(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft[,]
dann darf unterstellt werden, dass keine moderne Modifikation des Begriffs Ehe der verfassungsgebenden Versammlung vor Augen stand, sondern die qua Commonsense geltende Definition der Ehe als einer verbindlichen Gemeinschaft zwischen Mann und Frau, aus der, auf natürliche Weise, die in Absatz 2 genannten Kinder hervorgehen. Niemand wird ernsthaft bezweifeln wollen, dass die Verfasser des Grundgesetzes Ende der vierziger Jahre bei dem Begriff »Ehe« allein die Ehe zwischen Mann und Frau im Blick hatten und keine experimentellen Umdeutungen. Der Schutz, von dem Absatz 1 spricht, gilt eo ipso auch, vielleicht sogar in besonderer Weise für Angriffe, wie sie SPD, Linke, Grüne und progressive Kreise innerhalb der Union durch das Postulat einer so genannten »Ehe für alle« führen. Denn Schutz bedeutet selbstverständlich auch Schutz vor allen Versuchen, den im Grundgesetz genannten Begriff Ehe zu entwerten, zu modifizieren oder komplett neu zu deuten. Ob die deutschen Verfassungsrichter dieser Argumentation im Falle einer (durchaus möglichen) Klage folgen würden, bleibt abzuwarten. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht auch schon bei der Zulassung der eingetragenen Lebenspartnerschaft von 2002 veränderten Wahrnehmungen und Bedürfnissen in der Gesellschaft Rechnung getragen. Allerdings darf man unterstellen, dass die Väter des Grundgesetzes etwas festzuschreiben gedachten, was sie auf der Grundlage von christlicher Tradition und Commonsense für universell gültig hielten, und nicht etwas, das fortwährenden Modifikationen auf der Grundlage eines sich wandelnden Geschmacks, sich wandelnder Moden oder eines sich wandelnden Zeitgeistes unterliegt. Für solche Veränderungen in der Gesellschaft gibt es das BGB, das durch die Lebenspartnerschaftsregelung den erkennbaren gesellschaftlichen Veränderungen bereits umfassend Rechnung getragen hat. Im Hinblick auf die aktuelle Debatte würde die Abkehr vom Prinzip der Universalität des Grundgesetztextes, konkret: der Unveränderlichkeit des Ehe-Begriffs, zudem implizieren, dass eine »Eheschließung für alle« in absehbarer Zeit auch wirklich alle mit einschließt, also beispielsweise auch Minderjährige, die heiraten möchten, Geschwister, die heiraten möchten und Menschen, die bereits mit einem anderen Partner verheiratet sind und noch einen heiraten möchten (Polygamie). Sobald gesellschaftliche Veränderungen (mit Blick auf die Polygamie etwa der fortdauernde Zuzug von Muslimen, in deren Kultur Polygamie weitgehend akzeptiert ist) dies als opportun erscheinen lassen, müsste die Politik, gemessen an der Logik, die zu dem neuen Ehegesetz führte, erneut reagieren.
In Anbetracht solcher Implikationen überrascht es nicht, dass die »Ehe für alle« nach Auffassung führender Verfassungsrechtler wie des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier und seines Kollegen Hans Hugo Klein 1mit dem Grundgesetz schlicht unvereinbar ist. Bei so einem drastischen Befund stellt sich automatisch die Frage: Warum wird dieser Angriff auf das Grundgesetz nicht mit großem medialen Getöse öffentlich thematisiert und diskutiert? Die Antwort ist erschreckend einfach: weil die Stimmung im Land dagegen spricht. Kein Politiker, kein Medium, keine andere Stimme von Gewicht kann mit einem Frontalangriff auf die Eheöffnung punkten. Um diese »Stimmung« – man könnte auch sagen: öffentliche Meinung – besser zu verstehen, muss man verstehen, wer sie am besten anheizt und am meisten beeinflusst. Das führt uns zum zweiten Kapitel.
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