Hier zu stehen wie du und darüber zu jammern, was dir weiße Frauen angetan haben zeigt, dass du ein Versager bist. Bist du Jesus, damit sie dich lieben? Liebst du dich nicht schon allein genug? Nein, ich sage: Europa, wir kommen. Das war nicht gut, oder? Ich sage: Europa, wir sind da! Ja, jetzt ist gut. Es hört sich gut an. Wir sind schon bei euch. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis unser Körper da ist, wo unser Geist schon lange ist. Roger, sieh mich an, ich bin schon in Europa.“
Das Gesicht von Roger leuchtet nur so vor Freude. Was Johnny da erzählt hatte war sehr emotional und darin lagen sehr viele Wahrheiten.
„Johnny, Johnny“, schrie er laut, „Johnny, der Master, du bist der Größte. Ich bin auch schon wieder dort, bin wieder in Paris und wieder bei den weißen Frauen. Ich kann auf vieles verzichten, aber nicht auf diese Frauen, Johnny. Du hast mir die Augen geöffnet. Das ist so motivierend, was du sagst. Johnny, ich bin kein Versager und ich werde es dir zeigen. Du hast Recht, ich habe mich mehr mit allem auseinandergesetzt, was nicht ging, mit meinem Misserfolg. Ich habe im Verhalten der Europäer nur Alibis gesucht, die die Gründe meiner Schlappe bestätigt haben. Es tut doch so gut, einem Dritten die Schuld zu geben. Aber wie du sagst, was zählt in diesem Fall, ist der Erfolg. Ich war auch mit den falschen Menschen unterwegs. Ich müsste einen wie dich an meiner Seite haben, Johnny“, erkannte Roger.
„Nur die fetten Enten werden von Rassismus und Vorurteilen, von mangelnder Wertschätzung und fehlender oder entzogener Liebe auf ihrem Weg gestoppt. Der hungrige Fuchs umgeht einfach solche miesen Absperrungen und nimmt sich, das, was er essen muss, um zu überleben. He, übrigens, Roger, es gibt auch normale Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen. Carla und ich. Das war echtes Gefühl und ich hätte sie niemals so behandelt. Deswegen habe ich sie auch gehenlassen. Ich habe sie so geliebt, fast wie Rita. Ich wollte nicht, dass sie leidet. Ich wollte nicht mit ihr spielen aber ich konnte mir nicht den Luxus erlauben, diese Liebe zu leben. Ich bin noch auf der Suche. Vielleicht kann ich mir später, wenn ich das erreicht habe, was ich will, gut vorstellen, mit ihr zusammen zu sein. Alles hat gut geklappt. Sie ist eine süße Frau. Manchmal habe ich immer noch Sehnsucht nach ihr, aber ich weiß auch, dass es jetzt besser ist, wie es ist“, sagte Johnny.
„Und die andere deutsche Frau? Sie wolltest du am Anfang, oder?“, fragte Roger.
„Ha, das stimmt, Anna. Ja, ich habe die Deutsche gemocht. Weißt du? Ich wollte nicht nach Carla nun auch noch Anna abschleppen. Das wäre für die Gruppe nicht so nett gewesen. Ich wollte auch Carla, die ich langsam liebte, nicht demütigen“, begründete Johnny.
„Ja, aber sie scheint dich nun sehr zu lieben, ich meine diese Anna, zumindest nach deinen Erzählungen“, behauptete Roger.
„Ja, das stimmt, aber sie hat einen Freund und sollte auch bei ihm bleiben und mich nicht ablenken. Liege ist die perfekte Frau für meinen Plan“, sagte Johnny.
„Ja, aber sie hat doch einen Mann. Du sagtest, sie ist noch verheiratet. Es kann länger dauern bis alles über die Bühne geht.“
Johnny lächelte ein bisschen.
„Roger, Gott liebt mich. Er gibt mir immer das Richtige zur richtigen Zeit. Geduld ist auch in diesem Fall nicht schlecht. Sie ist die perfekte Frau. Ich kann sie gerade deswegen emotional viel schneller erreichen und einfacher binden als eine freie, alleinstehende Frau. In allen Situationen, egal wie unvorteilhaft sie scheinen, liegen eine oder mehrere Chancen“, erläuterte Johnny.
„Waoou, Johnny. Dir gegenüber fühle ich mich wie einer, der nicht zur Schule gegangen ist. Mit dieser Einstellung wirst du sicher Erfolg haben“, erkannte nun selbst Roger an.
„Ich habe keine andere Wahl, Roger, du übrigens auch nicht“, sagte Johnny.
„Ja, ich auch nicht“, wiederholte Roger.
Johnny gähnte mehrmals. Er war müde und musste früh aufstehen.
„Roger, ich bin nicht ein Arbeitsloser wie du. Muss morgen früh aufstehen“, neckte er Roger.
„Noch arbeitslos, Johnny. Es ist auch schön, solche Zeiten zu genießen. Bald ist es vorbei. Das Gespräch mit dir hat mir die Augen geöffnet. Ich habe selbst schon meine Idee. Ich bin vielleicht viel früher in Europa als du. Wollen wir wetten?, fragte Roger.
„Das werden wir sehen, Bruder. Gute Nacht“, sagte Johnny cool.
„Gute Nacht, Johnny.“
Johnny machte sich zu Fuß auf den Weg ins Hotel und dachte unterwegs nach „warum müssen die Europäer alles so schwierig machen? Sie sind selbst schuld, wenn die Afrikaner so handeln. Gerade die Europäer, die wegen Armut, Krankheit und Platzmangel ihren Kontinent verlassen haben, um das Land der anderen mit Gewalt zu übernehmen, gerade die reden vom Abschotten Europas. Das ist nicht nur egoistisch, das ist boshaft. Wenn sie uns dabei uns in Ruhe lassen würden und unseren Reichtum nicht klauen würden, könnte man das noch verstehen und verzeihen. Sie haben in Afrika Unheil angerichtet, in Australien in Neuseeland, in Nord- und Südamerika Massaker verübt und sich fremdes Eigentum angeeignet. Wie können sie moralisch den anderen, den sie alles geklaut haben, verbieten, ein Teil davon zurückzuhaben? Sie bringen in den afrikanischen Ländern nur Diktatoren an die Macht, die dazu da sind, das Volk zu verarmen und ihnen die Ausbeutung zu garantieren. Nein, auch wenn sie die Mauer um Europa bis in den Himmel bauen, werden wir es immer schaffen, nach Europa zu kommen. Wir werden Europa ganz langsam erobern. Wir werden uns noch viel stärker vermehren, in dem wir dort viele Kindern machen. Das ist unsere leise und friedliche Revolution, ein Krieg ohne Namen, ohne Waffen, der aber einen vollständigen Sieg garantiert“, sinnierte er.
Die Weckfunktion seines Handys hatte versagt. Als Johnny aufwachte, war es schon 8 Uhr 50. Auch heute würde er später dran sein. Er machte sich fertig und ging ohne zu frühstücken, circa 20 Minuten später war er im Hotel.
Als er ankam, saßen schon viele Gäste am Frühstückstisch. Er ging zu ihnen, grüßte sie und fragte sie, ob alles in Ordnung sei.
Er machte einen schnellen Rundgang und verschwand erstmal kurz im Büro. Der Direktor hatte ihm keine Aufgaben hinterlassen und wie es aussah, war er gestern gar nicht dagewesen. Er war einer dieser sogenannten Direktoren, die meinten, als Chefs müssten sie gar nicht immer da sein. Sie kommen erst gegen Mittag, um bald nach dem Mittagsessen wieder zu gehen. Nach der Mittagspause, die es in Kamerun offiziell nicht mehr gibt, kommen sie gegen 15 Uhr wieder, und ab 16 Uhr empfangen sie niemanden mehr. Es heißt der Direktor ist beschäftig, der Direktor ist auf Mission usw.
Johnny glaubte, dass er in seinen zwei Wochen als Assistent, wenn er fast zehn Stunden am Tag immer präsent war – bis auf gestern – viel mehr im Hotel erreicht hatte, als der Direktor in einem Jahr. Diese täglichen Rundgänge waren extrem wichtig, um Missstände zu erkennen und sofort zu beseitigen. Auch der ständige Kontakt und die Gespräche mit den Gästen halfen sehr, das Hotel qualitativ voranzubringen. Das machte der Direktor nicht. Er benahm sich wie ein König und erwartete, dass man ihm auch solche Ehre zuteil-werden ließ. Manchmal lief er einfach an Gästen vorbei, ohne ein Wort, ohne wenigstens einen Gruß zu verlieren.
Er räumte das Büro ein bisschen auf, tätigte ein paar Telefonate und ging wieder hinaus. Diesmal war eine andere Gruppe von Gästen am Frühstücken, darunter waren die Belgier, auch Liege. Er wandte sich zu ihnen und mit einem Marketinglächeln fragte er, wie es ihnen ginge.
„Guten Morgen, Herr Mendo“, sagten fast alle gleichzeitig.
„Guten Morgen und guten Appetit. Alles in Ordnung?“, fragte Johnny sehr freundlich.
„Alles prima, es ist sehr schön und erholsam hier“, sagte der einzige Mann der Gruppe mit Namen Guillaume.
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