„Was könnte Deutz Ihrer Meinung nach so Interessantes gefunden haben, dass wir uns da einmischen sollten? Ich denke alles, was da ausgebuddelt wird, wird von der Regierung überwacht. Auch die Plätze an denen gegraben werden darf, sind doch geprüft. Wie soll da jemand etwas finden, dass so gefährlich sein könnte? Immer wenn etwas Neues entdeckt wird, was wirklich neue Enthüllungen bringen könnte, wird das Gebiet doch grossräumig abgesperrt und nur ausgesuchte Wissenschaftler dürfen weiter buddeln. Oder hat sich das geändert?“
„Nein Sir, es ist immer noch so. Nur...“
„Was nur? Ich glaube wir haben genug Absicherungen getroffen, damit nichts in falsche Hände gerät.“
„Aber jedes System kann Lücken aufweisen. Dazu kommt, dass es auch in einem scheinbar bekannten Grabungsgebiet Sachen geben kann, die bis jetzt übersehen worden sind. Wie ich bereits erwähnt habe: Das Gerücht besagt, dass der Fund ausserhalb der offiziellen Grabungsstätte gemacht worden ist.“
„Und wie ist so etwas möglich?“
„Er könnte zum Beispiel nachts gearbeitet haben. Da ist nicht viel los und wenn die Fundstelle weit genug abseits liegt, dann konnte er unbeobachtet vorgehen. Das Gebiet in dem noch Entdeckungen gemacht werden können, ist riesig. Es ist unmöglich alles zu überwachen. Eine einzelne Person fällt kaum auf.“
„Was denken Sie könnte Deutz denn gefunden haben?“, hackte Franks nach.
„Nun, da gibt es vieles, Sir…“
„Zum Beispiel?“, Franks wurde ungeduldig.
„Stellen Sie sich nur einmal vor, wenn er etwas von dem gefunden hat, was wir schon seit Jahren zu finden hoffen. Wenn es weitere Aufzeichnungen davon gibt, was wir bereits wissen und Deutz solche Hinweise gefunden hat. Wir wissen, dass es noch weitere Aufzeichnungen geben muss . Er könnte Material ausgegraben haben, welches die Thesen von Oberhofer und anderer Wissenschaftler stützen. Stellen Sie sich nur einmal vor, was das bedeuten würde? Was geschieht, wenn solche Beweise an die Öffentlichkeit gelangen. Die gesamte Arbeit unserer Abteilung wäre umsonst gewesen. Es ist besser, wenn es so bleibt wie es ist. Die Menschen dürfen nicht erfahren, was wir wissen. Es ist Ihnen doch bewusst, dass…“
„Sie brauchen mir nicht zu erklären, was wir hier tun und welche Verantwortung wir tragen, Lock!“, unterbrach ihn Franks aufbrausend. Sein feistes Gesicht war rot angelaufen und er wirkte wie eine wütende rote Sonnenscheibe. „Sie müssen mir nicht unsere Aufgabe erklären als sei ich ein Frischling!“, wetterte Franks weiter. „Ich will auch nicht, dass noch mehr Indizien auftauchen. Es gibt schon genügend Gerüchte und Geschichten und es scheint, dass es immer mehr werden. Wir haben schon genug damit zu schaffen immer wieder neue Gegendarstellungen zu kreieren.“
„Darum müssen wir der Sache nachgehen!“, beharrte Lock. „Wir können nicht zusehen und hoffen, dass sich das Gerücht nicht bestätigt. Bisher konnten wir immer durch Experten alles so darstellen lassen, dass die Mehrheit der Menschen unseren Berichten glaubte. Das ist nur so, weil wir die meisten Beweisstücke immer in unseren Besitz bringen konnten.“
„Es sind noch keine unwiderlegbaren Beweise an die Öffentlichkeit gelangt!“, unterbrach sie Franks und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Selbst wenn wir es nicht verhindern konnten, dass einige Dinge an die Öffentlichkeit gelangten, so konnten wir zumindest so viele glaubhafte Gegendarstellungen inszenieren, dass nur noch Anhänger von Verschwörungstheorien weiter daran glaubten.“
„Aber, wenn noch mehr Stücke auftauchen, was machen wir dann?“, fragte Lock resigniert. Sie hatte damit gerechnet, dass es nicht einfach sein würde die Bewilligung zu bekommen. Franks war dafür bekannt, dass er lieber bestehende Probleme löste, als sie erst gar nicht entstehen zu lassen. Wenn das Problem erst einmal greifbar war, dann ging er es hart und unbarmherzig an. Dann wusste er gegen wen oder was er kämpfte. Vorausplanen und handeln bevor Schaden entstand, waren nicht seine Stärken. Er wäre ein miserabler Schachspieler, dachte Lock.
„Dann werden wir die Beweise eben beschaffen! So wie wir es immer tun und einige Experten auftreten lassen, welche die Gerüchte dementieren.“ Franks lehnte sich zufrieden lächelnd in seinem Sessel zurück. Das Rot wich langsam aus seinem Gesicht. Das war genau seine Methode, sein Vorgehen. Nicht vorbeugen, sondern Schaden begrenzen.
Doch Lock wollte noch nicht aufgeben. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es in diesem Fall um etwas sehr Wichtiges ging. Sie durften keine Zeit mehr verlieren. Deshalb beugte sie sich nach vorne und sagte mit ruhiger Stimme: „Wenn es den Fund tatsächlich gibt und er sich schon in Oberhofers Besitz befindet, was dann? Ich bin sicher, dass es sich Oberhofer nicht nehmen lässt einen solchen Fund zu publizieren. Und“, fuhr Lock schnell fort, weil sie sah, dass Franks sie unterbrechen wollte, „wenn Deutz wirklich eindeutige Beweise gefunden hat, dann nützen alle Dementis nichts mehr. Sie wissen selber, dass solche Beweise existieren. Einige befinden sich in unseren Archiven, an anderen wird geforscht.“
„Wenn Deutz einen solchen Beweis gefunden hat und er sich schon bei Oberhofer befindet, warum ist dann noch nichts an die Medien gelangt?“, fragte Franks ungeduldig.
„Ich bin sicher, dass Oberhofer erst hundertprozentig sicher sein will, dass der Fund echt ist. Das wird uns ein wenig Zeit verschaffen.“
„Wann haben Sie die Mail abgefangen?“, fragte Franks.
Lock hatte das Gefühl, dass die Stimmung bei Franks gedreht hatte.
„Vor zwei Tagen, Sir.“
„Wenn wir nur wüssten, was in der Mail steht“, sagte Franks nachdenklich.
Jetzt hab ich ihn, dachte Lock. Wenn Franks begann in der Wir-Form über eine Sache zu sprechen, zeigte dies, dass er angebissen hatte. Deshalb hackte sie schnell nach: „Wir arbeiten daran. Aber es ist nicht so einfach. Mit einigen gängigen Verschlüsselungsmethoden haben wir es schon versucht, ohne Erfolg. Unser Experte meinte, es handle sich um einen Buch Code. Das heisst, die Zahlen in der Mail beziehen sich auf Wörter in irgendeinem Buch. Bis wir das richtige Buch gefunden haben, kann es noch eine Weile dauern.“
„Ja, das kann ewig dauern“, sinnierte Franks. „Deshalb wollen Sie vor Ort mit den Untersuchungen beginnen?“
„Richtig, Sir. Ich bin der Meinung, wenn wir mit den beiden reden, könnten wir schneller herausfinden, was es mit der ganzen Sache auf sich hat.“
„Und Sie sind der Meinung, Deutz und Oberhofer werden mit uns reden.“
„Ich denke nicht. Vielleicht Deutz, aber auch das bezweifle ich. Oberhofer wird bestimmt nicht mit uns kooperieren. Wir müssen in diesem Fall anders vorgehen.“
„Und wie genau wollen Sie vorgehen?“, Franks Neugierde schien nun geweckt. Er hatte sich nach vorne gebeugt und seine kleinen, braunen Augen funkelten.
„Bei Deutz schlage ich vor, dass wir zuerst seine Sachen im Hotel durchsuchen und uns Zugang zu seinen Aufzeichnungen verschaffen. Falls wir nichts finden, befragen wir die Leute aus seinem Grabungsteam. Ebenfalls werden wir unserem Informanten nochmals auf den Zahn fühlen“
„Gut. Wenn es etwas gibt, werden wir es so am ehesten erfahren. Mit Oberhofer wollen Sie noch warten?“
„Nein, das wäre zu gefährlich. Wenn Deutz etwas gefunden hat, dann hat er es vermutlich längst ausser Landes schaffen lassen. Ich gehe davon aus, dass er es, wie der Informant vermutet, an Oberhofer geschickt hat. Wir müssen uns auch sofort um Oberhofer kümmern. Ich schlage vor, dass wir uns in seinem Haus umsehen und nach Hinweisen suchen. Mit ihm sprechen können wir nicht. Er spricht sicher mit niemandem darüber, bevor er nicht absolut sicher ist. Vermutlich träte er dann von sich aus an die Öffentlichkeit. Dass er mit uns spricht, halte ich für unwahrscheinlich.“
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