Beim Zuilossn (Belegen) der Kühe beim Gemeindestier, wohin jede Kuh zum Belegen gebracht wurde, stand Karl vorne beim Zaumzeug, damit das Tiere still hielt, und massierte mit der Goasl (Peitsche) leicht den Rücken, damit die Kuh den Rücken zur leichteren Empfängnis krümmte. Er wachte, wenn die Schweine und Kühe ausschütteten (Junge bekamen), ganze Nächte in den Ställen, um aufzupassen, dass die kleinen Farl (Ferkel) nicht erdrückt werden beziehungsweise massierte das kleine, neugeborene Kalb mit Stroh und Heu, damit der Kreislauf angeregt wurde. Ebenso massierte er die Tiere mit Stroh oder Heu, wenn sie Blähungen hatten. Die Dienstbuben halfen in den vielen Winternächten Kern ausschlagen (Kürbiskerne schälen), trugen die getrockneten Kürbiskerne zum Kernausschlager und brachten in einer Kanne das Kernöl und in einem Korb auf dem Kopf den Abfall (Kuchen) für das Verfüttern der Kühe heim.
Das Leder des Zaumzeugs rieb Karl mit der Schmer (Fett) ein, damit es nicht brüchig wurde, das Kummet mit Lederöl, um es winterfest zu machen. Das Aluminium putzte er mit Sidol, sodass es glänzte.
Die Dienstbuben putzten jeden Tag Kühe und Rösser, nur am heiligen Christtag, Pfingstsonntag, Ostersonntag nicht. Dienstbuben gingen an den kirchlichen Feiertagen und an kleinen Bauernfeiertagen, am 2. Feber zu Maria Lichtmess (Kerzenumzug und Dienstbotenwechsel), 3. Feber Blasiustag (Blasiussegen der vor Halsweh schützt), 17. März Patrizitag, 4. Mai Tag des hl. Florian, 8. und 13. Juni hl. Antonius und hl. Patrizius, Schutzpatrone für Wirtschaft und Vieh in die Kirche und machten nur die Stallarbeit, auf den Feldern wurde nicht gearbeitet.
An diesen heiligen Tagen mussten sie den Stall nicht ausmisten, sondern brauchten nur Stroh über das alte verschmutzte Stroh geben, welches einen Tag vorher bereitgestellt worden war, um an diesen Tagen nur das Notwendigste zu arbeiten. Auch im Haus wurde nur das Notwendigste getan. Nicht einmal die Küche wurde an diesen heiligen Tagen ausgekehrt.
Die Dienstbuben schliefen im Winter in den warmen Ställen und im Sommer auf den Heuböden oder Futterkammern der Bauern und bekamen Kost und Quartier. Zum Essen in der Früh wurde mit Brot eingebröckelter Malzkaffee verzehrt, mittags gab es von der für alle in der Tischmitte stehenden Rein, und abends bekamen die Buben ein Stück Brot, wenn sie in die Küche kamen. Einige Dienstbuben waren nur über den Sommer im Dienst, während ihre Eltern auf der Grünarbeit waren. Als Lohn bekam Karl von seinem Dienstherrn einen Anzug und seine Eltern bekamen jährlich einen Sack Getreide.
Im gleichen Augenblick erinnerte sich Karl an jenen denkwürdigen, unvergesslichen Abend, als Karl infolge einer Verletzung zuhause war und der Steffl-Watschi in sein Elternhaus gelaufen kam und weinend von weitem schrie: „Für mich scheint keine Sonne mehr, mein Leben hat keinen Sinn mehr.“
Dabei schnäuzte er sich ins Schnaiztiachl (Taschentuch). Unter ständigem Schluchzen begann er vom schrecklichen Unglück in seinem Haus zu erzählen.
Wie schon oft zuvor waren Walzler (Arbeitssuchende) ins Dorf gekommen und hatten sich beim Bürgermeister Viktor Ertl gemeldet, um Arbeit gefragt, und wurden anschließend von Viktor Ertl in abwechselnde Häuser zugewiesen, wo sie Quartier und Verpflegung bekamen. Über die von ihm zugewiesenen Häuser hatte Viktor Ertl genau Buch geführt.
Als nun zwei Walzler mit ihren Buckelkörben voller Werkzeug in das zugewiesene Haus des Steffl- Watschi kamen und zuerst um Arbeit fragten und ihnen der Steffl-Watschi erklärte, es gäbe nichts zum Tun, anschließend um Essen gebettelt hatten und ihnen der Steffl-Watschi erklärte, er könne ihnen nichts geben, er habe selber nichts, waren sie trotzdem hartnäckig geblieben und gingen nicht weg. Der Steffl-Watschi wurde zornig und vertrieb sie fluchend mit der Heugabel. Kurze Zeit später, als der Steffl-Watschi und alle Hausbewohner auf dem Feld bei der Arbeit waren, ging der Heustadel in Flammen auf, wo die zwei kleinen eingesperrten zwei- und vierjährigen Mädchen, nachdem ihnen seine Frau Mohnhäuptel gekocht und den Saft zu trinken gegeben hatte, schliefen. Sie erstickten im Rauch. Dieses Unglück sorgte im Dorf für Entsetzen und Trauer.
Gleich danach, als der Steffl-Watschi am selben Abend in die Küche der Familie Ertl eingetreten war und vom tragischen Vorfall erzählt hatte, war, wie zur Bekräftigung seiner Worte, durch die wahnenden (zugigen) Fenster der Wind so heftig hineingefahren, dass der Docht des Petroleumlämpchens wie ein schlechtes Omen erlosch und es stockdunkel wurde. Unter Tränen fragte er Toni, ob er beim Begräbnis als Sargträger fungieren würde. Und Karls Eltern Viktor und Anna Ertl fragte er, ob sie bei den Vorbereitungen für das Begräbnis und dem Tour (Totenmahl) helfen würden.
Wie es der Brauch verlangte, wurde das vordere große Zimmer außer den Kleiderschränken im Haus vom Steffl-Watschi für die Aufbahrung der zwei kleinen Mädchen ausgeräumt. Die Fenster und Spiegel verhängt und verdunkelt, von der Kirche Heiligenbilder, das große Kreuz an der Stirnseite der Särge aufgestellt, wo die toten Mädchen in weißen Kleidern mit Rosenkränzen in Händen in Weihrauchdämpfen aufgebahrt lagen, daneben ein Weihwasserkessel mit einem Buxbaumbüscherl zum Ohtacken (Kreuzzeichen geben) aufgestellt.
Trotzdem die Familie der Verstorbenen drohte, unter diesem Unglück zusammenzubrechen, mussten brauchhalber am nächsten Morgen die Hennen und ein Schwein für den Tour (Totenmahl) für die engsten Verwandten aus den umliegenden Dörfern abgestochen, Suppennudel zubereitet, Fosn (Strudel) gefüllt mit Ziweben (Rosinen), Bagl (Guglhupf) und Brot gebacken und der Wein geholt werden.
Am Abend kamen die Leute, wünschten Beileid (kondolierten) und anschließend wurde gewachtet (gebetet und gesungen), Brot und Wein gereicht. Die engsten Verwandten hielten die ganze Nacht Wache und hielten sich mit Schnaps wach, während die Hausleute schlafen gingen.
Sobald die Särge aus dem Haus waren, musste das vordere Zimmer für den Tour (Totenmahl ausgeräumt und mit Tischen und Bänken eingerichtet werden für die engsten verwandten Trauergäste, sowie Lehrer, Pfarrer, Ministranten und Mesner.
Schon morgens halfen Viktor und Anna Ertl. Es wurde Hühnersuppe, gekochtes Hendlfleisch mit Semmelkren, Rote Rounen (Rüben), Schweinsbraten, Geselchtes mit Kartoffelsalat, Strudel und Wein beim Totenmahl aufgetragen.
Am Tag des Begräbnisses gingen Toni und andere Burschen mit Rosmarinsträußerln am Revers, symbolisch mit Mädchen in weißen, langen Kleidern, einem Kranzerl im Haar als Kränzlerinnenpaare eingehängt, so als würden sie die entgangene Hochzeit der verstorbenen Mädchen feiern, hinter dem Pfarrer und Ministranten und folgten dem Sarg.
Beim anschließenden Totenmahl wurden alle Trauergäste immer aufgefordert zu essen und zu trinken, denn dies wäre die Hochzeit der verstorbenen Mädchen. Toni brachte keinen Bissen hinunter und so war dieses tragische Erlebnis für Toni ein Grund mehr dafür gewesen, der Armut zu entfliehen, seinen Eltern nicht mehr zur Last zu fallen, Arbeit zu suchen, um ein besseres Leben zu führen.
Nach dem Begräbnis erklärte er, er wolle kein Unterhaspel mehr sein, es wären noch genug hungrige Mäuler im Haus zu stopfen, er wolle künftig sein Brot selber verdienen und ein besseres Leben haben, er würde nach Deutschland arbeiten gehen.
Nachdem der Heustadel des Steffl-Watschi samt Heu und Stroh niedergebrannt war, das Vieh sich teilweise losgerissen hatte und verschwunden, praktisch die Lebensexistenz in Flammen unterging, spendeten die Dorfleute Stroh und Heu und fortan ging der Steffl-Watschi mit einem von Viktor Ertl als Bürgermeister ausgestelltem Brandbrief von Dorf zu Dorf, um für einen Neubau zu sammeln.
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