1 ...8 9 10 12 13 14 ...19 „Du hast keine Ahnung, Frau!“, knurrte Bijae..
Überrascht sah Sondra ihn an. „Was soll das denn bitte schön heißen?“
„Respekt muss man sich verdienen und Zuneigung und Liebe werden total überbewertet.“
Sondra klappte der Unterkiefer runter, Andreas runzelte die Stirn und Elsir schloss genervt die Augen.
„Jae, du bist der unromantischste, unsensibelste und blödeste Mann den ich kenne!“ Elsirs Stimme klang ein wenig erzürnt, sein blaues Auge mit den silbernen Punkten funkelte extrem bedrohlich. Es schien beinahe, als ob die Punkte ein Eigenleben führen würden. Wie damals bei seiner Mutter Syra, als diese sich nicht nur als liebende Gefährtin sondern auch als entscheidungsfähige Königin offenbarte.
Bijae setzte zu einer Antwort an, überlegte es sich aber noch einmal.
„Vor acht Jahren hatten wir dann zum ersten Mal nach tausenden Jahren Kontakt mit dem Volk der Harpyien. Sie leben im südlichen Teil Shilfars, das Land hinter dem gleichnamigen Gebirge im Osten von Vilgard. Die Harpyien verhandeln nur mit uns Elfen und den Greifen, der Rest Vilgards interessiert sie zurzeit noch nicht. Es besteht ein lockerer Handel, mehr aber auch nicht.
Durch die Harpyien gelang es aber Fnir Kontakt mit den Wolfsmenschen aufzunehmen. Das war vor etwas mehr als zwei Jahren. Bisher verweigern die Wolfsmenschen jedoch jeden weiteren Kontakt mit der Bevölkerung Vilgards.“
Als Fnirs Name fiel, richtete sich Andreas ein wenig auf und blickte zu seiner Verlobten hinüber. Für einen kurzen Moment sah er ein leichtes Glitzern in den Augen von Sondra, mehr allerdings nicht.
>Ich bin immer noch eifersüchtig<, stellte Andreas fest. >Auf einen Greif! <
„Wie kommuniziert Fnir denn mit den Wolfsmenschen? Leben sie in größeren Gemeinschaften oder in mehreren kleineren? Haben sie Städte oder Dörfer?“
Sondra war wirklich neugierig. „Und was ist mit den Harpyien? In unseren Legenden bestehen Harpyien ausschließlich aus weiblichen Exemplaren. Gibt es auch männliche? Wenn nein, wie pflanzen sie sich dann fort?“
Bijae seufzte. „Stellst du immer so viele Fragen?“
„Natürlich! Nur wenn man Fragen stellt, kann man auch nach Antworten suchen.“
Elsir schmunzelte. „Diese Fragen werden wir noch beantworten, Sondra. Aber du solltest Jae jetzt ausreden lassen, sonst explodiert er!“
Sondra sah in die bernsteinfarbenen Augen des Druiden. Drei mögliche Antworten spukten in ihrem Kopf, aber sie holte tief Luft und biss sich demonstrativ auf die Zunge. Mit einer Handbewegung forderte sie Bijae auf, weiter zu erzählen.
„Vor über acht Monaten, Fnir war gerade wieder zu Gesprächen bei den Wolfsmenschen geladen, waren einige der Mitglieder eines der wichtigsten Rudel auf der Jagd. Har, ein Cousin des Anführers Arom, führte selbst eine Gruppe aus zehn Wolfsmenschen an. Bei der Jagd bleiben die Wolfsmenschen der Einfachheit wegen lieber in der Gestalt eines Wolfes. Vala, eine Cousine Hars und Schwester Aroms, trennte sich kurzfristig von der Gruppe. Sie hatte wohl etwas gerochen und wollte der Spur nachgehen.
Als sie nach einiger Zeit nicht nachkam, suchte das Rudel sie. Die Spur führte in eine Höhle. Die Wolfsmenschen nennen diese Höhle seit Jahrhunderten die Verbotene Höhle. Sie ist eigentlich tabu für ihr Volk. Aber Vala ist hineingegangen.“
„Darf ich raten?“ fragte Andreas.
Bijae nickte.
„Zum einen war an diesem Tag Vollmond des gelben Mondes. Und zum anderen steht in der Höhle ein Torbogen, der so ähnlich aussieht wie der Torbogen in unserem Keller.“
„Beide Annahmen sind richtig“, bestätigte Bijae.
„Und die Spur Valas endete genau an dem Tor“, schloss Sondra.
Bijae nickte ihr zu. „Als Fnir von dem Vorfall hörte, ließ er sich von den Wolfsmenschen zu der Höhle bringen und nahm sie selbst in Augenschein.“
Sondra überlegte kurz, wie groß die Höhle sein musste, damit der riesige Greif da hinein passte.
„Fnir klärte die Wolfsmenschen über die Tore und den Weltenwanderer auf und Arom bat ihn daraufhin, dich um Hilfe zu bitten, Sondra.“
„Ich wüsste nicht, wie ich helfen könnte“, wand Sondra konsterniert ein.
Elsir lächelte Sondra zuversichtlich an. „Fnir sagte, dass du eventuell in der Lage wärst, Vala in dieser Welt ausfindig zu machen und sie nach Shilfar oder Vilgard zurückzubringen.“
Sondra starrte die beiden Elfen einen Moment an. Dann schüttelte sie den Kopf. „Unsere Welt ist so viel größer. Wo soll ich da mit der Suche anfangen?“
„Ich wüsste schon wo“, warf Andreas ein. Verblüfft sah Sondra ihn an.
„Habt ihr zufällig eine Karte von Vilgard und Shilfar dabei?“
Bijae nickte und ergriff seinen Rucksack. Vorsichtig nahm er ein zusammengefaltetes Stück Pergament heraus. Dann stand er auf und breitete das Pergament auf dem Fußboden aus. Sondra und Andreas standen auf und hockten sich neben Bijae auf den Boden.
„Hier ist Iskand und hier ist unser Zugang zu deiner Höhle, Sondra.“ Der Druide zeigte auf eine Stadt im nördlichen Bereich der Karte und auf einen kleinen Gebirgszug, der noch weiter nordöstlich lag.
„Ja, ich erkenne es“, sagte Sondra und deutete auf ein Gebirge im Südwesten. „Hier ist das Sikhara-Gebirge. Dieser Fleck hier soll wohl Yldag darstellen?“
Bijae sah missbilligend an. „Fleck?“, fragte er.
„Entschuldige bitte. Und das hier ist Ylra.“ Sie überging seinen Unmut und deutete auf die Stadtzeichnung östlich vom Sikhara-Gebirge.
„Genau. Hier im Süden befindet sich Ruwu-ul, das Land der Lykiener und der Swara. Und hier im Osten liegt Shilfar. Der südliche Teil an der Grenze zu Ruwu-ul gehört den Harpyien, alles, was darüber liegt, gehört den Wolfsmenschen und den Drachen.“
„Drachen?“ Andreas riss erstaunt die Augen auf. „Davon hast du bisher aber nichts gesagt.“
„Ist auch nicht notwendig. Fnir hat versucht mit ihnen in Kontakt zu treten, aber sie haben sehr deutlich gemacht, dass sie keinen Kontakt wünschen. Sein Gefieder war … angesengt.“
Sondra erschrak. „War er sehr schwer verwundet?“
„Nein. Die Drachen wollten ihn nicht töten, sondern ihm lediglich klarmachen, dass sie in Ruhe gelassen werden wollen. Also lassen wir sie in Ruhe.“
„Wo ist denn jetzt das Tor, durch das Vera verschwunden ist?“, fragte Andreas.
„Vala“, korrigierte Bijae und zeigte auf einen Punkt, der praktisch in der Achse genau zwischen Iskand und Ylra im Gebirge von Shilfar lag.
Andreas sah sich einen Moment die Karte an und grübelte. „Ich komme gleich wieder“, sagte er, stand auf und verschwand aus der Küche. Als er wiederkam, hatte er einen alten Weltatlas in der Hand. Er legte ihn neben die Karte Vilgards und schlug die Übersichtskarte Europas auf.
„Sieh mal, Schatz, hier wohnen wir!“ Er zeigte auf einen Punkt in Norddeutschland in der Nähe von Flensburg. „Deine Höhle in Irland ist hier. Wenn man das jetzt in Relationen zu Vilgard sieht und deine Höhle ihren Ausgangspunkt hier hat, “, er zeigte auf Bijaes Karte oberhalb Iskands. „und wir davon ausgehen, dass die Höhle in Irland auf der Westseite des Sikhara-Gebirges liegt wegen der Nähe zu Yldag, können wir vielleicht ungefähr bestimmen, wo die Höhle des Shilfar-Gebirges liegen muss.“
Sondra sah ihren Verlobten lächelnd an. „Du bist doch ein verdammt cleverer Mann.“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Und attraktiv noch dazu“, raunte sie ihm ins Ohr. Allerdings nicht leise genug, denn Bijae bekam rote Ohren und Elsir grinste sehr breit.
Schnell wendeten sie sich wieder der Karte Vilgards und der Ansicht Europas zu. Sondra nahm ein Fingermaß und versuchte die Abstände der Entfernungen zueinander zu schätzen. Von Iskand aus maß sie zweieinhalb Finger nach Ylra. Ebenfalls von Iskand ausgehend maß sie vier Finger zum Sikhara-Gebirge und nach Yldag. Dann ging sie von Iskand aus mit demselben Fingermaß nach Shilfar zu der Höhle. Andreas hatte vorsichtshalber einen Block und einen Kugelschreiber mitgebracht, den Sondra jetzt für ihre Berechnungen brauchte.
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