Inhaltsverzeichnis
Teil I – Der Aufstand
Ein Händler aus dem Gau von Senongano
Der Auftrag der Könige
Notburga
Der Zug zu den Wenden
Der Anführer der Slawen
Das Castellum Kunibertis
Die Fallen schnappen zu
Ein besonderer Gefangener
Der Gegenschlag der Awaren
Der sterbende Fürst
Teil II – Nachbarschaftlicher Ärger
Das große Haus des Samo
Großfürst der Slawen
Die Tochter des Komentiolos
Reisende
Liebeleien
Gradec
„Fränkische Händler“
Langobarden
Geschäfte
Ein Bündnis wird bekräftigt
Versprechen werden eingelöst
Teil III – Krieg
Fränkische Unterhändler
Ein großer Krieg zieht auf
Erste Kämpfe
Gefangen
Franken am Fuße der Wogastisburg
Der Sturm auf die Wogastisburg
Alles in diesem Land ist gegen uns!
Im Lande der Baiern
„Wirf sie aus dem Tal!“
Teil IV – Neben- und Miteinander
Erinnerungen
Der Zug der Bulgaren
Mord
Aus Kindern werden Leute
Auf der Jagd
Notburga in Not
Vater und Tochter
Ein Kaufmann aus dem Gau von Sengano
Der Kreis schließt sich
Anhang 1 – Handelnde Personen
Anhang 2 – Auszug aus der Fredegarchronik / Erklärung des Autors
Impressum
Teil I – Der Aufstand
Ein Händler aus dem Gau von Senongano
Im Winter des siebten Regierungsjahres 1des Frankenkönigs Chlothar II bewegte sich eine kleine Karawane von etwa 40 Männern auf ein Gehöft zu, das im Gau von Senonago lag.
Viele Jahre später sollte diese Stadt einmal den wohlklingenden Namen „Sens“ tragen, aber das wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand.
Der Anführer der Karawane wurde von allen Leuten nur Samo gerufen und war ein kräftiger junger Mann von 25 Jahren. Seit etwa zwei Jahren war er mit Adelgunde verheiratet, die 20 Winter zählte und mit der er einen knapp einjährigen Sohn, namens Ingvar hatte.
Zuletzt hatte er die beiden im Frühling gesehen, als er sich auf den Weg nach Byzanz machte, um dort feinste Tuche zu erwerben. Denn mit dem Handel bester Weine und Tuche verdiente er seinen Lebensunterhalt. Der eigentliche Name Samos war Samson, aber nur seine Frau nannte ihn bei diesem Namen.
Da er dem Bischof von Paris die Steuern schuldete, hatte die Karawane einen Umweg dorthin gemacht und der ehrwürdige Bischof hatte ihm huldvollerweise bestätigt, dass Samo seine Steuern für die nächsten vier Jahre abgegolten hatte. Für fünf Ballen feinsten Leinens und einem Ballen feinster Seide hatte man das auch erwarten können. Zusätzlich hatten die Männer noch fünf Wegelagerer bei dem ehrwürdigen Herrn vorgeführt, die es mit ihrer Bande von etwa 50 Dieben gewagt hatten die Karawane des Samo anzugreifen.
Der Angriff konnte dank der hervorragenden Bewaffnung von Samos Leuten abgewehrt und die meisten Angreifer erschlagen werden, während nur zwei von Samos Männern kleinere Wunden davon getragen hatten. Die Wertsachen der Wegelagerer wurden ihnen abgenommen und ihre Leichen am Wegesrand liegen gelassen – als Warnung für diejenigen, die ähnliches vorhatten.
Samo sehnte sich danach seine Familie wiederzusehen, er war eigentlich viel zu selten zu Hause und hätte gern wesentlich mehr Zeit mit seiner Frau und dem kleinen Ingvar verbracht.
Den meisten seiner etwa 40 Begleiter, die mit ihrer vortrefflichen Bewaffnung und den kräftigen Pferden – bei schönem Wetter – ein wunderbares Bild abgaben, mochte es ähnlich ergehen. Sie alle stammten aus dem Senonganer Gau.
Kurz vor den ersten Schneefällen hatten sie die Alpen überquert, das Land Burgund erreicht und konnten sich nun nach Orleans wenden. Zum Fest des heiligen Lazarus hatten sie diese Stadt erreicht.
Jetzt – es waren noch zwei Tage zur Wintersonnenwende, also dem Fest der Heiligen Lucia – fiel der Schnee in solchen Mengen, dass sie nur noch beschwerlich vorwärts kamen und sich in ihre dicken Mäntel hüllen mussten.
Alles in allem sah dieser Zug – bei diesem Wetter – nicht danach aus, dass mit ihm die erlesensten Stoffe transportiert wurden, die Neustrien und Burgund in der nächsten Zeit zu sehen bekommen würden. Was aber kein Problem darstellte, denn die Reisenden wollten in erster Linie gesund zu Hause ankommen.
Samo hing seinen Gedanken nach, bald würde er seine schöne Frau wieder in den Armen halten können, sie würden sich lieben und eine Menge zu erzählen haben, als ihn Benno – der als Kundschafter voraus geritten war – unwirsch aus seinen Gedanken riss:
„Alarm – ein Überfall – der Hof von Samo steht in Flammen!“
Samo war sofort hellwach. „Zwanzig Mann mir nach, der Rest bleibt bei den Wagen!“
Dann rammte er seinem Pferd die Fersen in die Flanken.
Samo und die vorderen zwanzig Mann folgten Benno in vollem Galopp zu dem Handelshof und sahen das schreckliche Unglück, das die Flammen dort bereits angerichtet hatten. Einige Bauern aus den umliegenden Gehöften waren dabei das Feuer zu löschen und Samos Männer machten sich sofort daran ihnen zu helfen.
Von den Angreifern fehlte jede Spur.
Samo selbst rannte ins Innere des Hofes, aber ein alter Mann – den er zunächst gar nicht erkannte – hielt ihn davon ab.
„Nein Samo, schau dir nicht an, was diese Goten angerichtet haben.“
„Welche Goten? – Hier? – Weshalb?“
„Adelgunde ist erschlagen und Ingvar – er war doch noch ein Kind…“
Jetzt erst erkannte Samo, seinen Schwiegervater Sigubert der vor ihm zusammengebrochen war.
Jedoch wollte er sich selbst ansehen, was dem Vater seiner Liebsten nicht über die Lippen kommen wollte.
Als Samo im Inneren des Hofes angekommen war, sah er, dass das Fenster des Gemaches, das er sich mit Adelgunde teilte, offen war. Das war ungewöhnlich, da normalerweise die Läden der Fenster während der gesamten kalten Jahreszeit fest verschlossen waren.
Er ging also auf dieses Fenster zu und strauchelte, nur durch einen schnellen Schritt zur Seite konnte er einen Sturz verhindern. Als Samo sah worüber er fast gefallen war, stockte ihm der Atem.
Zu seinen Füßen sah er den geschundenen Körper seines kleinen Sohnes liegen. Das Gesicht Ingvars lag im Dreck, neben seinem Gesicht war der Schnee mit Blut bedeckt, sein linker Arm lugte unter dem Kopf hervor, während der rechte Arm nach hinten verdreht war. Die Beine Ingvars lagen ebenfalls unnatürlich auf dem Boden.
Erst nach einem kurzen Moment, war es Samo möglich sich zu Ingvar zu beugen und dessen, weit aufgerissenen Augen, zu schließen. Ein lauter Schrei drang aus seinem Mund, als er den kleinen Körper berührte.
„Was ist geschehen? Wo ist meine Frau?“ drang es ihm durch den Kopf.
Samo bettete den toten Körper seines Sohnes in eine würdigere Position und betrat – auf das Schlimmste gefasst – das Haus, in dem völlige Dunkelheit herrschte.
Zu seinem Glück kannte er sich hier blind aus, so dass er ohne weitere Zwischenfälle in das Gemach gelangte, dessen Fensterläden weit offen standen.
Durch das hereinfallende, düstere Licht sah er seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt:
Adelgunde lag mit zerrissenem Gewand auf dem Bett, das er vor drei Jahren mit eigenen Händen gebaut hatte. Ihre sonst so lebendigen, wunderschönen braunen Augen, die er immer als den Spiegel ihrer Seele bezeichnet hatte, starrten nun leblos die Decke an. Adelgundes schlanke, aber kraftvolle Beine, die Samo so gern an seinem Körper gespürt hatte, lagen gespreizt und leblos auf dem Bett.
Aus ihrem Hals, den Samo so gern mit seinen Küssen bedeckt hatte, lief in einem kleinen Rinnsal Blut heraus, nachdem ihr die Kehle durchtrennt worden war. Ringsum hatte sich eine große Blutlache ergossen.
Samo brüllte seine Wut und seinen Hass auf denjenigen hinaus, der dieses Verbrechen begangen hatte und sein Brüllen ließ die Wände seines Hauses erzittern.
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