Diese grauen, ca. drei Meter großen Kunstgeschöpfe erinnerten an Elefanten, hatten aber ähnlich wie Zentauren, einen Oberkörper, einen Kopf und vier Beine. Allerdings sechs Augen und vier Arme. Die Augen waren gleichmäßig um den Kopf verteilt. Der Kopf saß auf einem fast 50cm langen Hals, dadurch war eine hohe Position für die Sinnesorgane gegeben. Die Gesichter waren nur mäßig ausgeprägt. Nasen und Ohren waren grob geformt. Einen Mund hatten diese Dinger nicht. Also Sehen ja, Riechen und Hören auch, Sprechen nein. Viel zu sagen gab es wohl auch nicht. Auf meinem Datendisplay konnte ich erkennen, dass keine höheren Hirnfunktionen vorhanden waren.
Der Puc konzentrierte sich dann auf seine Steuerungsfunktion und begann, die Nanobots zu aktivieren. Die grauen Kästen und der große Würfel platzten auf. Unförmige graue Massen platzten aus beiden heraus. Im ersten Moment waren beide Inhalte nur schwer zu unterscheiden. Die Nanobots gaben schnell die komprimierte Transportform auf, es sah aus, als ob der Klumpen verdampfte. Dann begann die größer werdende Gaswolke sich in kleinere Teile zu separieren und sank auf das Plastikmaterial ab. Ein Teil verschwand auch im Wüstenboden.
Die Abläufe auf beiden Seiten ähnelten sich sehr. Jeder Puc begann in schneller Folge Golems zu produzieren. Dazu setzte er einen Teil seiner Nanobots ein. Beide Pucs taten an den entgegengesetzten Seiten des Schlachtfeldes nahezu die identischen Dinge. Wie schon gesagt, sind die Protogenoi nicht sehr phantasievoll.
Ein zweiter Teil der Nanobots produzierte Waffen aus Stein für die Kämpfer. Im Regelfall große Keulen, ca. 50kg schwer, die links und rechts geschwungen wurden.
Die restlichen Nanobots produzierten andere Golemtypen oder Steinkeulen, in seltenen Fällen auch fortgeschrittenere Waffen oder andere Ausrüstung. Einige produzierten auch neue Nanobots.
Der Puc musste zwischen diesen Möglichkeiten ständig optimieren. Sein Gegner erzeugte Druck, indem er ihn mit immer neuen Kriegern angriff. Er musste ständig genug Soldaten produzieren, um hier dagegen halten zu können. Oder um selbst in die Offensive zu gehen.
Ein Golem hatte ca. eine Marschgeschwindigkeit von 40 km/h, so dass die ersten Kämpfer den gegnerischen Stützpunkt in ca. 75 min erreichen konnten. Dabei waren die Gebirgspässe natürlich die strategisch wichtigsten Positionen. Jeder Puc versuchte hier eine beherrschende Position zu gewinnen. Aufgrund der Anzahl der Pässe war es allerdings nahezu unmöglich, den Gegner an der Überquerung des Gebirges zu hindern.
Im Regelfall kam es eine gewisse Zeit zu einem Hin- und Her von kleineren Geplänkeln. Die Pucs versuchten, schnell kleinere Truppenkontingente an jeden Pass zu bringen, um diesen zu befestigen und dem Gegner den Übergang zu verwehren. Kein Puc konnte alle Übergänge eindeutig behaupten, sodass es zu einer Anzahl von Gefechten an den Pässen kam. An verschiedenen Stellen brach entweder die eine oder andere Partei durch und feindliche Golems jagten auf den jeweils gegnerischen Stützpunkt zu. Die Gefechte zersplitterten weiter in Angriffs- und Verteidigungskämpfe am eigenen und gegnerischen Stützpunkt. Während der ganzen Zeit musste der Puc weiter produzieren, wofür er große Teile seiner Kapazitäten einsetzen musste.
Die Gefechte waren natürlich extrem von der Kapazität der Pucs abhängig. Da beide Pucs gemäß der Regeln ungefähr über die gleichen Fähigkeiten verfügten, gab es eine erstaunliche Symmetrie der Abläufe. Die Puc steuerten alles. Die Schwärme von Nanobots und die Bewegungsabläufe der Golems sogar beim Laufen. Sie mussten jeden einzelnen Golem im Kampf steuern und die operativen Entscheidungen fällen. Sie waren jeder einzelne Soldat und Oberbefehlshaber in einer Person. Eine Entscheidung fiel immer aufgrund von geringfügigen Unterschieden in der Taktik, der zeitlichen Koordination in der Produktion oder der Nutzung der Geländemerkmale.
Es kam zu einer Reihe von Scharmützeln, in denen ich mir die furchtbare Schlagkraft der Golems besonders interessiert ansah. Ein Golem wog, ich hatte ja exakte Daten, ca. 400 kg. Das meiste waren Stoffe aus dem Boden des Kampfgebietes, aber auch etwa 50 kg von dem mitgebrachten Grundstoff wurden jeweils bei der Herstellung verarbeitet. Die Kraft dieser Kreaturen war ungeheuer, diese Keulen trafen mit einer Wucht, die ausreichte einen anderen Golem zu Fall zu bringen und dabei seine Struktur zu zerreißen. Kopftreffer waren sozusagen tödlich. Im Kopf befand sich das Kontrollorgan, mit dem die Pucs die Golems steuerten. War dies zerstört, so hatte man es nur noch mit einem leblosen Klumpen aus Plastik und Geröll zu tun. Allerdings war dieser Kopf ein solider Klumpen aus einer hornartigen Substanz, extrem widerstandsfähig und in der Wirkung wie eine leichte Panzerung für das Kontrollorgan.
Die Nanobots produzierten hauptsächlich Golems und diese schweren Steinwaffen. Fast alle Kämpfe gelangten nie über diese Phase hinaus. Zwar waren die Pucs mit den Nanobots in der Lage jede Art von weiterentwickelten Soldaten oder Waffen zu produzieren, aber dazu fehlte immer die Zeit. Aufgrund der Schnelligkeit der Abläufe waren die Herstellung von Metallwaffen oder gar Gewehren und Explosivstoffen zu zeitintensiv. Ein Puc konnte nicht große Teile seiner Kapazitäten der Herstellung von Soldaten und Waffen widmen, die erst nach Tagen einsatzbereit waren. Die Herstellung eines Standardgolems dauerte 1min, mit der vorhandenen Menge an Bots konnten drei Golems parallel produziert werden. Eine vierte Botgruppe produzierte Steinwaffen. Damit blieb wenig Spielraum für weitere Produktionsmöglichkeiten. Alle Bots, die gerade nicht an einem Golem arbeiteten, hatten Befehl neue Bots zu produzieren. Diese Menge bestimmte den langfristigen Anstieg der Produktionsmöglichkeiten. Aber einen Bot zu bauen war komplex. Die Wachstumsrate war gering.
Mit dem verfügbaren Material ließen sich 120000 Golems bauen, dazu würden die Bots aber ca. 28 Tage benötigen. Für etwas mehr als diese Zeit reichte auch die Energie in den Quantenbatterien. Nach ca. 30 Tagen Produktion bei voller Last wären die Bots ohne Energie. Eine hochinteressante Tatsache.
Die Gefechte dauerten meistens nur wenige Tage. Maximal einige tausend Golems trafen sich dann irgendwann zu einer kleinen Entscheidungsschlacht und der Gewinner marschierte in das gegnerische Lager und zerstörte den feindlichen Puc.
Allerdings war der Anblick einer in Schlachtreihe angreifenden Golemformation äußerst beeindruckend. Ich sah, hörte, roch und schmeckte den Aufprall zweier galoppierender Armeen aufeinander. Es dröhnte wie Lokomotiven in voller Fahrt. Die Erde bebte. Der Staub dieser namenlosen Welt wirbelte in dichten Wolken. Die VR war jedoch überragend. Ich sah die Umrisse alle Kreaturen in den Staub gezeichnet, sodass mir kein Detail entging. Ich fühlte den Staub auf der Haut und in den Augen, konnte ihn riechen und schmecken. Die volle Sensorik hatte etwas Betäubendes, es überreizte die Sinne.
Der Aufprall war wie ein Erdbeben inmitten eines Tornados. Hunderte Golems wurden aus der Bewegung heraus zerstört. Treffer der Steinkeulen, die von einem Golem in vollem Lauf geschwungen wurden, schleuderten den getroffenen Gegner zum Teil meterweit. Der Aufprall zerriss Gewebe und brach alle Strukturen, die diese Wesen als Skelett haben mochten. Es kam zu furchtbaren Zweikämpfen. Die Zentauren schlugen ohne Finesse aufeinander ein. Eine besondere Kampfkunst war nicht erkennbar, die Kämpfer droschen stumpf auf den Gegner ein, es gab keine Finten oder komplexere Bewegungen. Wahrscheinlich konnten die Pucs nur bis zu einer gewissen Komplexitätsgrenze steuern. In einer solchen Massenschlacht waren daher keine besonderen Manöver möglich. Der erste Treffer entschied meistens die Auseinandersetzung. Die getroffenen Golems, die noch intakte Kontrollorgane besaßen, versuchten natürlich mit den intakten Gliedmaßen weiterzukämpfen. Schmerz kannten diese Kreaturen nicht. Es gab auch keinen Blutverlust, der zu einer Schwächung führen könnte. Beschädigte Golems waren immer noch kampffähig. Allerdings hatte solche „Verwundeten“ wenig Chancen, Wirkung zu erzielen. Dazu waren die Kämpfe zu schnell und erforderten zu viel Koordination und Kraft. Angeschlagene Golems wurden meistens ein schnelles Opfer der intakten Gegner, die gezielt Keulenhiebe gegen die Köpfe ihrer beeinträchtigten Feinde anbrachten.
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