„Wirklich? Mir fehlen die Worte, Schatz!“ Mir stockte der Atem, meine Sicht wurde schlagartig durch das ansteigende Wasser in den Augen verschwommen. „Hast Du den Test gemacht, oder warum bist Du Dir so sicher?“ fragte ich. Ela hatte sich beim Essen am Samstag mit Jennifer lange Zeit darüber unterhalten, dass seit ein paar Tagen das Eintreten der Periode ausblieb, sie aber keinerlei bewusste Veränderung in ihrem Wohlbefinden feststellen würde. Letzte Woche waren Ela und ich noch im Norden im Urlaub gewesen und Ela hatte dort jeden Nachmittag eine Auszeit genommen, was eigentlich ungewöhnlich für sie war, mich aber noch lange nicht darauf gebracht hatte, dass das aufgrund einer Schwangerschaft gewesen sein könnte. Ich hatte den Gedanken vom Wochenende eigentlich schon wieder etwas in den Hintergrund verdrängt, wenn gleich wir gestern einen Schwangerschaftstest für alle Fälle gekauft hatten. Einen Test hatte Ela bereits im Sommer dieses Jahres gemacht, der aber negativ ausgefallen war. Ihre Enttäuschung war damals so groß gewesen, dass ich ihr gestern davon abgeraten hatte, direkt wieder einen Test zu machen, nur weil die Periode fünf Tage überfällig war. Man war bei sowas auf einmal hin und hergerissen. Auf der einen Seite wollte man am liebsten direkt wissen ob es funktioniert hatte, auf der anderen Seite war man maßlos enttäuscht, auch wenn man es sich anders vorgenommen hatte, wenn der Test nicht die gewünschten Balken zeigte.
„Ja, ich habe den Test den wir gestern gekauft haben, gemacht. Das Ergebnis hat keine zwei Sekunden auf sich warten lassen und die Balken haben sich sofort verfärbt. Ich muss schwanger sein! Freust Du Dich?“ fragte Ela in einem nervösen Ton. „Natürlich freue ich mich, ich kann es überhaupt nicht fassen. Jetzt ist das eingetreten, was wir uns als nächstes in unserem Leben so sehnlich gewünscht haben und auf die bevorstehende Zeit mit Dir und unserem Baby freue ich mich riesig!“ antwortete ich und blickte gleichzeitig auf das Schild welches anzeigte, dass es links in Richtung Vereinsheim ging. Jetzt war für alle Ewigkeit der Moment an dem ich erfahren habe dass ich Vater werde mit diesem Verein verbunden. Für einen überzeugten Fan des Serienmeisters gab es schönere Orte, die ich mir vorstellen könnte, aber sei es drum. Ich werde Vater, unglaublich.
Als ich auflegte und erst nachdem ich einen lauten Freudenschrei ausstieß und wie wild in einem Auto gestikulierte, bemerkte ich, dass neben mir ein Auto stand und mich der Fahrer sehr verwundert und verständnislos anstarrte. Der dachte wahrscheinlich, ich hätte die Nerven wegen der Verkehrssituation verloren, aber mein Grinsen im Gesicht müsste ihm eigentlich ein Zeichen genug gewesen sein. Wahrscheinlich hatte er in seinem Leben aber noch nie so eine Nachricht bekommen und konnte den Moment des Glückes überhaupt nicht nachempfinden. Sei es drum, mir war auf einmal die Hitze völlig egal, mein Drang nach Hause zu kommen aber ab jetzt größer denn je.
Ich gehörte eigentlich eher zu der Fraktion „das Glas ist halbleer“, aber dass die Streifen des Tests augenblicklich in Erscheinung getreten waren, ließ bei mir sogar die Unsicherheit in Optimismus umschlagen und ich versuchte mir vorzustellen, wie lange Ela schon schwanger war und wann wir das Testergebnis durch den Frauenarzt bestätigen lassen könnten.
Als ich zu Hause nach einer gefühlten Ewigkeit ankam, nahm ich Ela ganz fest in die Arme und sie zeigte mir voller Stolz den Test. Zweifellos, ich hätte nie gedacht, dass diese Teststreifen das Ergebnis so überzeugend hervorheben konnten, aber das erkannte auch ich, dass da sämtliche Farbe zum Vorschein kam, welche im ungebrauchten Zustand völlig verdeckt blieb, um ja keine Hoffnungen zu schüren wo keine sein sollten. Das hatte ich von dem ersten Test noch zu gut in Erinnerung. Am Abend drehten wir überglücklich unsere Ortsrunde und malten uns gemeinsam aus, was die Zukunft für das Baby und uns bringen würde. Ob es ein Junge oder ein Mädchen wurde, war eigentlich schon klar, da wir den Spitznamen „Hannemann“ bereits in der Vergangenheit gewählt hatten, wenn wir über ein Baby gesprochen haben. Vor allem waren wir glücklich darüber, dass der Geburtstag irgendwo im Sommer liegen würde, wie lange Ela schon schwanger war, wussten wir natürlich noch nicht.
Unsere Vorfreude war riesig, wenn gleich wir uns selbst beruhigten, da in einer Schwangerschaft auch Komplikationen vorkommen konnten und wir vor allem die Schwangerschaft durch den Frauenarzt bestätigt wissen wollten. Ela machte direkt am nächsten Tag einen Termin, der aber erst am 25. Oktober stattfand. Zwei Wochen konnten unendlich lange sein und die Anspannung war zum Ende hin kaum noch auszuhalten. Mit unseren Eltern und den engsten Freunden sprachen wir bereits am Wochenende vor der Untersuchung darüber, da wir jemanden brauchten, mit dem wir unsere Freude teilen konnten, aber auch um uns zu beruhigen, dass alles gut würde und wir nach dem Arzttermin ein erstes Bild unseres „Hannemanns“ in der Hand halten würden.
Nach schier endlosem Warten auf den wichtigen Tag, war er nun endlich gekommen. Der Termin wurde bewusst sehr spät angesetzt, aber Elas Frauenarzt war schon immer berühmt dafür, es mit der Termineinhaltung nicht so ernst zu nehmen. Schön für denjenigen, der bei ihm in Behandlung war, da er sich alle Zeit der Welt für seine Patienten nahm, schlecht für die, die in dem Wartezimmer saßen und hofften noch irgendwann mal an der Reihe zu sein. Wir wurden aufgerufen und der erste Weg ging direkt in Richtung Labor, wo Ela Blut abgenommen und derselbe Schwangerschaftstest vorgenommen wurde, wie der, den Ela vor zwei Wochen selbst schon gemacht hatte. Endlich konnte auch ich mir nun ein Bild davon machen, wie extrem schnell die Balken des Tests sichtbar wurden und ein Grinsen bei der Arzthelferin hervorrief. Es bestätigte noch einmal das was wir eigentlich schon wussten. Wir waren schwanger und erwarteten ein Kind. An diese Art der Untersuchung würde Ela sich gewöhnen müssen, denn eine Blutuntersuchung würde bei jedem Kontrolltermin gemacht und erst dann wurden wir in das Behandlungszimmer gebracht. Dr. Engels hatte eine hoch moderne Praxis mit modernster Technik und so lag Ela nach kurzer Begrüßung auf der Behandlungsliege, ich saß neben ihr und hielt ihr die Hand, in einem abgedunkelten Raum während vor uns an der Wand ein Beamer eingeschaltet wurde, der das Ultraschallbild direkt in einem riesigen Format an die Wand projektierte. Die Anspannung war zum zerreißen groß und es dauerte nicht lange bis der Ultraschallkopf sich über den Bauch bewegte und erste Bilder zu sehen waren. Ich suchte krampfhaft nach einem Bild, welches mir durch die Medien geläufig war, wenn man mittels Ultraschall ein Baby im Bauch der Mutter ausfindig machte und sah alles aber keine Umrisse eines Babys, sondern die Aufeinanderfolge hektischer Bewegungen und hier und da mal irgendetwas Pochendes. Dr. Engels veränderte ständig die Position des Ultraschallkopfes und so war es fast unmöglich ein Bild anzuschauen und zu begreifen, als bereits das nächste Bild erschien. Er sagte kein einziges Wort, was die Spannung ins unermessliche trieb und bat Ela nach einem ersten Überblick ein Kissen unter das Becken zu schieben. Was sollte das bedeuten? Neben den unerkennbaren Bildern versuchte ich den Gesichtsausdruck des Arztes zu deuten. Dr. Engels war bei seinen Untersuchungen aber schon immer sehr ernst gewesen. Erst vermittelte er einem das Gefühl er sah etwas ganz schlimmes und dann auf einmal veränderte sich sein Gesichtsausdruck in ein breites Grinsen und verkündete das Ela kerngesund war. An diesem Tag war er irgendwie anders. Er sprach gar nicht, was eigentlich überhaupt nicht seine Art war, da er immer bemüht war, die Bilder die er bei seinen Patienten machte zu erklären. Ela und ich wurden immer nervöser und irgendwann machte er an einer Stelle halt und schaute sich ein Bild sehr lange und genauestens an. Das war auch meine Chance endlich eine eigene Interpretation für das Bild zu erstellen. Ich hatte den Eindruck als wären das Bild und der pochende Impuls doppelt auf dem Bild zusehen. Erst einmal war ich für mich erleichtert, dass ich glaubte erkannt zu haben, dass Ela auch auf dem Bild schwanger zu sein schien wenngleich meine Hände immer feuchter wurden und mich die Angst plagte, ob mit dem Baby alles in Ordnung war.
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