Als Erstes sehe ich in das entsetzte Gesicht meines Bruders, dann Dads besorgte Miene, ehe mein Blick an Stokes amüsiertem Grinsen hängen bleibt. Es scheint fast, als hätte er erwartet, dass das genau so laufen würde.
„Mr Beaufort“, spricht er meinen Vater ernst an. „Sie haben es Ihrer Tochter zu verdanken, dass der Verkauf an mich vom Tisch ist – vorerst zumindest! Und wenn Sie wollen, dass ich ernsthaft über eine Investition nachdenke und der Verkauf endgültig erledigt ist, dann bitte ich Sie beide, den Raum zu verlassen.“
Okay, nun bekomme ich Panik. Hilfe suchend sehe ich mich, trotz meiner gerade noch so hochtrabend vorgetragenen Rede, nach Dad um. Der scheint die Welt nicht mehr zu verstehen und wirkt mindestens so verwirrt wie ich. Als Dad und Charly sich widerwillig erheben, tue ich es ihnen gleich. Wenn ich das richtig verstehe, soll ich mit ihm hierbleiben. Nur er und ich. Allein bei dem Gedanken leuchten meine inneren Alarmglocken in allen Abstufungen der Farbe Rot.
Während ich dastehe, verwirrt und mit einem Knoten im Magen, umrundet Dad den Tisch und sieht mich besorgt an. Kurz lehnt er sich zu mir und flüstert mir zu: „Jetzt liegt es an dir, Maddie! Wir zählen alle auf dich!“
Nur kein Druck, was?
Kaum sind Dad und mein Bruder durch die Tür verschwunden und ich bin mit Michael Stoke in dem riesig wirkenden Raum allein, bekomme ich Gänsehaut. Der Gedanke, mit diesem Mann allein zu sein, jagt mir mehr Angst ein, als den verrückten braunen Hengst unseres Pferdezüchters zu reiten. Und der Gaul ist der reinste Teufel. Einmal abgeworfen zu werden hat mir gereicht. Ich habe meine Lektion gelernt. Was mir hier jedoch bevorsteht, ist völlig unbekanntes Terrain.
Ein paar Minuten vergehen, ohne dass er etwas sagt. Er starrt mich nur an. Wieder ist das starke Gefühl da, seine Beute zu sein, was mir gar nicht behagt. Deshalb lasse ich mir meine Angst nicht ansehen und hebe stattdessen herausfordernd eine meiner Brauen, ganz genau so, wie er es vorhin getan hat. Ihn amüsiert es anscheinend, denn es bringt den Mann dazu, zu grinsen. Ich wünschte wirklich, er wäre nicht attraktiv, dann fiele mir das hier leichter. Ich könnte ihn einfach hassen und auch noch abstoßend finden. Wie schön das wäre.
„Ich wusste, dass Sie mir die Wahrheit sagen würden.“
„Ach, und woher beziehen Sie dieses Wissen? Ich wusste es nicht.“ Falsch lächle ich ihn an und verschränke die Arme vor meiner Brust. Das enge Kostüm, das ich trage, spannt dabei unangenehm auf meiner Brust. Erschrocken stelle ich fest, dass meine Brüste schwer sind und meine Haut überall erwärmt ist.
„Sagen wir, ich habe für gewisse Menschen ein gewisses Gespür.“ Wieder umspielt die rosa Lippen ein geheimnisvolles Lächeln.
„Klingt für mich eher ungewiss. Sollte jemand wie Sie sich nicht eher auf Fakten verlassen als auf sein Gespür ?“
Nun bin ich es, die ihm ein überlegenes Lächeln serviert. Ich muss zugeben, dass dabei etwas in meinem Bauch kribbelt. Bestimmt nur die Nervosität und Anspannung. So viel steht auf dem Spiel und ich liefere mir Scharmützel mit einem Finanzmagnaten. Mom muss mich als Kind zu heiß gebadet haben.
„In diesem Punkt irren Sie sich gewaltig. Ich verlasse mich immer auf meinen Instinkt. Nun gut, es gab da eine Ausnahme. Sie kennen so was. Eine Begegnung, die nicht so verlaufen ist wie geplant, weil man eben nicht auf seinen Instinkt gehört hat.“
Plötzlich wirkt er nachdenklich und sieht mich ernst an, so als wäre ich in einer Befragung und gäbe ihm nicht die richtigen Antworten, dabei versuche ich bloß, herauszufinden, worum es eigentlich geht.
„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“
Wieder grinst er, aber dieses Mal wirkt es anders, eher, als verberge er damit etwas. Könnte das Enttäuschung sein? Aber worüber denn? Bin ich ihm nicht businesstauglich oder lebenserfahren genug? Spiele ich seine Spielchen nicht richtig mit? Worum zum Teufel geht es hier?
„Ganz ehrlich, Mr Stoke. So langsam weiß ich nicht mehr, was hier gespielt wird.“ Ich setze mich auf und blicke ihn streng an. Ja, ich bringe das. Mir doch egal, wie reich und mächtig er ist. Er ist nur ein Schönling im Anzug, aber ich bin Madison Beaufort. Und das zählt etwas, wo ich herkomme, und wenn nicht, sorge ich dafür. Durch harte Arbeit und Sturheit. In beidem bin ich ziemlich gut.
„Dann kläre ich Sie mal auf. Sie sind hier, weil ich Ihre Ideen um Längen besser finde als die Ihrer Familie, und Sie sind hier mit mir – allein –, weil ich Ihnen ein spezielles Angebot machen möchte, eines, das Sie bestimmt nicht im Beisein Ihres Vaters oder Ihres Bruders besprechen möchten.“
Atme ich? Jedenfalls schlägt mein Herz noch, verdammt schnell sogar. Schmerzhaft hart hämmert es gegen meine Rippen.
Ich schnaube, weil alles, was mir gerade durch den Kopf geht, lächerlich klingt. „Das hört sich ja beinahe so an …“
„… als wolle ich Ihnen ein unmoralisches Angebot unterbreiten? Ja, Madison, genau darum geht es. Um Sie!“
Schock, Unglauben und Übelkeit sind nur ein paar der Dinge, die ich empfinde, als meine Hand meinen Mund bedeckt, der gerade undamenhafte Dinge von sich geben möchte.
„Das … das ist doch ein Scherz?“ Ich schlucke.
„Sehe ich aus, als würde ich scherzen?“
Nein, das tut er nicht. Er sitzt locker da, zurückgelehnt in dem unbequemen Stuhl, den ich schon gar nicht mehr sehen kann, und hält einen Füller in der Hand. Was? Will er, dass ich ihm meine Seele verkaufe?
Der Mann ist doch irre. Zugegeben, heiß und irre. Und ich dachte bisher immer, das ist eine fatale Kombination, die nur bei Frauen eine Rolle spielt, eine, vor der man sich hüten soll.
„Hören Sie, Mr Stoke … Es ist ja nicht so, als hätte ich nicht schon die eine oder andere Schmonzette gelesen, die so anfängt, und ja, auch ich habe Pretty Woman schon mal gesehen, aber überraschenderweise nie dabei den Wunsch verspürt, auf den Strich zu gehen.“
Der Kerl beißt sich doch tatsächlich auf die Lippen, um nicht zu lachen. Findet er das hier komisch?
„Ich finde das nicht komisch, Mr Stoke. Ganz und gar nicht!“ Schockiert und angepisst gleichermaßen beiße ich die Zähne zusammen und fühle mich vorgeführt.
„Das hier ist keineswegs komisch gemeint. Es ist mein voller Ernst. Ich möchte Ihnen ein Angebot machen, eines, von dem Sie und ich gleichermaßen profitieren. Natürlich wird das absolut vertraulich bleiben – nur zwischen Ihnen und mir.“
„O Gott, das ist tatsächlich Ihr Ernst. Was passiert jetzt? Geben Sie mir einen Sexvertrag, in dem wir ein paar Bondageklauseln festlegen?“
Laut geworden schüttle ich den Kopf, denn das ist das Merkwürdigste, was mir jemals passiert ist. Ein Gutes hat es. Die Penisbilder und Pornovideos mit meinem montierten Gesicht darauf, die ich eine ganze Weile ständig zugeschickt bekam, wirken dagegen wie Kinderkram.
„Ich brauche keinen Vertrag. Nicht bei diesem Geschäft. Ich verlasse mich ganz auf Ihr Wort. Denn ich weiß, Sie werden es nicht brechen.“
Seine türkisfarbenen Augen lassen nicht den geringsten Zweifel an seinen Worten erkennen, und auch seine ganze Körperhaltung drückt aus, wie selbstsicher er dabei ist. Selbstsicherheit ist etwas, was mir gerade ausgegangen ist, dafür habe ich eine ganze Ladung Wut im Bauch.
„Oh, danke für Ihr Vertrauen, Mr Stoke. Wie schön, dass Sie glauben, ich spiele bedenkenlos die Nutte für Sie und halte dabei in Ihrer Vorstellung auch noch Wort und mache bereitwillig die Beine breit, weil Sie mir ein so tolles Angebot machen werden … Sind Sie noch ganz dicht?!“
Ich tue, was ich längst tun hätte sollen. Ich stehe auf und stürme auf den Ausgang zu. Nur weg hier! Ehe ich die Tür erreichen kann, hält er mich auf und packt mich am Oberarm. Er ist mir so nahe, dass ich sein Aftershave riechen kann, das zugegeben sehr gut duftet, und ich sehe die goldenen Flecken in seinen türkisenen Augen. Aber am meisten überrascht mich dabei, dass ich Panik in Michael Stokes Miene ausmache, ein Gefühl, von dem ich nicht dachte, dass er dazu fähig wäre. Für den Bruchteil einer Sekunde sehe ich einen panischen Mann vor mir, der mir einen unverstellten Blick in sein Innerstes gewährt, um sich gleich darauf wieder vor mir zu verschließen und um mich mit seiner eindringlichen Stimme aufzuhalten.
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