Das Gebäude wurde 1907 als Verlagshaus der New York Times Magazins errichtet und dominiert die Anzeigenwelt des Platzes. Bereits 1928 wurde dort eine Nachrichten-Laufschrift in Betrieb genommen, die die Passanten mit Neuigkeiten versorgte. Inzwischen ist oberhalb davon ein riesiger Bildschirm montiert, auf dem Nachrichten ausgestrahlt werden. Aber der Straßenlärm um mich herum passt nicht zu den Bildern, die dort gezeigt werden, und ich wende mich verwirrt ab, fühle mich von der mich umgebenden, überdimensionalen Multimediawelt wie erschlagen.
»Lass uns zur Bushaltestelle gehen« schlage ich vor und Sjaak nickt zustimmend. Als ich ein McDonalds Schild entdecke, möchte ich dort kurz auf die Toilette gehen, weil deren Sauberkeits-Standard weltweit hoch ist und von mir überall sehr geschätzt wird. Während wir auf das markante Schild zu schlendern, erzähle ich Sjaak, dass ich bei meinem ersten Besuch in Manhatten im Finanzdistrikt dieselbe Idee hatte, bis ich plötzlich vor einer Glastüre stand, die mir von einem Türsteher in schwarzem Frack aufgehalten wurde. Hatte ich mich von einer Werbetafel täuschen lassen? Nein, im Inneren entdeckte ich die gewohnte Theke mit den bunten Bildern der verschiedenen Gerichte. Der Mann am Eingang hielt mir weiter mit weißen Handschuhen die Türe auf und erklärte mit freundlichem Lächeln:
»Wir feiern heute Neueröffnung.« Drinnen spielte ein Pianist an einem großen, schwarzen Flügel und ich beschloss spontan, dass dies der richtige Platz sei, um meinen Pflicht-Hamburger in den USA zu essen.
Inzwischen haben wir die Türe unter dem bekannten rot-gelben Schriftzug erreicht. Die Glasscheiben sind dunkel getönt und erlauben keinen Blick ins Innere des Lokals. Und wir müssen die Türe selbst öffnen um einzutreten. Plötzlich versetzt laute Technomusik die Trommelfelle unserer Ohren in Schwingung.
»Was ist das?« rufe ich Sjaak zu, der als Antwort nur selbst verwundert mit den Schultern zuckt. Grinsend blicken wir uns um. Die Theke mit den Bildern ist da, aber ansonsten hat das Ambiente des Lokals nichts mit dem guten alten Familien-McDonalds alter Tage zu tun.
Der Boden ist schwarz, die Wände sind grau und die Fenster verdunkelt. Auf einer riesigen Leinwand werden Musikvideos gezeigt und die Beleuchtung übernehmen große Studioscheinwerfer und kleine LED-Leuchtkörper. Die Einrichtung wird von gebürstetem Edelstahl dominiert und in einem langen Gang kann man vor einzelnen kleinen Bildschirmen Platz nehmen, um alleine oder in einer kleinen Gruppe während des Essens Musikvideos anzusehen. Auf den Straßen des Broadway flimmern die bunten Kulissen der Theater, und Mc Donald‘s versucht in diesem Lokal, die Stimmung im Bereich hinter der Theaterbühne zu erzeugen.
Wir haben das passende Lokal gefunden, um unseren Tag in New York ausklingen zu lassen. Sjaak bestellt sich einen Hamburger, ich nehme Pommes mit Cola. Dann setzen wir uns auf der Empore an einen Tisch und überlassen es dem Rhythmus der Musik, unseren Kreislauf weiter anzutreiben – wir sind in Amerika.
Ich packe meinen Koffer und nehme mit ...
Unser Hotelzimmer versinkt im Chaos. Sjaak ist mit großem Elan dabei, sein Hab und Gut von einem Häufchen auf ein anderes zu sortieren, es in Tütchen und Schächtelchen zu verpacken, zu kennzeichnen und zu beschriften. Ich habe mich in die hinterste Ecke meines Bettes zurückgezogen, damit ich nicht auch noch in einem dieser Behältnisse verschwinde.
Einen Teil unserer Ausrüstung werden wir auf dem ersten Abschnitt unserer Reise auf keinen Fall brauchen, weil wir im Süden keine echte arktische Kälte erleben. Diese Dinge wollen wir per Post zu Tom schicken. Er ist der Chef von Touratech USA und sitzt in Seattle im Bundesstaat Washington. Die Stadt liegt eine halbe Tagesetappe von der kanadischen Grenze entfernt und ist damit für uns eine ideale Basis, um die Motorräder für die echte Kälte fit zu machen. Deshalb packt Sjaak das Polar-Öl, unsere Winterstiefel, die Thermo-Overalls und die langen Spikes in seinen Koffer und legt die Reifen von Metzeler, Pirelli und Reifen Immler obendrauf. Mir fehlt das notwendige Schächtelchen-Gen, deshalb halte ich mich aus der Verpackungs-Orgie lieber heraus. Ich könnte es Sjaak auf keinen Fall recht machen, wäre ihm bestenfalls nur im Weg und würde schlimmstenfalls einen heftigen Streit riskieren, den ich nicht will.
Also versuche ich stattdessen, über das WLAN des Hotels die ersten Bilder unserer Reise ins Internet zu stellen. Erst kurz vor unserer Abreise habe ich von der Möglichkeit erfahren, die GPS-Daten des Aufnahmeortes in die Datei von digitalen Bildern zu integrieren. Das gibt mir die Möglichkeit, die Fotos von meinen Reisen ganz einfach zu finden, entweder auf der Festplatte meines Notebooks oder auf externen Speichermedien.
Für die Suche kann ich einen Ortsnamen benutzen oder den von mir gewünschten Bereich auf einer Landkarte markieren. Die Software von CDFinder zeigt mir dann alle meine Bilder, die in dieser Gegend aufgenommen wurden – ohne dass ich lange Listen schreiben muss. Die Suche funktioniert auch in der umgekehrten Richtung. Ich kann also jederzeit auf Google Earth anzeigen lassen, wo ich ein bestimmtes Foto gemacht habe.
Außerdem kann ich im Internet Bilder auf der Seite von Panoramio speichern. Diese werden dann auf einer Landkarte genau dort gezeigt, wo sie aufgenommen wurden. Damit können Freunde und Verwandte auf meiner Homepage unsere Route verfolgen und sehen dabei nicht nur, wo wir gerade sind, sondern auch, wie es dort aussieht.
Leider kenne ich mich mit dem Mac noch nicht so gut aus und brauche deshalb ziemlich lange, bis ich merke, dass die Internet-Plattform Panoramio nicht mit dem Mac Browser Safari zusammenarbeitet. Erst als ich die Seite mit dem Mozilla Browser öffne, klappt es wie am Schnürchen, und bald kommen die ersten Rückmeldungen von Freunden und Familienmitgliedern, die mit freundlichem Spott über den Reifenstapel auf meiner BMW lästern:
»Hast du auf dem Motorrad überhaupt noch Platz?«
Am Montag beladen wir beide Motorräder mit dem Gepäck, das nach Seattle soll, und fahren es zur Post. Dort macht die Dame erst einmal große Augen, als sie unsere vier Reifen sieht. Aber sie freut sich über die kleine Herausforderung und macht sich mit Feuereifer daran, uns die verschiedenen Versandmöglichkeiten und ihre Tarife herauszusuchen. Zeit spielt für uns keine Rolle, wir werden selbst einige Wochen unterwegs sein. Daher buchen wir das billigste Ticket für unsere Ausrüstung. Sie reist auf dem Landweg nach Seattle, aber mit Zügen und Lastwagen anstatt bei uns hinten auf dem Motorrad.
Anschließend räumen wir das komfortable Zimmer in unserem Hotel und ziehen in das kleine Motel nebenan. Dort konnte ich von Deutschland aus kein Zimmer buchen, weil ich es im Internet nicht gefunden habe. Die Zimmer sind auch nicht halb so schön. Aber die Motorräder parken direkt vor der Tür. Wir können sie also viel leichter bepacken. Bis jetzt wissen wir noch nicht, wie wir unsere Ausrüstung am besten auf die Motorräder verteilen. Nur eines ist sicher: Alles, was jetzt noch in unserem Hotelzimmer liegt, muss mit auf die Reise. 
Die Ostküste der USA
Wir haben unser gesamtes Gepäck untergebracht. In Gedanken hatte ich die großen Sachen bereits auf meinem Motorrad verteilt: Sjaaks Schlafsack auf dem einen Koffer, meinen eigenen auf dem anderen, Zelt und Isomatten in dem roten Ortlieb-Sack. Die Ersatzbatterie, das Werkzeug und Essensvorräte kommen in die linke Alu-Box, die Heizklamotten und der Foto-Rucksack in die rechte. Meine restlichen Klamotten und alles andere, was ich für eine Übernachtung ohne Zelt brauche, packe ich in die gelbe Touratech-Tasche. Auf diese Weise muss ich nicht lange umpacken, falls wir eingeladen werden. Ich nehme einfach die gelbe Tasche das Notebook aus Sjaaks Topbox sowie meine Kameraausrüstung aus der Alubox der BMW und kann damit auch an einem anderen Ort übernachten als mein Motorrad.
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