Die erste Zahl definiert die Menge an Grundmasse, die eingesetzt werden durfte. Mit 10E+10 sind zehn hoch zehn Tonnen, also zehn Milliarden Tonnen gemeint. Es besteht freie Auswahl für die Art der Materie, möglich war interstellarer Wasserstoff aber auch jedes anderen Element des Periodensystems oder irgendeine mehr oder weniger komplexe Verbindung. Das Spektrum reichte von exotischen Isotopen zu hochkomplexen organischen Molekülen. Die Auswahl ist eines der entscheidenden Elemente der eigenen Strategie. Jedoch musste jeder Genoi auch bereit sein, diese Ressourcen aufs Spiel zu setzen. Dem Sieger gehörte am Ende üblicherweise das Schlachtfeld mit allen Artefakten.
Die zweite Zahl definierte die Energiemenge, die jeder Genoi zusätzlich für den Konflikt aufbringen durfte. Diese Energie konnte in jeder denkbaren Weise auf das Schlachtfeld gebracht werden. Der Genoi konnte Brennstoffe wie Holz, Öl oder Uran, aber auch Sprengstoffe wie TNT, Plutonium oder Antimaterie auf das Schlachtfeld bringen. Er konnte die Energie mit heißen Gasen oder elektromagnetischen Strahlen transportieren oder einfach schnelle Geschosse hinein sausen lassen. Die Ruhemasse der verwendeten Medien wurde gegen das Grundkontingent also die erste Zahl gerechnet. Man bestimmte dann die Energie, die sich aus der Umwandlung dieser Energieträger gewinnen ließ, diese durfte in der Summe das vorgegebene Limit nicht überschreiten.
Die Energie, die man aus den Ressourcen des Schlachtfeldes freisetzen konnte, gehörte nicht zu dieser Rechnung.
Mit 10E+30 waren dabei zehn hoch dreißig Joule gemeint. Die Konfliktpartner konnten also beispielsweise eine riesige Flotte von Raumschiffen bis fast zur Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und dabei mit Lasern, Plasmawerfern, Railguns und Antimateriebomben feuern. Diese Energiemenge bedeutete den Einsatz aller technologischen Mittel unterhalb des Metaraumniveaus, die den Protogenoi bekannt waren. Man konnte eine Lichtjahre große Raumschlacht damit führen. Was wohl so auch geschehen war.
Die dritte Zahl betraf die standardisierten Nanobots, die die Protogenoi verwendeten. Diese Bots waren in der Lage, Atome zu zerlegen und aus Protonen, Neutronen und Elektronen neue Atome oder Moleküle zu bauen. Allerdings benötigten sie für die Erzeugung von höheren Elementen, also beispielsweise der Herstellung von Eisen aus Wasserstoff, eine Menge Energie, die sie nicht aus dem Metaraum zapfen konnten. Diese umgekehrte Kernspaltung war energetisch zu aufwendig für den Zapfprozess der Bots. Wer Gold aus Blei machen wollte, musste Energie bereitstellen – höllisch viel Energie. Man benötigte ein großes Kraftwerk, wenn man solche Transmutation treiben wollte.
Die Zahl 10E+6 bedeutete, dass jede Partei eine Menge Nanobots in Höhe des zehn hoch Sechsfachen der Avogadro Konstanten einsetzen konnte. Das war genug für eine Million Mol eines beliebigen Stoffes. Am Beispiel Kohlenstoff gerechnet, konnte man also ca. 12000 Tonnen pro Zeiteinheit bearbeiten. Abhängig vom Zielzustand ließ sich damit eine beachtliche Produktion aller möglichen Stoffe erreichen. So konnte man aus den 12000 Tonnen Kohlenstoff zum Beispiel 12000 Tonnen Magnesium machen, hätte dann aber nur noch ungefähr halb so viele Atome. Dabei würde sogar Energie frei, diese wurde in der Regel von den Nanobots verwendet oder abgeleitet. Alle anderen Transformationen waren auch denkbar, ebenso die Bildung komplexer Moleküle oder der Bau von Hightech Produkten. Bei den Transmutationen galt natürlich die Physik, inklusive so alter Vorstellungen wie Masse- und Energieerhaltung. Je nachdem, ob man den Massendefekt erhöhte oder absenkte musste man daher ggf. auch Energie zuführen, das reduzierte dann den eigenen Vorrat. Es ist eine komplizierte Angelegenheit, Elemente umzuwandeln. Und eine extrem energiefressende Sache dazu. Soviel Energie wie man bei der Kernspaltung gewinnen konnte, soviel Energie musste man hier auch wieder investieren.
Wer in einem industriellen Maßstab höhere Elemente herstellen wollte, würde ein Kraftwerk mit einer Leistung mindestens im Terrawattbereich benötigen.
Man konnte natürlich auch aus den Ausgangsstoffen komplexe Anlagen, z.B. Waffen, bauen. Bei Raumschlachten mit Raumschiffen setzten die Protogenoi die Nanobots üblicherweise für Reparaturarbeiten ein.
Die vierte Zahl definierte die Siegbedingungen. Die Null bedeutete, dass der Sieger den kommandierenden Puc des Gegners eliminieren musste. Sieg durch Tod des feindlichen Oberbefehlshabers, eine einfache Sache. Und dem Sieger gehört die Beute auf dem Schlachtfeld. Die Protogenoi sind in diesen Dingen unkompliziert. Es gab weitere 100 Siegbedingungen, die in einer Liste codiert waren. Aber Gaia erklärte uns, es wäre in dieser Zeit absolut unüblich eine andere als die Null zu wählen.
„In diesem Kampf unterlag Bellatrix, müssen wir annehmen“, sagte Gaia. „Der Herausforderer beging dann das unbegreifliche Verbrechen. Er tötete Bellatrix, wahrscheinlich indem er seinen Planeten mittels eines Tannhäuser Tores in ein schwarzes Loch verwandelte. Danach verschwand er wieder spurlos.“ Gaia´s Wut war spürbar. „Ich habe nur die Möglichkeiten, die meine Fernortung bietet. Um eine optimale Spurensicherung zu ermöglichen, muss ich eine Flotte in das Gebiet bringen. Ein Puc als Befehlshaber wird von einem menschlichen Kontingent begleitet werden. Ihr seid mein Joker.“
Gaia schaffte es irgendwie allen gleichzeitig direkt in die Augen zu schauen.
„Sir, haben wir Unterstützung von weiteren Flotten der Protogenoi? Wir sollten sicherstellen, dass wir dem Feind mit strategisch überlegenen Kräften gegenüberstehen“, der fragende General kam aus Deutschland.
Tatsächlich schmunzelte Gaia. “Die Gemeinschaft ist sich zum großen Teil einig, dass der Täter den Tod verdient. Sie ist sich aber über die Vorgehensweise nicht wirklich einig. Das ist sie nie. Ich habe die Garantie von über eintausend anderen meiner Art, dass sie Ressourcen stellen werden, wenn ich sie brauche. Genügt das?“
Der General nickte und bedankte sich.
„Auf dem Weg zur Bellatrix müssen wir das Gebiet von zwei anderen Genoi durchqueren. Unglücklicherweise teilen beide unseren Standpunkt nicht ganz. Sie sind beide schon alte Genoi und der Ansicht, jeder soll sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Das Kooperationskonzept meiner Gruppe ist ihnen fremd. Allerdings sind sie auch zweifelsfrei Feinde unseres Gegners. Aber wir werden uns das Wegerecht erstreiten müssen.“
Gaia ließ keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit.
„Wir werden bald kämpfen müssen, bereitet Euch vor. Wir müssen antreten und wir müssen gewinnen. Ich erhoffe mir, dass ihr Euch als Gamechanger offenbart. Ich brauche Strategien, die jetzt zwingende Siege ermöglichen. Wir haben keine Zeit für Niederlagen und auch nicht für Unentschieden. Ich muss die Flotte zum Bellatrix bringen, bevor alle Spuren verschwunden sind“, sagte er abschließend
Abgesehen vielleicht von den Militärberatern wusste wohl niemand, was das bedeuten sollte. Und diese hatten da so ganz falsche Vorstellungen.
Ernst, Alexander, persönliche Aufzeichnungen
Nanobots
Nanobots sind autonome, also ohne direkte menschliche Steuerung handelnde Maschinen, deren Abmessungen im Bereich von 10E-9m liegen. Damit sind sie also etwa nur zehnmal so groß wie Atome, die ungefähr 10E-10m groß sind. Diese kleinen Maschinen sind nach dem menschlichen Stand der Technik noch ein Zukunftskonzept. Die Protogenoi haben hier allerdings Erstaunliches geleistet. Ihre Bots sind hochkomplex und durch ihre Metatechnologie von einer unglaublichen Leistungsfähigkeit. Durch eine innere Struktur, die jenseits der menschlichen Erkenntnishorizonte liegt, sind ihre Bots in der Lage, Energie aus dem Metaraum zu beziehen. Durch eine tiefe, subatomare Differenzierung können Protogenoi ihre Bots zu den komplexesten Aufgaben programmieren. P-Bots, Nanobots oder Naniten der Protogenoi, können die Struktur von Atomen verändern und so Elemente in andere verwandeln. Sie können Atom für Atom jeden Gegenstand herstellen oder reparieren, der vorstellbar bzw. programmierbar ist. Aus beispielsweise einem Kilo Sand können so eine Glasscheibe oder aber ein Kilo Gold hergestellt werden. Egal, ob sie aus Wasser Wein herstellen oder aus Müll Gold machen, P-Bots manipulieren Materie in jeder gewünschten Form. Wenn Sie durch einen Puc gesteuert werden, so können Sie die komplexesten Baupläne ausführen. Eine Gewehrkugel oder einen Panzer. P-Bots bauen alles. Und sie benötigen dazu nur irgendein beliebiges Ausgangsmaterial.
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