auf einem Zweig nieder lässt
und dem Jäger die befiederte Brust darbietet
und ihn anlächelt
während dieser sein Herz anvisiert
und ihn mit einem Schuss zerfetzt.
Woher hast Du die traurige Eingebung
dem Schatten zu dienen?
Woher nimmst Du das Recht
eine Grenze zu sein?
Woher kam eigentlich damals, als Kind
Dein Wunsch, später eine Mauer zu sein?
Welche Meinung hast Du von dem Wind?
Was weißt Du über das Meer?
Wie konntest Du das Licht ersticken?
Warum hast Du Dich
an die Gefangenschaft verkauft?
Wann wird
Dein verhängnisvolles Bündnis enden
mit den Gittern, mit den Riegeln
mit den Uniformen?
Ein Ende ohne Erklärungen.
Ein Tod ohne Glocken.
Eine Missgeburt von Gitterstäben
eine gallerthafte, gewaltige Masse
die schmatzend Zungen und Hände zerkaut.
Ein Schoß aus Mauern, unaufhörlich
neue gebärend, ein Heer von
uniformierten Kellerasseln
Handschellen streichelnd
eine Legion spinnenäugiger Wächter.
In die Keller der Gefängnisse
steigt der Tod an Speichelfäden herab
schwachsinnig blökend
die ignorante Kreatur
der Schlüsselträger, zuschlagend, torkelnd
wohin er eben trifft. Hier ist
sogar der Tod zugrunde gegangen
ein Domestik, nichts weiter
brabbelnd nach Nahrung verlangend
verständnislos grinsend, wenn Shakespeare
sich vor Ekel übergibt oder die aufrechten
Spanier auf seine Mutter fluchen.
Die Gitterstäbe besudeln sein Werk.
Sie ordnen den Horizont
in beengende Felder.
Bruder Hein küsst unterdessen
die Stiefel der Militärs und dreht sich
vor dem Spiegel im Soldatenkleid.
Hier ist der Tod kein Freund.
Er hat Anstand und Würde verloren.
Mit ihm ist schon seit langem
nichts mehr los.
Er ist seit langem das verwahrloste
maßlos blöde Instrument der Herren.
Und trotzdem behaupte ich
dass irgendwo im Hintergrund
unbemerkt von den pathetischen
Regenströmen der Welt
eine Schar von Malern heranwächst
die im Geheimen ihre Paletten schärft
und zur verabredeten Stunde
die Mauern stürmen wird.
Diese bescheidenen Farbmischer der Zukunft
werden durch die Gefängnisse rennen
und Zelle um Zelle
in das Rot der Scheiterhaufen tauchen.
Was kann ich tun, um Dir ein Bild zu zeichnen
(Lied, geschrieben im Gefängnis von Valparaiso)
Was kann ich tun
um Dir ein Bild zu zeichnen
von diesem leblosen Gebilde
aus Stahl und Zement
von diesen kalten und endlosen Nächten
von diesen verzweifelten Schreien
die meinen Schlaf unterbrechen
von dieser verdorrten Landschaft der Liebe
in der ich dieses Lied für Dich schreibe.
Was kann ich tun
um Dir ein Bild zu zeichnen
von meinem absurden Vertrauen
noch immer in Deine Welt zu gehören
von den Stunden die ich einsam verbringe
um an dem endlosen Rade zu drehen
das meine Schritte
auf dem Boden der Zelle entwerfen.
Was kann ich tun
um Dir ein Bild zu zeichnen
von dem Hass, der meine Träume bedroht
von meinen täglichen Kämpfen
gegen die Peitschenschläge der Sehnsucht
und von dem Wahnsinn, der langsam
an den Schatten der Mauern emporsteigt.
Was kann ich schließlich tun
um diesen winzigen Raum
in Deinen Gedanken
möglich zu machen, damit Du mich sehen kannst dort, wo ich jeden Abend zum Schlafen mich lege
damit Du mich für ein Weilchen begleitest
und bei mir bleibst, Seite an Seite
beruhigend
schweigsam
und still.
Ich verstehe
den Rauch meiner Zigarette.
In seinem Drang, frei zu sein
dehnt er sich
löst er sich auf.
(Nach einem anonymen Textfragment
aus einem Gefängnis in Argentinien)
Dieser Tag war sehr lang. Von neun Uhr bis
fünf Uhr arbeiten sie und ich kann nun
meinen Körper nicht mehr beherrschen.
Meine Haut ist ein Kraterfeld, ein
Niemandsland zwischen den Fronten
ein Netz aus geprügelten Zellen, verbrannt
schmerzend, vom Fieber gerötet.
Ich kann weder stehen noch liegen. Ich gehe
auf und ab und weiß,
dass ich ab morgen nicht mehr gehen kann.
Morgen werden sie meine Fußsohlen töten.
Den Raum aber, der unter meiner Haut liegt
und selbst noch hinter meinen Knochen
den Raum des Horizontes
der in jedem Körper eingeschlossen ist
den Raum der Freiheit berühren sie nicht.
Aber missverstehe mich nicht: Ich werde
auch morgen kein Held sein. Es gibt keine
Helden, außer in Feierstunden und unter den
Toten. Ich werde wieder schreien und mich
wieder übergeben. Ich werde erniedrigt sein
noch einmal, noch einmal ein Bündel
Entsetzen sein, fassungslos brüllend, für
Momente gestorben. Aber ich werde wieder
ein Mensch sein, ein Teil der Schöpfung, die
sich die Würde niemals nehmen lässt.
Ich werde stolz sein,
mitten im Hagel der Demütigung.
Ich werde jedes Geständnis unterschreiben
jedes wahre, jedes falsche. Ich werde, wenn
es nichts mehr zu ertragen gibt, vielleicht
meine eigene Mutter verleumden
ich werde auf Knien betteln, ich werde alles
sagen, was man von mir hören will.
Aber ich werde kein einziges Wort verlieren,
keine Geste, keine Bezeichnung, keinen
Ausdruck über mein Dasein als Mensch.
Zeig Würde, Mutter
wenn Du das Gefängnis betrittst
wenn Du darum bittest
mich sprechen zu dürfen.
Beuge Dich nicht vor ihnen
erniedrige Dich nicht.
Sie sollen die Verachtung
in Deinen Augen spüren
und fühlen, wie eine Mutter sie beschämt.
Vor allem aber
lass sie keine einzige Träne sehen
erlaube ihnen niemals
sich an Deinem Schmerz zu weiden.
Niemals zuvor
hat mir die Luft so sehr gefehlt
die ich zum Leben brauch’
Niemals zuvor
hab’ ich, um nicht zu sterben
ein Lächeln so gesucht
Niemals zuvor
hab’ ich so kompromisslos lieben müssen
um dem Hinterhalt des Hasses zu entgehen.
(geschrieben im Gefängnis von Valparaiso)
Zwanzig Minuten von hier
liegt Viña del Mar, die Gartenstadt
mit ihren Stränden von weißem Sand
mit ihren reichen Touristen
ihren Marinekadetten
ihren Funktionären
ihren Devisen
und mit dem Schloss, wo
der Diktator Urlaub hält
umgeben von seinem Hofstaat der Henker.
Sie weiß von alledem. Aber
sie zieht es vor, mich zu besuchen
mich
in dem brüchigen, stinkenden Gefängnis
in dem ich bin, und mir
dort leise in das Ohr zu flüstern:
Noch dieses Jahr fällt der Tyrann...
Geh auf Deiner Mauer spazieren
befiehl mir, die Kerze zu löschen
puste in Deine Trillerpfeife bis
kein Atem übrigbleibt und
sperr mich hinter Schloss und Riegel ein
Was kümmerst Du mich
Ich werde von einem Mädchen geliebt
Sie wird mich am Besuchstag umarmen
mich
Während Du in Deinem Wachturm
verlassen
am Daumen lutschst.
Wenn sie mich besucht
schere ich mich einen Dreck
um den Einheitsfraß
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