Zu diesem Zeltplatz an der“ Großen Krampe“ fuhr man von Berlin mit der Straßenbahn und Bus bis zu dem Dorf Müggelheim und von dort war es dann noch ½ Stunde Fußweg durch den Wald bis an das Wasser. Sie hatten immer viel Gepäck zu schleppen, das Badezeug, die schweren Bademäntel, Bücher und Spiele und vieles für die Verpflegung.
Täglich kam aber auch ein Versorgungs- Boot zur Großen Krampe und es gab immer viel Spaß und Geschrei. Die Kunden standen halb im Wasser um das Motorboot herum und trugen dann ihre Einkäufe vorsichtig zu ihren Unterkünften. Man konnte Bestellungen aufgeben, was dann tags darauf geliefert wurde. Der Bedarf war groß, denn viele Familien verbrachten hier mit ihren Kindern lange Wochenenden und die Ferien. Es wurde geschwatzt und gelacht und man lernte sich kennen. Besonders in den Ferien war es natürlich voller Schulkinder, die hier ausgelassen herumtoben und baden konnten. Vom Strand ragte ein schmaler Steg ins Wasser für die anlegenden Paddelboote und seit kurzem gab es sogar eine Art Sprungbrett, wovon Mutige sich in das tiefere Wasser stürzen konnten.
Cordulas Vater brachte eines Tages ein großes, rotes Gummiboot aus Berlin mit. Es wurde ausgebreitet und mit einer Fuß betriebenen Luftpumpe aufgeblasen. Sämtliche Urlauber standen bewundernd drum herum. Dann wurde es im Triumphgeschrei und hoch erhoben über den Köpfen zum Ufer getragen und zu Wasser gelassen. Herr und Frau Holtei nahmen darin Platz und begannen mit den kurzen Paddeln sich vom Ufer fort zu bewegen. Cordula und ihr jüngerer Bruder Gerhard stürzten sich ins Wasser und beeilten sich hinterher zu schwimmen. Sie konnten sich dann an das Seil hängen, das draußen rund um das Gummiboot hing, aber die Mutter hatte Angst und wollte bald wieder zurück ans rettende Ufer.
Es war ein besonderes Ereignis am Strand an dem alle Urlauber große Anteilname und einen Riesenspaß hatten.
Manches Mal gab es dann abends auf dem mit bunten Lampions geschmückten Festplatz Tanz, Musik und kleine Vorführungen und einmal führte Cordula mit ihrem Bruder Gerhard das kleine Singspiel auf: „und der Hans schleicht umher, trübe Augen, blasse Wangen und der Kopf ihm befangen und das Herz ihm so schwer . . . . .“ worauf zu aller Überraschung ein Sänger danach ein Ständchen für Cordulas Schwester Elisa brachte und ihr ein Liebeslied sang. Aber Elisa wollte davon gar nichts hören und verkroch sich lieber im Zelt der Eltern.
Es gab sogar einmal eine Hochzeit von einem Paar, das sich dort am Strand kennengelernt hatte. Man briet ein Schwein am Spieß und alle waren eingeladen. Auf dem Festplatz wurde nach dem Schifferklavier getanzt und über das Hochzeitsfoto mit den über Hundert beteiligten Gästen wurde später viel gestaunt und gerätselt, denn es waren alle Ferien- und Urlaubs- Besucher vom Strand mit darauf.
Cordula hatte dort eine Freundin, ein langbeiniges, hübsches Ding, namens Karin, die von ihrem Vater auf Hindernisrennen trainiert wurde, für die nächste Olympiade. Die beiden Mädchen saßen oft stundenlang am Strand und hatten sich endlos zu erzählen. Cordula sah zu, wenn die Freundin mit ihren langen Beinen über die Hindernisse setzte, die ihr der Vater aufgebaut hatte. Karin war 2 Jahre älter als Cordula, die sie sehr bewunderte.
Der Freund Heinz Philipp war dabei und machte mit den beiden Mädchen öfter eine Fahrt mit seinem Motorboot über die Große Krampe. Er konnte nur an den Wochenenden kommen, da er schon in der Ausbildung war und Feinmechaniker lernte. Er sollte einmal die große Wäscherei-Fabrik seiner Eltern übernehmen, die in Köpenick an der Spree lag.
Peter war besorgt, dass er das Mädchen nun eine Weile nicht sehen würde und fragte sie, ob sie sich Briefe schreiben könnten. Sie war Feuer und Flamme dafür, fand es romantisch und wollte es ganz geheim machen und so verabredeten sie, er sollte ihr postlagernd einen Brief schicken in das dortige Postamt. Das klappte ganz gut, aber schon beim zweiten Brief merkten die Eltern etwas und wunderten sich, warum das Mädchen dauernd mit dem neu erworbenen Fahrrad in das Dorf Müggelheim fuhr. Sie stellten die T Tochter zur Rede. Es kam zu Tränen und Aufregung, das Mädchen rannte aus dem Wohnzelt und zu ihrem Spielfreund, dem sie schluchzend alles erzählte.
Heinz, der verwöhnte einzige Sohn des Fabrikbesitzers hatte mit seinen 21 Jahren bereits ein Auto und ein Motorboot und lud öfter die Jungen und Mädchen vom Campingplatz dazu ein, mit ihm auf die andere Seite des Sees zum Schwimmen zu fahren oder abends im Schein der Taschenlampen Krebse zu fangen, worin er Meister war und sie immer viel Spaß hatten. Er konnte vier Krebse im flachen Wasser auf einmal fangen, zwei mit seinen Füßen und zwei mit den Händen. Am nächsten Tag wurden dann die Krebse gekocht, wobei die Kinder um den großen Topf standen und zusahen, wie die Krebse allmählich rot und dann gemeinsam verzehrt wurden. Als Nachtisch gab es Kirschen, die aus den Nachbargärten stammten.
Heinz war ein ziemlicher Draufgänger und spielte begeistert Eishockey in einem Club. Cordula hatte in ihm einen Beschützer und Freund. Manchmal nahm er sie mit auf seinem Fahrrad zu einem anderen Freund und sie spielten dort Krocket auf dem Rasen.
Der junge Mann lernte Feinmechaniker und an einem Wochenende kam er einmal mit einer verbundenen Hand. Als Cordula ihn fragte, zeigte er ihr, dass er sich einen Metallsplitter in den Daumen gezogen hatte und der jetzt rot und entzündet war. Cordula wusste Rat. Sie holte ihre kleine Pinzette aus ihrer Handtasche und zog damit schnell und geschickt den Splitter aus der Wunde, die sie gleich desinfizierte und verband. Heinz war ganz begeistert.
Er war selbst in das Mädchen verliebt und hatte ihr schon gesagt, dass er sie heiraten wollte, wenn sie erwachsen wäre. „Ula“, sagte er immer zu ihr, „Du bist so anders als die anderen Mädchen“, sie wusste jedoch nicht genau, was er meinte. Jetzt versprach er ihr aber Hilfe, verabschiedete sich und fuhr nach Berlin rein. Am nächsten Nachmittag als Cordula vor dem Zelt im Liegestuhl lag und las, sah sie mit Schrecken ihn zusammen mit Peter durch den Wald kommen und zu ihren Eltern gehen. Sie glaubte sich verraten, aber Heinz beruhigte sie und sagte, dass sie zu ihren Eltern reingehen sollte.
Dort fand sie Peter mit strahlendem Gesicht und ihr Vater sagte: „ Mein kleines Mädchen, Herr Peter Rohland hat soeben um Deine Hand angehalten, was sagst Du dazu?“ Cordula konnte überhaupt nichts sagen, am liebsten wäre sie weit fortgelaufen. Sie stand schon fluchtbereit mit dem Rücken zur Tür, dabei hätte Peter, wie er ihr später sagte, es so gerne gehabt, dass sie ihm jubeln um den Hals gefallen wäre. Sie war aber völlig verwirrt und von der Situation überfordert. Später gingen die Beiden schweigend in der lauen Sommernacht am Wasser spazieren, wo er sie einfach nur an der Hand hielt.
Nun wurde alles ein bisschen anders. Sie waren gewissermaßen verlobt und an ihrem Geburtstag im November wurde sie 15 Jahre. Peter wollte, dass sie Reit- und Tennis-Unterricht bekam, denn er selber war von zu Hause gewohnt zu reiten und spielte gut Tennis. Sie durfte aber dabei die Schule nicht vernachlässigen und dafür versprach er den Eltern gerne, ihr beim Lernen der Englischen und Französischen Vokabeln zu helfen. Sie war aber eine gute Schülerin. Ihr Vater war stolz auf seine jüngste Tochter und nannte sie stets seine Sprachbegabte. Sie schrieb gute Aufsätze, die oft vor der Klasse vorgelesen wurden. Allerdings hatte sie einmal eine schlechte Note in Mathematik, worüber der Vater sehr ärgerlich war.
Cordula wollte zu gerne Stepptanz lernen, denn sie schwärmte für die ungarische Filmschauspielerin Marika Rökk und sah sich stets die Filme an, in denen sie tanzte. So ging Peter mit ihr an einem ihrer Sonnabende zum Kurfürstendamm, um schwarze Lackschuhe zu kaufen und ließ vom Schuhmacher die klappernden Metallplättchen darunter befestigen. Nach jedem Unterricht zeigte sie ihm dann die gelernten Schritte und er applaudierte ihr begeistert.
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