Albin schritt dem König und seinem speichelleckenden Gefolge weiter hinterher und fragte sich langsam, wie viele dieser engen Gänge sie noch durchschreiten mussten, bis sie endlich die luxuriösen Audienzräumlichkeiten des Königs erreicht hätten. Zu allem Überdruss lobte dabei einer der beiden Gefolgsleute, nämlich der, welcher die Tür nicht magisch öffnete und daher wohl nicht einer seiner Obermagier war, den König für die lächerlichsten Dinge, die man sich vorstellen konnte. Dutzende Male erwähnte er außerdem, wie toll der König sei und wie bescheiden und wie gütig und wie großmütig und wie friedfertig und so weiter er auch sei, also genau die Eigenschaften, die er tatsächlich am allerwenigsten verkörperte. Albin hielt sich nach einer Weile die Ohren zu und tat dann schnell so, als hätte er sie sich wegen einem Juckreiz nur gekratzt, nachdem der König sein offensichtliches Desinteresse an der königlichen Größe merkte. Glücklicherweise kamen sie kurz danach in besagten Audienzräumlichkeiten an, die zu Albins Überraschung aus einem einzigen, etwa dreißig Quadratmeter großen Raum bestanden, in dessen Mitte ein Tisch mit zwei gegenüberstehenden, ungleich großen Stühlen stand und an dessen einer Seite daneben sich eine kleine, hässliche Topfpflanze befand. Am Ende des Raumes befand sich eine Tür, die den Zugang zum Schlafzimmer des Königs ermöglichte.
„Das sind meine Audienzräumlichkeiten“, prahlte König Theobald der Siebte und lud Albin mit einer Geste der Großzügigkeit ein, seine luxuriösen Audienzräumlichkeiten zu betreten.
„Luxuriöse Audienzräumlichkeiten, hem?“ dachte Albin unter anderem und setzte sich an den wesentlich kleineren Stuhl am Tisch.
Der König setzte sich breitbeinig gegenüber hin und verschränkte selbstgefällig die Arme. „Was willst du? Geld?“ begann er sofort das Gespräch. Anscheinend vermutete er, dass Albin kam, um ihn zu erpressen. Vielleicht wusste Baldomir der Dreiundvierzigste ein paar schmutzige Details aus seinem Privatleben, die ihn stark in Bedrängnis gebracht hätten, wenn sie in der splinarsaischen Regenbogenpresse veröffentlicht werden würden und der König dachte nur, Albin sei der Kontaktmann. Das wäre zumindest ein möglicher Grund gewesen, der diese Frage veranlasst hätte.
„Nein“, antwortete Albin und bemerkte, wie sich die Miene des Königs in Windeseile entspannte.
„Was willst du dann?“ fragte der König.
Aus irgendeinem Grund dachte Albin nun an ein kleines, fruchtiges Kaubonbon, um das er den König hätte bitten können, aber schob diesen Gedanken schleunigst beiseite. „Mein Dorfältester, der Hohe Baldomir der Dreiundvierzigste schickt mich zu euch“, sagte er stattdessen.
„Jaja! Der Hohe Baldomir!“ blaffte der König und machte eine bescheuerte Geste.
Albin schwieg daraufhin.
„Das sagtest du bereits. Komm zur Sache, das mit dem Friseurtermin meinte ich ernst!“ schnauzte der König und zwirbelte genervt an seinem Bart herum.
„Nun, eure Majestät. Es geht darum, dass ich unser geliebtes Biglund vor einem bösen Hexenmeister retten muss. Ich muss das Siegel der Macht und die vier Samen der Elemente finden, bevor er es tut. Mir wurde versichert, dass ihr wisst, wo sich diese Gegenstände befinden“, erläuterte Albin.
Der König schwieg einen Moment lang und sah gedankenverloren in die Ferne, um über Albins Worte gründlich nachzudenken oder zumindest den Anschein zu erwecken. „Hmm, so ist das also“, antwortete er dann leicht kopfnickend und zwirbelte mit den Fingern an einem anderen Teil seines Bartes herum. Albin mochte die seltsame Art und Weise, wie er das sagte, überhaupt nicht. „Du hältst mich wohl für komplett bescheuert wie?!“ ergänzte er.
Das stimmte zwar, doch Albin verstand nicht ganz, warum der König ihm das in diesem Moment vorwarf. „Euere Majestät, ich verstehe nicht ganz...“, antwortete er.
„Glaubst du etwa, ich weiß nicht, was hier vor sich geht?!“ keifte der König und starrte Albin mit böse funkelnden Augen an. „Mit der linken Hand zeigst du mir den Standort des Feindes und mit der rechten wirst du mich im nächsten Moment hinterhältig erdolchen!“
„Was, ähm. Wie bitte?“ antwortete Albin entsetzt.
„Ja, das willst du also in Wahrheit!“ bellte der König, stand von seinem Stuhl auf und stützte seinen Körper mit beiden Fäusten auf dem Tisch ab. „Mich in einen Hinterhalt locken willst du, um anschließend hinter meinem Rücken einen einfachen Waldläufer zum König zu machen! Pah, scher dich weg!“
„Euer Majestät, welcher Waldläufer?!“
„Ach, wie? Das willst du also nicht?“ fragte der König völlig verdattert und setzte sich langsam wieder hin.
„Nein!“ versicherte Albin nachdrücklich. „Es geht mir ausschließlich um die Rettung Biglunds.“
Der König beruhigte sich wieder. „Sag mir, junger Mensch, denn das bist du ja augenscheinlich, wie?“ fragte er Albin und machte eine Pause.
„Ähm, ja“, versicherte Albin wieder und seine Bedenken um des Königs Geisteszustand wuchsen mit jeder Sekunde.
„Was springt dabei für mich raus?“
Mit dieser Frage hatte Albin nicht gerechnet. Schließlich befand sich das Königreich Splinarsa in Biglund und würde zwangsläufig ebenso dem Untergang geweiht sein, wenn es Prosta gelingen würde, Biglund in ein neues Zeitalter des Chaos zu stürzen, falls es zutraf, was ihm der Dorfälteste mitgeteilt hatte.
„Eure Majestät. Ich bin kein reicher Mann und ich war auch noch nie gut in den Künsten der Magie und der Kriegsführung“, versicherte Albin und fuhr fort: „Und ansonsten kann ich eigentlich auch nichts außer Murmeln spielen und Pilze sammeln.“
„Was willst du dann hier? Du verschwendest meine wertvolle Zeit!“ unterbrach ihn der König.
„Nein, bitte lasst mich ausreden. Wenn Biglund zerstört wird, dann auch euer Königreich“, entgegnete Albin.
Der König sah Albin misstrauisch an und blickte stirnrunzelnd hinüber zu einem seiner Hofgelehrten, der daraufhin eifrig nickte, eine Landkarte von Biglund vor sich ausbreitete und mit seinem Finger auf das Königreich Splinarsa zeigte, welches sich auch auf dieser Landkarte - für den König scheinbar erstaunlicherweise - vollständig in Biglund befand.
„Und dann wäre all eure Macht dahin für alle Zeit“, ergänzte Albin und traf damit scheinbar mitten ins Schwarze.
Der König überlegte eine Weile lang, was für Albin so aussah, als wäre es Schwerstarbeit für ihn gewesen und kam schließlich zu folgendem Schluss: „Hmm, vielleicht hast du Recht, junger Mann aus dem hinterwäldlerischen Dorf. Ich bin ein viel zu gütiger König, also kann ich doch mein eigenes Königreich und Volk nicht so einfach im Stich lassen, oder was meint ihr?“ fragte er und schielte mit einer viel zu selbstgefälligen Geste seinen beiden stehenden Begleitern zu, die daraufhin kurz zusammenzuckten und anschließend reflexartig mit dem Kopf nickten.
Albin fühlte sich damit seinem Ziel schon sehr nahe.
„Aber ich selbst kann es dir leider nicht sagen, wo sich diese Gegenstände befinden. Ich kann ja nicht einmal lesen und schreiben, verstehst du.“
„Und der nennt mich einen Hinterwäldler“, dachte Albin mehr wütend als enttäuscht.
„Jedoch kenne ich eine Person, die dir helfen kann“ sagte der König und schenkte Albin neue Hoffnung. „Die Wassernixe Pluna kann es dir vielleicht verraten. Sie ist gut in solchen magischen Sachen und kennt fast jedes Gerücht, auch wenn sie es nicht einmal selbst in die Welt gesetzt hat. Also das sagt man sich zumindest, habe ich irgendwo mal gehört, glaube ich jedenfalls.“
Vielleicht war es der größte Unsinn, den ihm der König überhaupt erzählen konnte und obendrein schlicht und einfach die Unwahrheit, doch es hätte auch ein kleiner Funken Hoffnung in Albins aussichtsloser Lage sein können. Albin musste es versuchen und er hatte nicht den leisesten Eindruck davon, dass ihm der König in dieser Hinsicht mehr helfen könnte, als er es bisher mit seiner letzten, vage formulierten Aussage tat. Er musste herausfinden, wo sich diese Wassernixe aufhält. „Und wo finde ich diese Wassernixe?“ fragte Albin.
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