Wohin der Geid gebracht wurde, wusste weder sie noch sonst jemand.
Martha tat es ahnt (leid) um ihren Vater. Am schlimmsten war für Martha die Ungewissheit, nicht zu wissen, ob es ihrem Vater gut ging, wie lange er dort bleiben musste beziehungsweise ob er überhaupt wieder heimkommen würde.
Wie oft hatte Karl seine Martha hier im Weinkeller im flackernden Schein des Petroleumlämpchens getröstet, wenn sie sich über die Verhaftung ihres Vaters ärgerte. Wie oft hatte er zugehört, wenn sie ihm von ihrem Tagesverlauf im RAD-Barackenlager, welches mit einem Luftschutzbunker außerhalb des Dorfes errichtet wurde, erzählte, wo sie während des Tages zu Arbeiten in landwirtschaftlichen Betrieben, Spitälern, Fabriken und anderen öffentlichen Einrichtungen verpflichtet waren. Gegen Ende des Krieges wurden sie während ihres einjährigen Dienstes beim Flugmeldedienst, später beim Flugabwehrdienst eingesetzt. Sie fuhr mit einem Fahrrad hin. Zuerst hatte Karl sie auf seinem Fahrrad auf der Stange sitzend mitgeführt. Dann hatte die Goatl ihrer Schwester nach Amerika geschrieben und gebeten, ein paar Dollar für den Ankauf eines Fahrrades zu schicken. Als das Fahrrad gekauft war, hatte Karl ihr Fahrrad fahren gelernt. Martha war es gewohnt, so wie bisher links zu fahren, aber Karl hatte ihr eingebläut, sie müsse nun unter den Deutschen , nachdem der Rechtsverkehr eingeführt und die Beschilderung der Straße neu gestaltet wurde, rechts fahren.
Hier, in diesem Bett, hatten sie sich das erste Mal geliebt, nachdem sie in trauter Zweisamkeit ihren Geburtstag gelobt (gefeiert) hatten. Karls einzige Liebeserfahrung mit der Frau mit der weißen Leber war schon lange her. Aber damals war es ohne sein Zutun geschehen, nun musste er es geschickt anstellen, damit es auch Martha jetzt und in Zukunft gefallen würde. Wie oft hatte er den Moment herbeigesehnt und nun war er unsicher. Auf Geheiß der inneren Neugier ertastete er zärtlich ihre verborgenen Stellen, welche Martha anstandshalber sanft abwies. Er war erstaunt, wie wenig sie sich wehrte, also fuhr er, ihr Einverständnis vorausgesetzt, fort. Wie unerfahren Martha war. Sie wusste nicht, was sie machen sollte, und so schlang sie ihre Hände um Karls Hals und ließ ihn zögernd gewähren. Allmählich entspannte sich Martha, spürte die Erregung und ihr Körper sehnte sich nach seinen Zärtlichkeiten, bis ihre seit Kindesbeinen streng anerzogene Keuschheit und Gottesfürchtigkeit in einem dichten Nebel der Glückseligkeit verschwand. Bis jetzt war ihr Unterleib ein Tabuthema. Aber jetzt war ihr bewusst, dass er eine wichtige Funktion zu erfüllen hatte.
Einerseits schalt sie sich, sich Karl zu leichtfertig hingegeben zu haben, eine Sünde begangen zu haben, und war erstaunt, trotzdem dabei Glück erfahren zu haben. Anderseits frug sie sich insgeheim, ob es ihm gefallen hatte? Ob sie ihm gereicht hatte und sie ihm alle Wünsche erfüllen konnte? Würde er sie wieder begehren?
Wie schamhaft und scheu Martha war und immer Angst vor der Entdeckung ihrer Sünde, welche laut ihrer Empfindung hier im Weinkeller gemacht wurde, hatte. Wie so oft versuchten diese Weinkeller hoch über dem Dorf thronend vergebens, alle Sünden und heimlich geschlossenen, unstatthaften Bündnisse zu vertuschen. Sie verbargen viele Geheimnisse des Lebens und so manche vorher gute Beziehung unter den Leuten wäre beim Bekanntwerden des Geschehens hier geplatzt. Gevatter Wein stand lachend daneben, forcierte die teils lasterhaften Geschehnisse und hob so manche Untugend hemmungslos aus der Taufe, während den Kindern in der Schule beigebracht wurde: „ Schnaps, Bier, Wein, das lasse sein, sitzt darin ein Teufelein!“ Mit Martha hatten die lasterhaften Teufel Nachsicht. Sie verbündeten sich mit ihr und verschwiegen alles, aber die Engel in der Kirche mahnten Martha, um sie auf den rechten Weg zu weisen und ließen sich nicht täuschen.
Unerfahren wie Martha war, fürchtete sie, dass jedermann ihre Sünde am Sonntag bei der heiligen Messe an ihrem Gesicht ablesen könnte. Sie wusch sich sorgfältig, als ob sie die Spuren der Liebesnacht abwaschen könnte. Dann betrachtete sie ihr Spiegelbild und prüfte, ob sie sich verändert hatte. Sie war froh, keine Veränderung feststellen zu können, dennoch war sie insgeheim stolz, in den Kreis der Frauen aufgenommen worden zu sein, die das Geheimnis der Liebe erfahren hatten. Vor der Kirche traute sie sich niemanden in die Augen zu schauen. Unglücklicherweise passierte ein Missgeschick. Vor jenem Maria Himmelfahrtstag hatte sie gebeichtet und als sie der Herr Pfarrer fragte ob sie Unkeuschheit getrieben hatte, verneinte sie, denn sie wusste nicht, was er meinte. Sollte sich diese Lüge rächen? Nachdem vor der heiligen Kommunion nichts gegessen werden durfte, fiel sie, am Mittelgang der Kirche stehend, um. Wie immer, wenn ein junges Mädchen umfiel, gab es reichlich Stoff für Vermutungen, ob sie etwa schwanger sei, von wem und ob es bald eine Hochzeit geben würde, was jedes Mädchen am meisten fürchtete. Kein Mädchen wollte entehrt und als Flitscherl verschrien werden. Und als Martha nach der Ohnmacht wieder zu sich kam, glaubte sie vor Scham im Boden versinken zu müssen. Nun war sie im ganzen Dorf zum Tratschobjekt geworden. Sie fürchtete, dass der Tratsch in allen bösartigen Varianten und Vermutungen ausarten und ihren guten Ruf schädigen würde.
Gewissermassen fühlte sich Karl schuldig für das Missgeschick und den Tratsch. Jetzt fuhr ein Schauer der Empörung durch seinen Körper. Er schalt sich einen Narren. Wie hatte er sich so verirren können. Er musste den Weg zu Martha wieder finden, er brauchte noch Zeit. Warum sollte er das vorgefertigte Gefüge, die Mühen und Plagen ihrer Eltern und Vorfahren ignorieren und zerstören und den unbequemen Weg mit Irene gehen. Martha und er waren seit jeher füreinander bestimmt. Es war alles von langer Hand für sie beide vorbereitet. Er musste sich nur ins fertige Nest begeben. Bald würde Irene immer mehr in den Hintergrund treten und ihr Bild verblassen. Gleich morgen würde er Martha besuchen.
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