hatte er nun davon, was musste er sich auch so blöd benehmen und sie geradewegs in die Arme des am besten aussehenden Basketball Typs scheuchen.
Das hatte er wirklich ganz ausgezeichnet hingekriegt, dachte er mit einer gewissen Ironie.
Feuerwerk und Kräuterkunde mit Aiden und Mila
Gregory fuhr mit der Subway zu seinem Treffen mit Aiden. Er setzte seine Headphones auf und tauchte für kurze Zeit in seine Lieblingsmusik von Articolo31 ein. „Domani smetto“, was so viel hiess, wie „Morgen höre ich auf.“ Fragte sich nur, womit? Wie auch immer, er fühlte sich sofort besser, wenn er die Musik von dieser Gruppe hörte, ganz egal, was gerade in seinem Leben abging. Inzwischen hatte er das Starbucks an der Mainstreet erreicht und musste überrascht feststellen, dass Aiden zusammen mit Mila an der Theke sass. Beide hatten einen riesigen Frappuccino vor sich.
Er bestellte sich einen Kaffee. Seit er Greyson und Leyla zusammen gesehen hatte, war ihm die Lust auf Süssigkeiten vergangen. Eigentlich hätte er lieber einen Grappa bestellt, aber das war hier in Kanada leider kein Thema, wenn man nicht über 21 war.
Er setzte sich neben Aiden und warf seinen Rucksack auf den Boden. Aiden nickte ihm zu, sagte aber kein Wort. Es herrschte ein unangenehmes Schweigen.
Gregory räusperte sich. „Ich dachte es wäre besser, wenn man uns nicht zusammen sehen würde. Also, was tut sie hier?“ Er deutete auf Mila.
Sie hob die Hand zum Gruss und zog geräuschvoll an ihrem Strohhalm. Aiden zuckte gleichgültig die Schultern; „Sie gehört zu mir, gewöhn dich besser daran, dass sie dabei ist. Du kennst sie sicher schon, da sie in deiner Klasse ist.“
„Klar kenne ich sie, sie ist die wortkarge Einzelgängerin, die in meiner Klasse ist und manchmal mit Natalie rumhängt. Das erklärt aber noch lange nicht, was sie hier macht. Ist sie deine Freundin?“
Mila sah ihn aus halb geschlossenen Augen an und schlürfte ungerührt ihren Frappuccino.
Aiden lachte. „Sie gehört zu meinem Klan, sie ist eine Akando.“ Zum ersten Mal fiel Gregory das Tattoo an Milas Oberarm auf. Er hatte es bis dahin nicht bemerkt. Sie trug ein schwarzes Tank Top und eine Cargo Hose mit Tarnmuster. Ihr Tattoo zeigte einen Kreis mit einem Blatt darin.
„Was beherrscht du für ein Element, die Topfpflanzen?“
Er lächelte sie spöttisch an.
Mila erwiderte nichts, sie sah ihn nicht einmal an und zog weiterhin mit schlürfenden Geräuschen an ihrem Strohhalm. Gregory war leicht entnervt, zuerst Leyla und Greyson und jetzt diese beiden hier. Er bereute bereits, auf Leyla gehört zu haben und überlegte sich gerade, wieder abzuhauen, als ihn Aiden mit bestimmtem Griff zurückhielt.
„Du gehörst wohl nicht gerade zu der geduldigen Sorte, was, mein Freund?“
Er legte ein paar Scheine auf die Theke und machte eine Kopfbewegung in Milas Richtung.
Sie griff sich ihre Umhängetasche, die in denselben Tarnfarben gehalten war wie ihre Hose und ging Richtung Ausgang. Gregory beschlich das Gefühl, bei einer militärischen Übung dabei zu sein und es war kein sonderlich gutes Gefühl. Aiden stand auf und folgte Mila nach draussen. Gregory blieb nichts anderes übrig, als sich den beiden anzuschliessen. Ohne ein Wort gingen sie vor ihm her und bogen in die nächste Seitenstrasse ein. Aiden holte einen Schlüsselbund aus seinem Rucksack und schloss einen schwarzen Mustang auf, der auf der anderen Strassenseite parkte. „Steigt ein!“, sagte er zu Gregory und Mila.
Mila kletterte auf den Rücksitz und Gregory setzte sich neben Aiden. Er liess den Motor aufheulen und augenblicklich ertönte ohrenbetäubende Rockmusik. Ein Gespräch war bei diesem Getöse unmöglich. Also fuhren sie schweigend davon. Gregory schaute in den Rückspiegel, sie waren schon eine tolle Truppe. Seine Nase war immer noch übergross und der Bluterguss war inzwischen gelb violett und zog sich bis zu seinen Wangenknochen hin. Seine Haare sahen aus wie nach einem Sturm und er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
Aiden sah heute mehr denn je aus wie ein Punk.
Seine Stachelhaare, das schwarze Muskelshirt und zum ersten Mal fiel Gregory auf, dass er einen etwas dunkleren Teint hatte. Er hatte etwas Indianisches, Wildes an sich. Er kreuzte Milas Blick im Rückspiegel. Sie drehte eine ihrer Haarsträhnen zwischen den Fingern und beobachtete ihn. Er sah schnell wieder weg. Sie fuhren wohl durch eine Gegend, in der viele reiche Leute wohnten. Die Häuser sahen teuer aus und die Gärten waren gepflegt. Sie waren etwa zwei Stationen von der Main Street entfernt, in der Nähe von Chester, als Aiden in eine Einfahrt einbog und durch ein eisernes Tor in eine riesige parkähnliche Anlage fuhr. Am Ende der Einfahrt stand ein villenähnliches grosses Haus. Er bremste mit quietschenden Reifen und stellte den Wagen vor dem Haus ab.
Irgendwie passten weder Aiden noch Mila in diese Gegend.
Sie stiegen aus und Aiden stellte sich zwischen Gregory und Mila, er legte jedem eine Hand auf die Schulter und zog sie mit sich.
„Denke, die Luft ist rein, mein Alter ist mit seiner neuen Eroberung auf die Bahamas geflogen und wir können ungestört üben.“ Gregory sah ihn fragend an. „Soll das heissen, deine Eltern sind nicht da?“
Aiden wiegte den Kopf. „Das soll heissen, dass meine neue Stiefmutter etwa genauso alt wie ich ist. Nein, ohne Scheiss, ich glaube, sie ist schon 21, ich habe sie nämlich schon öfter besoffen gesehen. Gestern Abend hat sie mich wohl mit meinem Alten verwechselt, als sie mir an die Wäsche wollte.“
Gregory gab sich Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie betroffen er war. Aiden musste aus einer arg zerrütteten Familie stammen. Daran konnte auch der zweifelsohne vorhandene Wohlstand nichts ändern. Wahrscheinlich war Aiden so desillusioniert und enttäuscht von seinem Vater, dass er deshalb so abgebrüht wirkte.
„Wo ist denn deine Mutter? „fragte er ihn vorsichtig.
„Meine Mutter ist tot, mein Vater hat sie auf dem Gewissen.“, erwiderte Aiden gepresst, voll unterdrückter Wut.
Gregory bewunderte Aiden für seine Selbstbeherrschung und seine Kontrolle. Er hätte längst das ganze Anwesen abgefackelt, wenn er so wütend gewesen wäre.
Mila schlenderte zu ihnen hinüber. „Aidens Mom war zur Hälfte Navarro Indianerin und ist auf den falschen Typen reingefallen. Das kann schon mal passieren in unseren Kreisen. Sie fiel dann der Mafia zum Opfer und nun ist sie tot.“
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